„Beweise“: Wincklerbad rückt in den „Focus“
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Das Wincklerbad in Bad Nenndorf.
© Quelle: gus
Bad Nenndorf (gus). Menzel hat laut dem Bericht, der aus der Feder des Redakteurs Josef Hufelschulte stammt, die britische Regierung mit seiner Forderung konfrontiert. Premier James Cameron werde ihn verstehen, der sei schließlich ein Ehrenmann, wird Menzel zitiert. Hufelschulte beschreibt bestialische Foltermethoden, die Menzel zusätzlich zu seelischen Schäden auch solche an der Lunge bescherten. Wegen der seelischen Qual habe Menzel lange Zeit zu diesem schlimmen Kapitel seines Lebens geschwiegen. Warum er jetzt an die Öffentlichkeit geht, steht nicht im Text. Menzel betont, dass er überzeugter Nazi war und in der Waffen-SS diente.
Hufelschulte erweckt den Eindruck, als habe er den Skandal um das Verhörzentrum nun aufgedeckt. "'Focus' beweist, wie Briten deutsche Gefangene quälten", schreibt er. Das hatte aber der Brite Ian Cobain im Jahr 2005 getan. Cobain taucht auch im Text auf, jedoch nur mit dem Hinweis auf ein Buch, dass er in 2012 veröffentlichte.
Immerhin führt Hufelschulte an, dass Cobain zuerst auf Hinweise zum Nenndorfer Lager stieß, dass der Artikel daraufhin hohe Wellen schlug und zu den jährlichen Nazi-Aufmärschen führte, bleibt unerwähnt. Warum Hufelschulte Cobains Artikel im "Guardian" von 2005 verschweigt, ließ sich nicht klären – der Autor sei in dieser Woche in einer Gegend unterwegs, wo er schwer erreichbar sei, hieß es seitens des "Focus".
Die Historiker Steffen Holz und Utz Anhalt, die in 2011 umfassende Recherche-Ergebnisse zum Wincklerbad in dem Buch "Das verbotene Dorf" veröffentlichten, üben scharfe Kritik am "Focus"-Bericht. Die Überschrift suggeriere, dass die Folter im Auftrag einer Regierung erfolgte, einen Befehl habe es aber nicht gegeben. Holz spricht von einer geschichtsrevisionistischen Tendenz. Anhalt unterstellt dem Autor diesbezüglich Absicht. Wasser auf die Mühlen von Nazis – so sehen es Mitglieder von "Bad Nenndorf ist bunt".
Holz moniert zudem Ungenauigkeiten. Es existiere bis heute keine vollständige Liste der im Verhörzentrum Bad Nenndorf gefangenen Menschen. Daher sei die Behauptung, Menzel sei der letzte Überlebende, nicht zu belegen.
Hinzu kommen in den Augen des DGB-Funktionärs Holz weitere handwerkliche Mängel, beispielsweise zum Entdecken vermeintlich neuer Fotos. Viel Neues stehe nicht in dem Artikel, das Meiste habe bereits im "Verbotenen Dorf" und bei Cobain gestanden.
„Journalistisch fragwürdig“
Der Vorsitzende des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“, Jürgen Uebel, bewertet den „Focus“-Text als „journalistisch fragwürdig“. Mit keiner Silbe werde das Buch „Das verbotene Dorf“ erwähnt. Dasselbe gelte für die Recherchen des Historikers Heiner Wember. Genug Platz habe es dafür im Artikel gegeben. Es tauche darin ferner kein Hinweis auf die Nazi-Aufmärsche am Wincklerbad auf. „Das halte ich für eine Unterschlagung“, so Uebel. „Wer sich nicht so gut auskennt, denkt, das ist eine tolle Enthüllungsgeschichte“, meint der Vorsitzende. Abgesehen von der Schadenersatzklage eines ehemaligen SS-Unterscharführers sei allerdings alles schon bekannt.