Streit um Marktkirchenfenster wird zum Fall für die Gerichte
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Altkanzler Gerhard Schröder will der Marktkirche ein Kirchenfenster von Markus Lüpertz spendieren – doch der Stiefsohn des Nachkriegsarchitekten Dieter Oesterlen legt sein Veto ein.
© Quelle: Riemann/Montage
Hannover. Im Konflikt um das umstrittene Marktkirchenfenster von Künstler Markus Lüpertz haben sich die Fronten verhärtet. Der Kirchenvorstand ist für den Einbau, doch der Stiefsohn von Nachkriegsarchitekt Dieter Oesterlen, der das Urheberrecht verwaltet, hat in einem Gespräch am Freitagabend striktes Veto eingelegt. Kirchenvorstand Reinhard Scheibe setzt nun auf Gerichte. „Ich bin zuversichtlich, dass das Fenster kommt“, sagt er. Der Vorstand werde beraten, welche juristischen Schritte einzulegen sind.
Altkanzler Gerhard Schröder, ein Freund von Künstler Lüpertz, will Hannovers Zentralkirche das Fenster schenken, es soll etwa 100 000 Euro kosten. In der Gemeinde gibt es Widerstände, denn das 13 Meter hohe Fenster im Südbereich der Kirche soll zwar die Reformation und Luther zeigen, zur Darstellung gehören aber fünf große Fliegen, die in der christlichen Symbolik auch für das Böse stehen. Der Kirchenvorstand hat sich einmütig, aber nach kontroverser Debatte für das Fenster ausgesprochen. Allerdings liegen die Urheberrechte für den Nachkriegsumbau bei der Familie von Architekt Oesterlen – bis 70 Jahre nach dessen Tod 1994. Es bedarf also bis 2064 der Zustimmung der Angehörigen Oesterlens.
Stiefsohn Georg Bissen, der in Tokio lebt, war nun in Hannover und hat in einem Gespräch mit Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann seine Ablehnung bekräftigt und mitgeteilt, dass er keine weiteren Gespräche darüber wünscht. Man sei „enttäuscht, dass wir Herrn Bissen nicht für unsere Idee des Reformationsfensters gewinnen konnten“, sagt Kreisel-Liebermann: „Das ist ein großes Hindernis auf dem Weg zur Umsetzung des Reformationsfensters.“
Bissen, der mit Medien nicht sprechen will, befürchtet nach Angaben der Gemeinde, dass das Fenster die „Einfachheit und Geschlossenheit des Raumes wesentlich beeinträchtigt“. Bisher sind dort einfache Milchglasfenster eingebaut. Künstler Lüpertz reagierte am Sonntag entrüstet. „Das ist absurd. Man kann den Lichteinfall doch nicht unter Urheberschutz stellen – ebensowenig wie die Luft, die in die Kirche kommt.“ Der Einspruch sei „einfach lächerlich“, schließlich werde „nicht die Architektur verändert, sondern nur ein Fenster“.
Der Gemeinde bieten sich nach Einschätzung von Vorstand Scheibe jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder lasse man über eine Feststellungsklage von Gericht überprüfen, ob die Zustimmung der Familie Osterlen wirklich nötig ist. Oder man verkünde den Umbaustart und warte, ob Stiefsohn Bissen dagegen selbst klagt. „Der Vorstand wird sich damit beschäftigen, und wir werden uns juristisch beraten lassen“, sagt Scheibe.
Nicht alle Gemeindeglieder ärgern sich über den Vorgang. Innenstadt-Hotelier Veit Pagel hatte scharf gegen den Fensterentwurf protestiert. „Ich bekomme seitdem wöchentlich mehrere zustimmende Briefe“, sagt Pagel. Er wirft dem Vorstand vor, die Verhandlungen über das Fenster geführt zu haben, ohne die Gemeinde zu informieren. „In einer Zeit, in der der Kirche die Schäfchen weglaufen, ist das genau das falsche Signal“, sagt er. Er wünsche sich einen Wettbewerb um den besten Entwurf. Ebenso wie viele andere Gemeindeglieder nimmt er Lüpertz übel, dass er sich in einem Interview über Gott gestellt hat. Etliche halten zudem die Fliegen für geschmacklos.
Wie lange sich der Konflikt noch hinzieht, ist völlig offen. „Selbst wenn es vor Gericht ein Urteil gibt, kann die unterlegene Seite in Revision gehen“, sagt Scheibe. Man habe aber Zeit. Eigentlich hätte das Fenster schon zum Reformationsjahr 2017 eingebaut werden sollen. „Es gibt jetzt keinerlei Zeitdruck mehr“, sagt Scheibe.
Von Conrad von Meding