Pattensen-Mitte

Liedertafel beschließt einhellig Vereinsauflösung

Die Mitglieder der 1947 aus zwei Männergesangsvereinen hervorgegangenen „Liedertafel Pattensen 1862“ haben am Freitag die Auflösung des Chores beschlossen –mangels Nachwuchs.

Die Mitglieder der 1947 aus zwei Männergesangsvereinen hervorgegangenen „Liedertafel Pattensen 1862“ haben am Freitag die Auflösung des Chores beschlossen –mangels Nachwuchs.

Pattensen. Dunkle Wolken sind schon geraumer Zeit für den ehrwürdigen Verein „Liedertafel Pattensen 1862“ auf. Nachdem alle Versuche, auch jüngere Männer für den mehrstimmigen Chorgesang zu gewinnen, nicht gefruchtet hatten, beschlossen die Mitglieder nun am Freitag mehr als sieben Jahrzehnte nach der Gründung die Aufslöung des Vereins.

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Die Mitglieder des bis 1933 bestehenden Gesangvereins Concordia haben sich für das Foto vor der Alten Polizeiwache am Friedhof aufgestellt

Die Mitglieder des bis 1933 bestehenden Gesangvereins Concordia haben sich für das Foto vor der Alten Polizeiwache am Friedhof aufgestellt.

Der Blick in die Vereinsstatistik verdeutlicht das Problem: Von 102 Mitgliedern sind nur noch 19 aktive Sänger, und der Altersdurchschnitt liegt bei deutlich über 70 Jahren. Schon bei der Jahresversammlung Anfang Februar stand daher die Abstimmung über die Vereinsauflösung auf der Tagesordnung, doch waren seinerzeit nicht genügend Mitglieder da, um einen Beschluss fassen zu können. Am Freitag nun reichten die 44 Mitglieder des alteingesessenen Vereins aus, um im Calenberger Hof über den vertagten und einzigen Themenpunkt abzustimmen.

Schriftführer Alfred Bock bedauert, dass jünger Männer haben Interesse zeigten für den vierstimmigen Chor. Keine der Werbeaktionen in den Medien, von Haus zu Haus und in den Neubaugebieten hatten den gewünschten Erfolg gebracht. Die Entscheidung über die Auflösung war eine kurz,  erstaunlich klare und unemotionale Angelegenheit.

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Wilhelm Grönig, der als Vorsitzender die Anwesenden begrüßt hatte, bat nach dem Verlesung des Tagesordnungspunktes um Handzeichen. Die Entscheidung fiel mehr als deutlich aus: 43 Ja-Stimmen und eine Enthaltung beschlossen die Auflösung des Vereins. Die Sitzung war damit nach wenigen Minuten auch schon wieder beendet. Keine Gelegenheit für Wehmut oder Tränen. Grönig ist sich sicher: „Wir hatten ja Zeit, uns darauf vorzubereiten, wir wussten, was kommt!“ Ihm lag es besonders am Herzen, sich bei allen Mitgliedern für die langjährige Treue zu bedanken. Einige Sänger gehören dem Verein seit 65 Jahren an. Auch er selbst ist seit über 40 Jahren im Vorstand.

Nach der Entscheidung stehen nun noch formale Schritte an: Ein Notar werde die Auflösung des Vereins beim Amtsgericht und somit seine Löschung aus dem Vereinsregister beantragen. Ein Jahr lang wird es die Liedertafel Pattensen 1862 noch geben, bis die Löschung rechtskräftig ist.

Derweil stehen noch einzelne Termine für das erste Halbjahr an. Der Chor wir bei zwei Geburtstagen und einer goldenen Hochzeit jeweils ein kleines Konzert geben. Auch für das zweite Halbjahr zeichnen sich einige Aktivitäten ab. Alfred Bock betont: „ Wir wollen bis dahin den Betrieb aufrecht erhalten. Wir wollen aufrecht rausgehen, wir lassen uns nicht durchhängen, bis es vorbei ist.“ Positive Worte zu einer traurigen Entwicklung im Pattenser Vereinsleben.

Liedertafel ist 1947 aus zwei Vereinen hervorgegangen

Der Name „Liedertafel Pattensen 1862“ verweist auf eine lange Geschichte, doch tatsächlich gegründet wurde die Liedertafel erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1947, von ehemaligen Mitgliedern der Gesangsvereine Concordia und Germania. Die Jahreszahl 1862 bezieht sich auf das Gründerjahr des älteren Männergesangvereins Concordia. Dieser wurde am 20. September 1862 von 43 Männern ins Leben gerufen und probte fortan im Pattenser Ratskeller. Das Interesse am gemeinsamen Singen war seinerzeit offenbar so groß, dass 1876 in Pattensen noch ein zweiter Männergesangverein gegründet wurde: Germania. Dessen Sänger wiederum probten im Gasthaus Zur Leuchte. 

Während des Ersten Weltkriegs ruhte die Vereinstätigkeit beider Vereine. Erst 1920 probte Concordia wieder und trat der Chor auch dem Arbeiter-Sängerbund bei. Mit der Einstellung eines neuen Leiters verzeichnete der Chor ab 1923 einen großen Mitgliederzulauf. So ist es in der Chronik nachzulesen. Aufgrund einer politischen Verfügung wurde der Verein allerdings 1933, im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, aufgelöst. 

Der Verein Germania war in den Zwanzigerjahren ebenfalls sehr aktiv und feierte 1926 sein 50-jähriges Bestehen mit einem großen Fest, an dem 53 Vereine teilnahmen. Viele Mitglieder des Vereins Concordia traten nach dessen Auflösung 1933 dem zunächst noch weiter bestehenden Verein Germania bei. Aber auch dieser musste mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs seine Tätigkeit ruhen lassen. 

Auszeichnung 1962 von Bundespräsident Lübke

1947 gründeten die Mitglieder beider Vereine dann unter dem Vorsitz von Heinrich Birnbaum die Liedertafel Pattensen 1862. Die Chorleitung übernahm der damals 70-jährige Fritz Schmidt.  Die folgenden Jahre waren für den Verein sehr erfolgreich. Bundespräsident Heinrich Lübke verlieh der Liedertafel 1962 die Zelter-Plakette als höchste deutsche Auszeichnung für hervorragende Leistungen im Chorgesang. Das 120-jährige Bestehen wurde 1982 mit einem großen Zeltfest unter Leitung des damaligen Vereinsvorsitzenden August Grupe in Pattensen gefeiert. Ein weiterer Höhepunkt der Vereinsgeschichte war 1986 der Auftritt zur 1000-Jahr-Feier der Stadt Pattensen. tl

Von Andrea Weber

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