Gäste aus Neuseeland

Auf den Spuren jüdischer Vorfahren

Esther und Arnon Haver (rechts) werden in Obernkirchen empfangen.

Esther und Arnon Haver (rechts) werden in Obernkirchen empfangen.

Obernkirchen. Sie haben einen langen Anfahrtsweg zurückgelegt, 18.000 Kilometer. In der Bergstadt haben Vorfahren von Ester Haver gelebt. Für Esthers Havers Großvater, Philipp Adler, und ihre Mutter, Ruth Adler, verheiratete Filler, hat die Initiative „Stolpersteine“ 2016 eben jene Stolpersteine auf der Langen Straße vor dem Haus Nummer 9 verlegt. 1938 war die Familie Philipp Adler vor dem zunehmenden Naziterror nach Neuseeland geflüchtet.

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Christoph von Abendroth von der Initiative „Stolpersteine“ erinnerte bei der Begrüßung der Gäste im Rathaus an die Großeltern, die Deutschland verließen, weil es für Juden hier keinen Lebensraum mehr gab: „Wie viel Heimweh und Sehnsucht nach der verlorenen Heimat hatte das Leben der Großeltern geprägt; was für ein Schmerz, nicht mehr in Deutschland gelitten worden zu sein, nur weil sie Juden waren.“ Aus der Ferne hätten sie das unermessliche Leid verfolgen müssen.

"Nie wieder Deutsch reden"

Von Abendroth erinnerte an diese Zeit, weil es eben nicht selbstverständlich sei, dass jüdische Angehörige das Land wieder besuchen würden, das ihren Vorfahren so viel Leid angetan habe: „Wir können verstehen, dass Menschen sich damals geschworen hatten, niemals wieder Deutsch zu reden oder Deutschland wieder einmal zu besuchen. Wie viele Shoa-Überlebende werden wohl bis zu ihrem Lebensende niemals über ihr grausames Schicksal gesprochen haben: Es war ihnen einfach nicht möglich, das Erlittene in Worte zu fassen.“

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Die Verlegung der Stolpersteine solle nicht nur vor einem neuen Antisemitismus warnen oder dazu beitragen, ein ähnliches Verbrechen zu verhindern, sondern, so von Abendroth: „Wir wollen und können einfach nicht verdrängen, was wir Deutschen der jüdischen Bevölkerung in vielen Ländern angetan haben.“ Man könne nicht sagen, das ist vorbei, oder nach 70 Jahren müsse endlich Schluss sein mit dieser Vergangenheit: „Nein, auch wir, die im oder nach dem Krieg Geborenen, fühlen einen tiefen Schmerz in uns, dass man unschuldige, wehrlose Menschen so brutal behandeln und töten konnte.“

„L‘Chaim, Israel“, schloss von Abendroth, „Juden sollen leben. Sie sollen leben – und das mitten in Deutschland.“

Eintrag ins Goldene Buch

Von vielleicht zwiespältigen Gefühlen hatte zuvor Bürgermeister Oliver Schäfer gesprochen: Auf der einen Seite sei das Ehepaar möglicherweise neugierig auf das Land und den Ort, an dem ihre Familie gelebt habe, auf der anderen Seite stehe die Geschichte der unsagbaren Verbrechen, die den Familien angetan worden sei. „Ihre Wurzeln“, sagt Schäfer, „wurden vor mehr als 80 Jahren abrupt herausgerissen. Wiedergutmachen können wir das Unrecht nicht, aber wir können stets daran erinnern und die kommenden Generationen vor den Gefahren von Nationalismus und Rassenideologien warnen.“ Anschließend bat Schäfer das Ehepaar, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen: „Zur sichtbaren Erinnerung und als Zeichen unserer Wertschätzung.“

Es folgte ein Rundgang durch die Innenstadt zu den Stolpersteinstellen und zum jüdischen Gedenkstein, wo einst die Synagoge stand, mit Erläuterungen durch Wilfried Bartels. Einen Tag später wurde in Stadthagen die restaurierte ehemalige Synagoge besucht, anschließend folgte ein Besuch des jüdischen Friedhofs in Obernkirchen, am Steinhauerplatz wurde dem Ehepaar dann der Obernkirchener Sandstein erklärt, aus dem die meisten Grabsteine des jüdischen Friedhofs gefertigt wurden.

Der Deutschland-Besuch führte Esther und Arnon Haver noch nach Hildesheim, dort lebte ihre Familie großmütterlicherseits. Der Großvater führte das große "Kaufhaus Rothschild", wo auch Esther Havers Großvater, Philipp Adler aus Obernkirchen, Beschäftigung fand. rnk

SN

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