„Lüttje Lage“: Langsamkeit hat ihren Preis
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Michael Zgoll
© Quelle: HAZ
Hannover. Gelegentlich fällt es mir schwer, aus gewissen Begebenheiten Lehren zu ziehen. So wie jüngst vor einer Hemminger Bäckerei.
Ich nähere mich mit meinem Fahrrad von links, zügig, ein Fußgänger kommt von rechts, gemächlich. Würde ich jetzt rasant bis vor die Eingangstür brausen, eine Vollbremsung hinlegen und vom Sattel Richtung Tresen hechten – der Fußgänger würde den Laden nach mitr betreten.
Doch ich habe mir vorgenommen, ruhiger zu werden. Mich entspannt und locker zu geben und stets rücksichtsvoll aufzutreten. Also noch rücksichtsvoller als eh schon. So rolle ich denn langsam aus. Steige langsam vom Rad. Schreite langsam zur Tür. Der Fußgänger steht in der Warteschlange vor mir. Zwangsläufig.
Auf meinem geistigen Einkaufszettel stehen drei Kürbiskernbrötchen und ein Rosinenbrötchen. Kürbiskernbrötchen gibt’s noch reichlich, Rosinenbrötchen nur noch eins. Es bleibt so lange unbehelligt, bis mein Vordermann an der Reihe ist. Ich sage nicht, dass es so kommen musste, aber – es passiert. Der Mann, dem ich so selbstlos den Weg geebnet habe, verlangt nach dem letzten Rosinenrundling. Mich beschleichen Zweifel, ob die Entdeckung der Langsamkeit das Richtige für mich ist.
Die Verkäuferinnen, zwei an der Zahl, versuchen hingebungsvoll, mir über meinen Verlust hinwegzuhelfen. Preisen das hauseigene Schoko-Cranberry-Brötchen an, das eine wahre Delikatesse sei. Ich habe im Leben noch kein Schoko-Cranberry-Brötchen gegessen, doch in meiner Not lasse ich mich zu einem Kauf überreden.
An diesem Punkt gilt es, übersteigerte Erwartungen zu dämpfen. Naheliegend wäre natürlich folgende Pointe: Am Ende zahlte sich meine Entschleunigung aus, schmeckte das Schoko-Cranberry-Brötchen doch tausendmal besser als alle Rosinenbrötchen, die ich je probiert habe. Aber leider war dem nicht so. Das Kombi-Modell war ganz passabel, traf meinen persönlichen Geschmack aber nicht in gleicher Weise wie die Rosine.
Und was ist nun die Moral von der Geschicht? Ich habe mich dazu durchgerungen, vor Bäckerläden weiterhin betont rücksichtsvoll zu agieren – und baue darauf, dafür nicht zweimal hintereinander bestraft zu werden.
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Von Michael Zgoll