Tödlicher Unfall: Arbeiter stürzt durch Loch in Decke
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Am Dienstagmorgen ist der Betrieb auf der Baustelle für den Campus Maschinenbau fortgesetzt worden.
© Quelle: Gerko Naumann
Garbsen-Mitte. Dienstagmorgen, die übliche Runde aller Bauverantwortlichen in den weißen Containern neben dem Rohbau an der Osteriede. Jede Woche, gleiche Zeit, gleicher Ort. Aber an diesem Dienstagmorgen ist alles anders. Bauleiter, Vertreter der Gewerke und der Leibniz Universität schweigen. „Unsere Gedanken sind bei der Familie, wir empfinden tiefstes Bedauern und Mitgefühl über das, was am Montag passiert ist“, sagt Horst Bauer. Der Baudezernent der Universität versucht in Worte zu fassen, was kein Baudezernent erleben will. Der tödliche Unfall eines 59-jährigen Facharbeiters war der bisher schwerste Arbeitsunfall auf der Campus-Baustelle.
Uni-Leitung kondoliert
Nach dem Tod eines Bauarbeiters auf der Campus-Baustelle in Garbsen hat die Führung der Leibniz-Universität am Dienstag ihre Anteilnahme ausgedrückt. Sie schreibt: „Am Montag, 08.01.2018, ist es zu einem tragischen Todesfall auf der Baustelle des Campus Maschinenbau der Leibniz Universität Hannover in Garbsen gekommen. Die Hochschulleitung der Universität möchte an dieser Stelle der Familie, den Angehörigen und den Kolleginnen und Kollegen des Verstorbenen ihr tiefes Mitgefühl aussprechen und ihre Anteilnahme zu diesem Verlust übermitteln.“
59-Jähriger stürzt sechs Meter tief
Die Polizei hat am Dienstagmorgen bekannt gegeben, dass der Mann am Montag tödlich verunglückt ist. Er hatte sich gegen 11.50 Uhr im ersten Obergeschoss eines der Gebäude aufgehalten und war aus noch nicht geklärter Ursache durch ein großes Loch in der Betondecke etwa sechs Meter tief ins Ergeschoss gestürzt. Kollegen und Rettungskräfte versuchten, den Mann wiederzubeleben. In der Klinik erlag der Mann seinen schweren Verletzungen. Seit dem Unglück ermittelt die Polizei, befragt Kollegen, Verantwortliche, Gewerbeaufsichtsamt, Bauberufsgenossenschaft, die Fachfirma für Sanitär-Installationen. Fremdverschulden soll nach ersten Erkenntnissen ausscheiden.
Der Mann arbeitete seit einem halben Jahr bei der Fachfirma für Sanitärinstallationen, hat aber seit der Ausbildung auf Großbaustellen gearbeitet und galt als sehr erfahren. Die Firma hat den Auftrag, die Entwässerung für die Flachdächer zu installieren. Die Regenwasserrohre führen an diesem Gebäude nicht außen an der Fassade entlang. Sie werden innen verlegt, genauso wie die Lüftungsrohre. Das Loch, durch das der Mann gestürzt ist, war für die Lüftung ausgespart.
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Am Dienstagmorgen ist der Betrieb auf der Baustelle für den Campus Maschinenbau fortgesetzt worden.
© Quelle: Gerko Naumann
Damit Unfälle dieser Art verhindert werden, sind solche Aussparungen mit Platten abgedeckt oder im darunter liegenden Geschoss mit Netzen gesichert. Ein Bauarbeiter hatte in einer Mail an die HAZ/NP-Redaktion Garbsen am Dienstag allerdings behauptet, Löcher dieser Art seien mit losen Holzplatten abgedeckt, die jeder zur Seite schieben könne. Vorgeschrieben sei aber, dass die Abdeckungen verdübelt werden müssen. Er hat den Vorwurf auf Nachfrage telefonisch bestätigt. Ermittler werden dem nachgehen, zum Vorwurf selbst wollte sich am Dienstag niemand konkret äußern. Ein Sprecher der Fachfirma hält die Kritik für haltlos. Die Platten seien möglicherweise nicht befestigt, aber ausreichend groß und schwer. „Der Sicherheitsstandard auf dieser Baustelle ist sehr hoch, und es gibt regelmäßige Unterweisungen“, sagte er.
Baustelle wird ständig kontrolliert
Nach Angaben von Universitätsmitarbeitern wird die Baustelle einmal wöchentlich auf Sicherheitsmängel kontrolliert. Der Sicherheits- und Gesundheitskoordinator besichtige die Baustelle jeden Montag. Einmal im Monat seien die Berufsgenossenschaft Bau und das Gewerbeaufsichtsamt an den Terminen beteiligt. Und dabei habe die Baustelle immer einen sicheren Eindruck gemacht. „In Sachen Arbeitssicherheit haben meine Mitarbeiter von einem hohen Standard berichtet“, sagt Bernd Reese, Leiter des Gewerbeaufsichtamtes in Hannover.
Jeder Mangel werde protokolliert. Den Fachleuten, heißt es, fielen sehr viel kleinere Mängel auf. Dass sie Löcher in Betondecken übersehen haben sollen, die nicht abgedeckt sind, sei sehr unwahrscheinlich. Es habe nie grundsätzliche Beanstandungen an den Absicherungen gegeben.
Land und Bund investieren 150 Millionen Euro
Das Gelände des Campus Maschinenbau Garbsen (CMG) ist neun Hektar groß. Der Bau kostet Land und Bund inklusive der Maschinen für die Forscher rund 150 Millionen Euro. Bis zu 200 Handwerker arbeiten dort gleichzeitig. Und wenn alles fertig ist, sollen zum Wintersemester 2019/20 mehr als 5000 Studenten und Mitarbeiter der Leibniz Universität nach Garbsen kommen.
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Bernhard Arenz, Leiter des Fachbereichs Bauwesen bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in Berlin.
© Quelle: Vivian Werk/BG BAU
Nachgefragt bei Bernhard Arenz, Leiter der Prävention der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in Berlin:
Guten Tag, Herr Arenz. Wer ist für die Sicherheit der Arbeiter auf Baustellen verantwortlich?
Zum einen natürlich die Unternehmer, deren Mitarbeiter dort tätig sind. Bei größeren Baustellen – wie in Garbsen – ist auch der Bauherr im Boot. Und nicht zuletzt ist jeder einzelne in der Pflicht, an seine Sicherheit zu denken. Wenn eine Situation zu gefährlich wird, muss man Stopp sagen.
Wer kontrolliert, ob die gesetzlichen Vorgaben zur Sicherheit eingehalten werden?
Auch das ist Aufgabe der Unternehmer und des Bauherrn. Von außen schauen zudem regelmäßig Behörden wie die Gewerbeaufsicht und wir als Berufsgenossenschaft drauf. Das Thema Absturzsicherung erfordert besonders große Aufmerksamkeit, weil schon Stürze über zwei Meter oft tödlich enden.
Wieso kann es trotz dieser Vorkehrungen zu solchen Unfällen auf Baustellen kommen?
Auf einer Baustelle sind die Arbeitsabläufe eben nicht immer so planbar wie etwa in der Automobilindustrie. Da können sich kurzfristig Änderungen ergeben, die zu gefährlichen Situationen führen, etwa wenn ein Geländer abgebaut wird. Deshalb müssen alle gemeinsam auf die Sicherheit achten.
Von Gerko Naumann und Markus Holz