„Lüttje Lage“: Duell am Hochbahnsteig
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Hans-Peter Wiechers
© Quelle: HAZ
Hannover. Ich saß im Wartehäuschen auf unserem Hochbahnsteig und starrte gedankenverloren auf die Schlange der Autos, die unten auf der Straße langsam länger wurde. Gleich vor mir hielt ein junger Mann in einer weißen Limousine mit breiten Reifen und dicken Auspuffrohren, geschaffen für rasende Fahrten über breite Straßen. Aber wir sind in Kleefeld. Hier rast keiner. Hier ist Baustelle. Immer schon, glaube ich. Nur die Alten können sich noch an eine staufreie Straße erinnern.
Die Sonne brannte dem jungen Mann aufs Dach. Er hatte seine Musikanlage aufgedreht und hörte einen Sprechgesang. Er schaute zu mir auf. Ich schaute auf ihn herab. Wir sagten nichts. Er wusste, dass mir sein Rap zu laut war. Er drehte noch ein bisschen auf. Ich schaute von oben herab. „Armer Hund“, sagte mein Blick, „muss schrecklich heiß sein da unten in deiner hässlichen Blechkiste.“
Es ist sehr einfach, hochmütig runterzuschauen, wenn man oben sitzt. Ich hob die Nase noch ein bisschen höher und wandte mich ab. Vorn sprang eine Ampel auf Grün. Die Limousine röhrte wütend, wollte endlich rasen, kam aber nur drei Meter weiter, dann wurde die Fußgängerampel rot. Wir haben hier drei Lichtzeichenanlagen kurz hintereinander. Der Rapper legte eine Vollbremsung hin. Seine fahrbare Sauna wippte noch ein bisschen nach.
Ich stand auf, ging ein paar Schritte, bis ich auf gleicher Höhe mit der Limousine war. Wieder schauten wir uns an. Ich leistete mir ein schmieriges Grinsen. Er schaute weg und nickte mit dem Kopf im Rhythmus des Rap. Später war mir mein Benehmen ein bisschen peinlich. Aber nur ein bisschen. Ich genoss meine kleine Rache, denn wie oft war ich schon erschrocken zusammengezuckt, weil plötzlich so ein röhrendes Ungetüm an mir vorbeigerast war.
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Von Hans-Peter Wiechers