Gin von Simons of Hannover

In der List wird jetzt koscherer Gin produziert

Katerina Simon produziert in der Lister Destille dem Gin unter dem Label Simons of Hannover.

Katerina Simon produziert in der Lister Destille dem Gin unter dem Label Simons of Hannover.

Hannover. Simon – dieser Name höchst angesehener Familien im Hannover des 18. und 19.  Jahrhunderts – könnte künftig wieder in aller Munde sein. Zumindest bei denen, die Gin mögen und sich ab und an einen Obstschnaps gönnen. Unter dem Titel Simons of Hannover, der sich auf die jüdischen Bankiers namens Simon bezieht, gibt es einen Gin sowie verschiedene Obstbrände. Produziert werden sie von dem jungen und engagierten Unternehmerehepaar Katerina und Marc – und mit Familiennamen heißen sie praktischerweise auch Simon.

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Die Besonderheit bei ihrem hannoverschen Gin und den Obstbränden, etwa aus Vogelbeere, Apfel, Wildkirsche und Mandarine: Die Spirituosen sind koscher, ihre Herstellung entspricht den strengen Regeln für Zubereitung und Genuss von Speisen und Getränken gläubiger Juden. Dafür gibt es durchaus einen heimischen Markt. Im Geschäft der Simons spielt allerdings Hannover gar nicht allein die Hauptrolle. Das Ehepaar beliefert in der Stadt etwa die Bar Central im Hotel Kaiserhof am Ernst-August-Platz, das Bukowski’s an der Georgstraße, die Lieblingsbar an der Herrenhäuser Straße und die Mini-Bar am Thielenplatz. Zu den großen Kunden gehören aber auch ein Edeka-Markt mit koscherem Sortiment in Frankfurt sowie weitere Abnehmer in Belgien und den Niederlanden.

Bankiers der Könige

Die Rolle der historischen Simons und ihr Wirken im Hannover der vergangenen Jahrhunderte ist heute in der Stadt nicht mehr auf den ersten Blick ersichtlich. Doch einst trugen Palais und Plätze ihren Namen. Alexander Moritz Simon wurde 1837 in Hannover geboren. Er lernte das Bankgeschäft, arbeitete ein Zeit in den USA, die ihn später zu ihrem Vizekonsul in Hannover ernannten. Er erwarb ein stattliches Vermögen. Ihm gehörten zum Beispiel das prächtige, spitzwinkelige Parkhaus an der Nienburger Straße/Ecke Appelstraße und nicht weit davon die noch stehende Burgruine an der Ecke Herrenhäuser Kirchweg/An der Strangriede – wo freilich nie Ritter hausten. Simon ließ die Ruine als Ruine in seinem damals riesigen Park errichten, unter anderem mit einem altdeutschen Trinkgemach darin, in dem er adelige und reiche Gäste bewirtete. Von der Warte aus gesehen ist das Namenspatronat für den Gin also durchaus passend.

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Alexander Moritz Simons größtes Vermächtnis ist jedoch die Gründung der Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem. In dieses Projekt steckte der in späten Lebensjahren extrem sparsam lebende Simon all sein Geld. Die Schule wurde später Gestapo-Gefängnis, heute ist sie eine Gedenkstätte für die Judenverfolgung der Nazis.

Prominent ist auch Israel Simon, geboren bereits 1807 in Hannover, der ebenfalls Bankier und US-Vizekonsul wurde. Schon sein Urahn Michael David war Vorsteher der jüdischen Gemeinde Hannovers und als Bankier in der Zeit der Personalunion für Georg I. kurfürstlich -hannoverscher und königlich-britannischer Hof- und Kammeragent – salopp gesagt: der Geldbeschaffer. Israel Simon stand in ähnlicher Funktion Georg V. zur Seite. Nach ihm hießen der Simonsplatz und die Simonstraße, einst nahe der Kreuzung von Brühl- und Goethestraße sowie Leibnizufer in der Calenberger Neustadt gelegen. Simonsplatz und -straße gibt es heute nicht mehr. Die Nazis änderten die Namen bald nach der Machtergreifung, beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Straßen neu geplant und gebaut. Auch das nach Israel Simon benannte Palais ist längst verschwunden: Der von Christian Heinrich Tramm entworfene schlossartige Prachtbau stand einst im Bereich Escherstraße/Brühlstraße, etwa da, wo heute das Jobcenter ist. Als Georg V. nach Wien ins Exil ging, folgte ihm auch Israel Simon als getreuer Finanzberater. Doch Simon verlor sein Vermögen, fiel in Ungnade und starb schließlich verarmt. Sein Palais in Hannover war eine Zeit lang Sitz der Handelskammer, im Zweiten Weltkrieg wurde es beschädigt, in den Plänen von Rudolf Hillebrecht für das autogerechte Nachkriegs-Hannover war kein Platz mehr für das Palais – also kreiste die Abrissbirne.

Fallobst ist passul

All diese historischen Hintergründe haben die jungen Simons fasziniert, als sie vor einiger Zeit nach Hannover zogen. So entstand die Idee zur Spirituosenmarke. „Die Produktion könnte woanders billiger sein. Aber ich mag die Stadt“, sagt Katerina Simon. Hier traf sie schließlich mit Roland Schulze von der Lister Destille am Mengendamm zusammen. Alles passte für den Start der Produktion. Und diese ist wahrlich kein unkompliziertes Unterfangen. Koscherer Schnaps – das bedeutet unter anderem, dass nur gepflücktes Obst verwendet werden darf und keinesfalls Fallobst, dass als nicht koscher, sondern passul gilt, wie Simon erklärt. Das Obst für ihre Produkte beziehe das Unternehmen aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Alles aus einem Umkreis von rund 150  Kilometern“, verspricht die Produzentin. Eine Ausnahme seien allein die Mandarinen aus Sizilien und der Ingwer aus Südafrika. Auch künstliche Farb- und Aromastoffe werden nicht verwendet. Und außerdem sind tierische und gentechnisch veränderte Zusatzstoffe tabu. Dass alle Vorgaben eingehalten werden, dafür garantiert Rabbiner Benjamin Wolff von der jüdischen Gemeinde Chabad Lubawitsch in Hannover. Es gibt unterschiedliche Koscher-Level für Nahrungsmittel – die hannoverschen Schnäpse genügen den strengsten davon. Ihr Genuss ist daher sogar ultraorthodoxen Juden erlaubt – aber in den Bars, die Simons of Hannover ausschenken, schmecken sie auch allen anderen.

Bezug zu eigenen Vorfahren

Der Gin trägt indes nicht nur das „Simons“-Label, sondern noch zwei weitere Namen: Herzberg & Feldman Dry Gin – ein weiterer Bezug auf jüdische Vergangenheit. Katerina Simon, die in der Ukraine geboren wurde und in Tschechien aufgewachsen ist, heißt mit Mädchennamen Poleva. Das bedeutet in Russisch Feldmann. Der Name Herzberg wiederum stammt von Marc Simons Großmutter, die während des Zweiten Weltkriegs nach Auschwitz deportiert wurde. So werde die Geschichte der eigenen Familie mit der der hannoverschen Simon-Bankiers und dem Gin nach jüdischem Reinheitsgebot verknüpft. „Durch unseren Namen schließt sich ein Kreis. Wir knüpfen an das jüdisch-hannoversche Erbe an“, sagt Katerina Simon.

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Und wie schmeckt der Simons-Gin?

„Würzig, feinherb, klassisch, wacholderlastig, dabei aber nicht groß blumig“ – so beschreibt Manuel Mauritz, Wirt der Lieblingsbar in Herrenhausen und zugleich Chef der deutschen Barkeeper-Union, den Simons-Gin, den er durchaus im gehobenen Qualitätssegment einsortiert. Flaschenweise sind alle Spirituosen von Simons of Hannover im Laden und Onlineshop der Lister Destille sowie teilweise bei der Hannover Tourist Information, Ernst-August-Platz 8, erhältlich. Der Gin kostet 30 Euro pro 0,5-Liter-Flasche. Die Obstbrände kosten 20 bis 24 Euro pro Flasche.

Von Marleen Gaida

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