Tankstellenräuber ist schon seit Jahrzehnten kriminell
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Der Angeklagte Torsten P. (l.) wird von Anwalt Björn Nordmann verteidigt.
© Quelle: Michael Zgoll
Hildesheim / Burgdorf. Der Hubschrauberlärm am Abend des 10. November 2017 schreckte viele Burgdorfer auf. Die Polizei fahndete nach einem Räuber, der im Ortsteil Heeßel kurz hintereinander zwei Tankstellen überfallen, einem Transporterfahrer seinen Fiat Ducato mit vorgehaltener Waffe entwendet und bei seiner Flucht in Burgdorf drei am Straßenrand geparkte Pkw demoliert hatte. Nach wenigen Stunden wurden die Beamten fündig, nahmen Torsten P. kurz nach Mitternacht in der Innenstadt fest. Seit Freitag muss sich der 47-Jährige am Landgericht Hildesheim wegen schwerer räuberischer Erpressung und Fahrerflucht verantworten. Offenbar hat der Mann, der seit Jahrzehnten schwer drogenabhängig ist und schon 23 Einträge im Vorstrafenregister gesammelt hat, auch diese Taten unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln begangen.
Drohung mit Pistole
Verteidiger Björn Nordmann kündigte für die nächste Sitzung ein Geständnis seines Mandanten an. Laut Anklage erbeutete P. an jenem Freitagabend in der Aral-Tankstelle an der Dorfstraße 1048 Euro, die ihm der Kassierer aushändigte. Dass die Waffe in der Hand des Räubers nur eine Softairpistole war, wussten Tankwart und ein ebenfalls anwesender Kunde nicht, und die Drohung des Täters war eindeutig: „Wer sich bewegt, den knall ich ab.“ Dann rannte der Mann zur benachbarten HEM-Tankstelle, wo er einen Transporterfahrer zwang, seinen Sitzplatz zu räumen und ihm den Wagen zu überlassen. Doch diese Fahrt endete schon nach anderthalb Kilometern, weil der Räuber im Abstand von 50 Metern gegen zwei geparkte VW und einen Skoda krachte; der Ducato wurde dabei derart beschädigt, dass er seinen Dienst versagte und P. die Flucht zu Fuß fortsetzen musste.
Schon am ersten Verhandlungstag widmete sich die 9. Große Strafkammer unter Vorsitz von Rainer de Lippe ausgiebig dem Lebenslauf des stark tätowierten Angeklagten. Aufgeblättert wurde die Vita einer gescheiterten Existenz, die einem Lehrbuch für Drogen- und Straftäterkarrieren entnommen sein könnte. Es fielen Stichworte wie prügelnde Eltern, Scheidung, Heimkind und Schulschwänzer. Als Jugendlicher trieb sich der gebürtige Hannoveraner zeitweise in der örtlichen Punkerszene herum, mit 16 Jahren beging er seine ersten Diebstähle. Dann wechselten sich Straftaten und teils mehrjährige Haftstrafen ab: für räuberische Erpressung, Gefangenenmeuterei, Körperverletzung, Hehlerei und einige Delikte mehr aus dem Fundus des Strafgesetzbuches. Dabei war P. nicht nur in der Region Hannover aktiv, sondern wurde oft auch im Westen und Nordwesten von Niedersachsen straffällig.
Stümperhafte Überfälle
Die Höhepunkte in der kriminellen Karriere von Torsten P. waren mehrere Banküberfälle in den neunziger Jahren sowie 2004. So erleichterte P. im Februar 1992 gemeinsam mit einem Kumpan eine Bank in Pattensen um 11.300 Euro, 1995 fielen ihm und einem Mittäter in einer Oldenburger Bank sogar 144.000 Euro in die Hände. Doch diese Überfälle begingen P. und seine Freunde meist unter Drogeneinfluss, die Taten waren kaum geplant und wurden so stümperhaft ausgeführt, dass die Verhaftungen nicht lange auf sich warten ließen. Heroin, Kokain, Extasy, Cannabis, Tabletten und Alkohol: P. konsumierte all diese Drogen regelmäßig und reichlich. Entziehungskuren waren mal mehr, mal weniger erfolgreich; während seiner Aufenthalte in Gefängnissen legte P. immerhin einen Sonderschul- und einen Hauptschulabschluss ab.
Die letzte schwere Straftat vor dem aktuellen Fall, darauf wies Richter de Lippe hin, liegt schon 14 Jahre zurück. Danach war P. lediglich durch wenige kleinere Delikte wie Beleidigung oder Schwarzfahren aufgefallen. Nun aber droht dem 47-Jährigen wieder eine längere Haftstrafe, wahrscheinlich gepaart mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Doch offenkundig ist die Justiz skeptisch , dass P. anschließend geläutert ist und ein straffreies Leben führen wird. Das Gericht kündigte an, dass dem Angeklagten per Speichelabstrich eine DNA-Probe entnommen werden soll – dann kann man ihn bei möglicherweise folgenden Straftaten leichter überführen.
Von Michael Zgoll