1027 Mitglieder weniger
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Die Stippvisite auf dem Bückeburger Marktplatz lockt zahlreiche Zuschauer an.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Bückeburg. 600000 Mitglieder haben die beiden großen christlichen Kirchen im vergangenen Jahr in Deutschland verloren. Ihr Scherflein hat dazu auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe beigetragen. Sie verlor 2017 exakt 1027 Mitglieder. Mit ihren knapp zwei Prozent passte sie sich dem Bundestrend an, bei dem der Rückgang seitens der Evangelischen Kirche Deutschlands mit 1,8 Prozent beziffert wird. Oder in exakten Zahlen: Die Zahl der Protestanten ging um 390000 auf 21,5 Millionen Mitglieder zurück.
Die schaumburg-lippische Landeskirche hatte Ende 2017 insgesamt 51337 Mitglieder, Anfang des Jahres waren es noch 52364. „Wir liegen leider im Bundestrend“, sagte der Pressesprecher der Landeskirche, Pastor Ulrich Hinz aus Meinsen, auf Anfrage dieser Zeitung.
Zwei Zahlen sind für die Landeskirche entscheidend: die der Taufen und die der Bestattungen. Und da sieht es nicht gut aus: 941 Bestattungen im Jahr 2017 standen nur 394 Taufen gegenüber. Zum Vergleich: 2016 hatte das Verhältnis noch bei 867 Bestattungen zu 498 Taufen gestanden. „Mehr als das Doppelte, ganz eindeutig ein Verlust“, konstatierte Hinz nüchtern. Warum die Zahl der Taufen so gesunken ist, darauf konnte sich der Theologe nicht so recht einen Reim machen. Die Geburtenraten auch in Schaumburg würden steigen, „vom Gefühl“ her hätte er mit mehr Taufen gerechnet. Wahrscheinlich gebe es mehr Familien, die kirchlich ungebunden sind und ihre Kinder daher nicht mehr taufen lassen, spekulierte der Pastor.
Bei den Ein- und Austritten sehen die Zahlen wie folgt aus: 2017 traten 371 Mitglieder aus, Neueintritte wurden 88 verzeichnet. Zum Vergleich: 2016 lag die Zahl der Austritte bei 391 Mitgliedern, die der Eintritte bei 73. „Im Vergleich eine leichte Verbesserung“, stellte der Pressesprecher fest. Einen Grund für den kontinuierlichen Rückgang der Mitglieder sieht die Landeskirche im demografischen Wandel. Es gebe mehr Wegzüge von Kirchenmitgliedern als Zuzüge von Kirchenmitgliedern in das Gebiet der Schaumburg-Lippischen Landeskirche. „Ein Trend, der sich fortsetzen wird“, prognostizierte Hinz.
Wie Landesbischof Karl-Hinrich Manzke bereits auf mehreren Synoden angekündigt hat – „Wir müssen in die Vereine und zu den Menschen gehen“ –, reagiert die Landeskirche auf die seit Jahren stetig sinkende Zahl der Gemeindeschäfchen. „Wir sind dabei, uns besser zu vernetzen“, nannte Hinz eine Maßnahme. Die wichtigste Reaktion aber, auch ein Ausfluss der „Zukunftswerkstatt: „Wir engagieren uns noch massiver in der Jugendarbeit.“ Es seien Jugenddiakone eingestellt worden, seit Anfang Juli gibt es sogar einen Pop-Kantor in der Landeskirche, der Kinder und Jugendliche in die Gemeindehäuser und Kirchen ziehen soll. Es sollen neue Gottesdienstformen entwickelt und angeboten werden, um die Adressaten-Gruppe angemessener zu erreichen. Und einen neuen Landesjugendpastor wird es in Kürze auch geben.
Mit Vereinen sucht die Landeskirche bewusst die Zusammenarbeit. „Warum sollen wir mit Kinder- oder Jugendwehren keine gemeinsamen Projekte machen?“, fragte Hinz: „Wir sind keine Konkurrenz.“ Die Kirche sehe zu, dass alle mitgenommen werden, auch wenn es finanziell knapp werde. „Wir haben den großen Vorteil, dass im ländlichen Raum vieles einfacher geht als in Großstädten.“
Um Erwachsene zu erreichen, hat die Landeskirche einiges auf die Beine gestellt. Als Beispiel nannte Hinz den monatlichen Blickwechsel-Gottesdienst in der Stadtkirche, der von einem großen Team von 20 Menschen gestaltet wird. Dort werde viel Raum zur Entfaltung gegeben, eine Stärke, wie sich gezeigt habe. Es zahle sich aus, dass dabei nicht nur „Profis“ am Werk sind – und so andere Zielgruppen angesprochen werden können. Hinz: „Wir sind mehr geerdet.“ Der Erfolg: Bis zu 100 Menschen sind durchschnittlich beim Blickwechsel dabei, bei besonderen Themen sogar noch mehr.
Insgesamt bezeichnete Hinz das Werben um Mitglieder als „Sisyphus-Arbeit“: „Wir müssen Präsenz zeigen, nicht nur in der Seelsorge. Und uns täglich fragen: Wie entwickeln wir Gesellschaft fort.“
SN