Wunderkammer mit Jaeger
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Kulturstudentin Lena Zischler liefert in einer Führung im Kunstverein Langenhagen bei der Ausstellung "aroundabout Jack Jaeger" Einblicke.
© Quelle: Bert Strebe
Langenhagen. Man nehme: ein paar ausgetrunkene Milchkartons, Kabel, Lampenfassungen und Glühbirnen. Und ein paar Fotos im Format der Milchkartons, die abstrakte Strukturen zeigen, Linien, Muster, Reihungen. Alles montieren, zusammenkleben, aufhängen, Stecker einstecken. Fertig ist das Kunstwerk.
Manch einer denkt jetzt vielleicht: Kann ich auch. Aber das ist ein Irrtum. Das kann nicht jeder. Das konnte nur Jack Jaeger. Schon deswegen, weil er all das gar nicht als Kunstwerk bezeichnet hätte.
Die aktuelle Ausstellung im Kunstverein Langenhagen heißt „aroundabout Jack Jaeger“, sie wurde im Dezember eröffnet und dauert noch bis zum 11. Februar. Jetzt gab es wieder eine „dialogische Führung“: Gespräche mit Leuten, die sich auskennen.
Nicht schwer, nicht groß
Diesmal war es Lena Zischler, angehende Kulturwissenschaftlerin, die sich auskannte und die auf die Frage, wer dieser Jack Jaeger eigentlich gewesen sei, erzählte: Holländer, Kunstkurator, Journalist. 1937 geboren, war er erst Kameramann und Cutter und Regisseur von Werbefilmen. Fotografiert hat er immer, aber erst spät, um 1978, begann er – nein, keine Kunst zu machen. Das Wort war ihm zu groß. Er machte „Kunstdinge“. Er hat in Amsterdam gelebt und in New York. Ist 2013 gestorben.
„Kunstdinge“ – das ist eine Distanzierung des Künstlers. Nicht von seinem Werk, sondern von all der bedeutungsschwangeren Schwere, mit der die Kunst gemeinhin daherkommt. Milchkartons, beklebt, als Glühbirnenhalter – das ist nicht groß und nicht virtuos, leichter und ironischer und bunter kann Kunst kaum sein.
Ihre eigene Tiefe bekommt Jaegers Arbeit, weil die Leichtigkeit aus der Beschäftigung mit der Schwere entstanden ist – er hat viele große Ausstellungen kuratiert und etliche heute bekannte Künstler präsentiert, er kannte die Kunstwelt in- und auswendig.
All das schwingt mit, wenn er Milchkartons an Kabel hängt. Oder Fotos von einem Brennholzstapel wie einen Propeller um eine Lampenfassung drapiert. Oder Detailfotos von Stahlträgern zu einer Stahlträgerschlaufe zusammenmontiert.
Das Foto eines Fotos
Das steht deutlich im Gegensatz beispielsweise zum Schmerz von van Gogh oder dem Glitzern von Jeff Koons oder dem Durchgeknalltsein von Jonathan Meese. Und damit sieht man eben nicht nur Jaeger, wenn man Jaeger anschaut, sondern van Gogh und Koons und Meese dahinter.
Dialogisch ist nicht bloß die Führung, dialogisch ist die ganze von Noor Mertens und Mieke van Schaijk zusammengestellte Schau im Kunstverein. Mehrere Arbeiten etwa von Anne Daems oder Wolfgang Tillmanns (der jetzt den Goslarer Kaiserring bekommt) stellen sich in Beziehung zu dem, was von Jaeger gezeigt wird, deswegen das „aroundabout“ im Ausstellungstitel.
Wunderbar spöttelnd etwa ein kleines, trauerweidenähnliches Gestell des Kaliforniers B. Wurtz, an dem Diapositive von Models auf Laufstegen hängen – und am Stamm hinab baumeln Fäden mit profanen Kleiderknöpfen. Oder ein stilles, großes Schwarzweißbild einer Frau mit Kamera von Anne Collier. Lena Zischler weist darauf hin, dass es sich um ein Foto eines Fotos einer Frau handelt, die ein Foto macht.
Es ist eine kleine Wunderkammer, die der Kunstverein Langenhagen hier geöffnet hat. Wenig für die Wohnzimmerwand, viel für die Assoziationen.
Nächste Führungen
Die nächste Führung durch die Ausstellung mit Werken von Jack Jaeger gibt es am 16. Januar um 18 Uhr – eine „Führung für Menschen mit Lebenserfahrung“. Gilt auch für Senioren, aber ebenso für Leute, die erzählen mögen, wie die Kunst in ihrem Leben wirkt. Am 26. Januar ab 19 Uhr kommen Künstler zu einem Jaeger-Abend, die ihn noch selbst erlebt haben. Am 8. Februar ab 19 Uhr wird jemand, der sich mit Licht auskennt, einen Vortrag halten.
Von Bert Strebe