Käufer warteten vergeblich auf bestellte Handys
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Die Angeklagten Sandra H. (l.) und Ariane W. gehen in Deckung, die Verteidiger Harald Zimbehl (v.l.), Rüdiger Zach und Dirk Schoenian warten darauf, dass der Prozess endlich beginnen kann.
© Quelle: Samantha Franson
Hannover. Zwei Männer und zwei Frauen sind angeklagt, als Eigentümer und Geschäftsführer einer hannoverschen Firma an einem groß angelegten Betrug mit Handys beteiligt zu sein. Sie sollen im Internet Mobiltelefone angeboten haben, den Kaufpreis kassiert – aber in vielen Fällen nichts geliefert haben. Außerdem sollen Volker B. (54), Sandra H. (47), Mario B. (40) und Ariane W. (32) die Handys als Neugeräte ausgegeben haben, obwohl es sich um in China aufgearbeitete Gebrauchttelefone handelte. Die Staatsanwaltschaft hat 183 Taten angeklagt. Doch der Prozess am Landgericht Hannover, der am Mittwoch beginnen sollte, musste ausgesetzt werden, weil zwei der Angeklagten nicht erschienen. Neuer Starttermin ist der 5. Februar.
Einbruch in Geschäftsräume
Die Telefone bekannter Marken wie Samsung, Sony Ericsson, Motorola und Nokia wurden von der in der List angesiedelten Firma 2009 und 2010 auf Portalen wie „Versandfrei-24.de“ oder „handy-time24.de“ angeboten. Im Schnitt zahlten die Käufer 100 bis 200 Euro pro Gerät, gelegentlich auch 300 Euro. Die Schadenssumme liegt insgesamt bei 23.200 Euro. Volker B. und Sandra H. waren die Eigentümer des kleinen Unternehmens, Mario B. und Ariane W. als Geschäftsführer eingesetzt. Eine der offenen Fragen dieses Verfahrens ist, welche Rolle ein Einbruch in das Lager der Firma spielte. Dabei sollen etliche Handys gestohlen worden sein – was sicher zur wirtschaflichen Schieflage des Unternehmens beitrug und die Bereitschaft zu betrügerischen Machenschaften förderte.
Dass der Prozess um die relativ geringe Schadenssumme erst 2018 und damit acht Jahre nach den angeklagten Taten beginnt, ist kein Ruhmesblatt für die Justiz. Zunächst dauerte es bis Frühjahr 2013, bis das Verfahren am Amtsgericht Hannover eröffnet wurde. Doch dann reichte der zuständige Amtsrichter das gute Dutzend Aktenordner mit zahllosen Zeugenvernehmungen weiter. Weil es sich hier um einen bandenmäßigen Betrug handele und die zu erwartende Strafe über vier Jahre liege, sei das Landgericht zuständig. Bedingt durch die allgemeine Überlastung der Justiz und Richterwechsel konnte der Prozess dort erst jetzt terminiert werden. „Diese rechtsstaatswidrige Verzögerung muss im Rahmen der Strafzumessung kompensiert werden“, erklärte Ariane W.s Verteidiger Dirk Schoenian. Heißt: Aufgrund der jahrelangen Verzögerung muss es für die Angeklagten einen Strafrabatt geben. Abgesehen davon gehe es, so Sandra H.s Verteidiger Harald Zimbehl, jetzt nur noch um gewerbsmäßigen, nicht mehr um bandenmäßigen Betrug.
Zwei Angeklagte fehlten
Die Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer, Jana Bader, stellte gleich zu Anfang der Sitzung Nachforschungen an, wo die beiden fehlenden Angeklagten stecken. Demnach leidet Volker B. an einer Lungenerkrankung, die ihn noch für Wochen außer Gefecht setzt. Mario B., der aus Schleswig-Holstein anreisen muss, bekam nach eigenem Bekunden frühmorgens an einer Bushaltestelle eine Panikattacke – und blieb daheim. Bader kündigte an, den 40-Jährigen von einem Amtsarzt untersuchen zu lassen.
Dabei haben einige der Angeklagten durchaus ein starkes Interesse, das seit Jahren wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebende Verfahren abzuschließen. Wie es heißt, könnte es bei Prozessbeginn schnell zu einem von Geständnissen flankierten Deal kommen – damit bliebe allen Beteiligten ein Monate oder gar Jahre währender Prozess erspart.
Von Michael Zgoll