Kippa-Walk in Hannover

Rund 600 Menschen setzen Zeichen gegen Antisemitismus

Zeichen der Solidarität: Rund 600 Menschen zogen beim Kippa-Walk durch die City.

Zeichen der Solidarität: Rund 600 Menschen zogen beim Kippa-Walk durch die City.

Hannover. Kaum jemand ist ohne Kopfbedeckung gekommen: Vor dem Neuen Rathaus haben sich mehrere Hundert Menschen versammelt, und die meisten tragen eine Kippa – ein kleines, jüdisches Scheitelkäppchen. „Als Christ möchte ich so ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen“, sagt Detlef Paetzke aus Langenhagen.

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Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) hat erstmals einen „Kippa-Walk“ in Hannover organisiert. Stadt und Region unterstützen die Aktion, ebenso wie Kirchen und Gewerkschaften. In Berlin hatte es ähnliche Solidaritätskundgebungen gegeben, nachdem dort Kippa-Träger auf der Straße attackiert worden waren. „Antisemitismus hat heute viele Gesichter“, sagt Kay Schweigmann-Greve von der DIG, „aber der Kampf gegen Antisemitismus auch – nämlich unsere.“

Dieser Zug durch die Stadt ist eine neue Form von Kundgebung, abseits von routinierten Kranzniederlegungen an etablierten Gedenktagen. Aber es gibt ja auch immer neue Formen des alten Antisemitismus, auf die es zu reagieren gilt. Ein pensionierter Lehrer hat unter muslimischen Schülern grassierenden Judenhass beobachtet: „Beschimpfungen wie ,Judenschwein’ sind auf Schulhöfen gang und gäbe“, sagt er.

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„Wir akzeptieren es nicht, dass Menschen in Deutschland wegen ihrer Religion diskriminiert werden“, sagt die 67-jährige Adelheit Müller-Friedrichsen. Dann ziehen rund 600 Menschen zum Mahnmal am Opernplatz. Man sieht eine Israel-Fahne in der langen Prozession. Muslime der Ahmadiyya-Moschee sind direkt vom Freitagsgebet hierher gekommen, und Christen tragen Schilder mit der Aufschrift „Antisemitismus ist Sünde“.

In einer Rede prangert dort Gabor Lengyel, Rabbiner der Liberalen jüdischen Gemeinde, an, dass Juden in Deutschland und anderswo immer wieder bedroht würden: „Das darf eine demokratische Zivilgesellschaft nicht dulden!“ Ressentiments gegen Juden gebe es unter Rechten ebenso wie unter Linken, unter Muslimen ebenso wie unter Feministinnen, die das Judentum für frauenfeindlich halten und unter Tierschützern, die sich über das Schächten von Tieren ereiferten, sagte Lengyel – und gibt sich doch optimistisch: „Die Mehrheit der Deutschen lehnt Antisemitismus ab.“

Über den Kröpcke ziehen die Demonstranten zur Abschlusskundgebung am Steintor. „Wir sind stolz darauf, dass wir ein reiches jüdisches Leben in Hannover haben“, sagt Oberbürgermeister Stefan Schostok. „Gegen aufkeimenden Antisemitismus müssen wir entschieden aufstehen.“ Die Stadt überlege, eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle einzurichten. Auch Vertreter von Flüchtlingsrat und Kirchen mahnen zu Wachsamkeit. „Die Kippa ist für uns heute ein Zeichen der Ehrfurcht vor anderen Menschen“, sagt Propst Martin Tenge.

Am Ende steht Klezmer-Musik auf dem Programm. „Das ist ein guter Tag für Hannover“, sagt organisator Schweigmann-Greve zufrieden. „Entscheidend“, sagt Rabbiner Lengyel, „ist jedoch, was nach der Demonstration im Alltag passiert.“

Warum tragen Juden Kippa?

Beim Kippa-Walk wurde die traditionelle jüdische Kopfbedeckung zum politischen Symbol der Solidarität. Das kreisförmige Käppchen, das es auch in bunten Varianten und aus verschiedenen Stoffen gibt, hat jedoch eigentlich eine religiöse Bedeutung. Im Talmud heißt es: „Bedecke deinen Kopf, so dass Ehrfurcht vor Gott über dir sei.“ Die Kopfbedeckung ist also Ausdruck des Glaubens, dass über dem Menschen noch jemand steht, dem Respekt gebührt. Daneben ist die Kippa auch ein Bekenntnis zu jüdischer Identität und Tradition. Einige Juden tragen sie nur zu religiösen Anlässen, andere auch im Alltag. Traditionell ist sie Männern vorbehalten, doch in liberalen Gemeinden tragen teils auch Frauen Kippa. Rabbiner Gabor Lengyel schätzt allerdings, dass weltweit nur etwa zehn Prozent der Juden auf der Straße eine Kippa tragen. be

Von Simon Benne

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