Schwerarbeit für Angler:Totholz in den See
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Trecker laden die Totholzbündel erst einmal am Ufer ab.
© Quelle: Kallenbach
Brelingen. 136 schwere Bündel Totholz lagern neuerdings an vier Uferstellen des ehemaligen Kiessees Brelingen. In sein vereinseigenes Gewässer hat der Anglerverein Neustadt (ASV) die Last am Wochenende in einer fast ganztägigen Aktion versenkt: 20 Helfer wühlten sich durch ein schlammiges, kaltes Unterfangen auch im Dienst der Wissenschaft. Mit dem unter Wasser gebrachten Totholz wertet der ASV – mit vielen Mitgliedern in der Wedemark - die Ufer des Sees auf. Dies dient der Ökologie im Gewässer, Kleinlebewesen und Fischen, wie den Anglern. Über mehrere Jahre wird das Projekt wissenschaftlich begleitet.
„Wenn es gut läuft, schaffen wir heute alles“, sagte der Biologe Thomas Klefoth noch am Vormittag – gegen Abend ist er der Letzte, der mit zwei aufgeladenen Booten auf seinem Hänger vom Kiessee nach Hause fährt. Eine gewaltige Aktion hat der Experte des Anglerverbandes Niedersachsen dort zum Ende gebracht. Vier Mal 100 Meter Uferstrecke sind mit den Kiessack-beschwerten Holzbündeln bestückt. Jedes Bündel besteht aus gut 1,2 Kubikmetern dünnen und dicken Baumkronenästen vor allem von Buchen und bringt jeweils rund 300 Kilogramm auf die Waage. Geschnürt wurden die Bündel vorab mit Hilfe einer eigentlich schon ausgemusterten und reaktivierten Maschine in Kooperation mit den Niedersächsischen Landesforsten.
Das Holz wurde bereits am Vortag angeliefert, vom Südufer her die Böschung hinunter geschafft und von fünf Booten übernommen. Da sangen alle Beteiligten noch einmal das Loblied auf die guten, alten kleinen Trecker, die diese schmalen, verschlammten Auf- und Abfahrten bewältigen, und die Fahrer sind stolz: „Große Fahrzeuge hätten hier keine Chance.“
Wenn das Leben unter Wasser in den nächsten Monaten und Jahren dem experimentellen Vorhaben der Wissenschaftler folgt, siedeln sich auf den Hölzern zunächst Algen an. „Dann folgen Libellenlarven und krebsartige Tiere“, verdeutlicht der Verbandsbiologe. „Zugleich sind die Hölzer ein Versteck für Laich und Jungfische, und die Artenvielfalt erhöht sich.“ Langfristig könnten sich die Fische in dem großen See – allen voran Barsch und Zander - kontinuierlich selbst erhalten, und der Anglerverein könne auf weiteren Fischbesatz verzichten. „Das Projekt richtet sich gezielt auf die Vereinbarkeit von Schutz und Nutzung der Seen“, beschreibt Klefoth.
Nun kann nicht jeder einfach Holz in einem See versenken. „Der Anglerverein ist ein Naturschutzverband. Zur Gewässerunterhaltung sorgen wir für die Hege und Pflege, deshalb ist dies nicht erlaubnispflichtig“, erläutert der ASV-Vorsitzende Holger Machulla. Er steuert wie seine Anglerkollegen in den Booten die Holzpakete über den See zu den Uferrändern. Am ebenfalls vereinseigenen Meitzer Kiessee steht am nächsten Wochenende eine weitere Aktion dieser Art bevor – „mit der doppelten Menge an Totholz“. In Abstimmung mit der Region Hannover werde der ASV dort zusätzlich ein flaches Ufer anlegen.
Bis der wissenschaftliche Beweis des Nutzens solcher Projekte erbracht sei, müssten zeitnah in insgesamt acht Baggerseen in Niedersachsen solche Aktionen erfolgen und Forschungsarbeit dazu geleistet werden, stellt der Anglerverband Niedersachsen fest. Für die Projektzeit bis 2022 werden die Angler – auch am Brelinger Kiessee - auf einen Fischbesatz verzichten, um den Totholzeintrag allein wirken zu lassen.
Projekt Baggersee fördert Artenvielfalt
Am Projekt "Baggersee" sind insgesamt 20 Angelvereine des Anglerverbandes Niedersachsen (AVN) beteiligt. Unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin arbeiten in dem Verbundprojekt seit 2016 der AVN und die Technische Universität Berlin daran, den Wert von aufgegebenen Baggerseen für die Ökologie wie für das Angeln und für die Naherholung zu erforschen und diese letztlich in der Praxis in Einklang zu bringen. Fischereiwissenschaft, Biologie, Ökonomie sowie Anglervereine wollen damit auch die Wirkungen des bisher üblichen regelmäßigen Fischbesatzes von außen in die Angelteiche im Vergleich mit alternativen Hegemaßnahmen überprüfen: Totholzmengen in die Seen einzubringen oder Flachwasserzonen zu schaffen soll hauptsächlich den Lebensraum aufwerten. Die Projektergebnisse sollen bis Mai 2022 einen Beitrag zur Nationalen Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung liefern; Zwischenergebnisse werden 2019 erwartet. Das Projekt wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert. Mehr Informationen unter www.baggersee-forschung.de.