Rinteln / Seelsorger

„Wenn ich die Schaumburg sehe, fühle ich Heimat“

Rinteln. Und heute braucht die katholische Kirche selbst den Einsatz des 77-Jährigen. Pfarrervertretungen im Umfeld seines heutigen Wohnsitzes Hildesheim füllen seinen Terminkalender fast wie früher, und wenn der auf aus Rinteln kommt, nimmt er ausnahmsweise auch mehr Kilometer Anfahrt in Kauf. Denn der Weserstadt fühlt er sich besonders verbunden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

 „Wenn ich die Schaumburg sehe, fühle ich wieder Heimat“, sagt Scholz. Und auch das gilt doppelt: Die Schaumburg steht für seinen früheren Dienstsitz Rinteln, aber erinnert ihn auch an Deckbergen, wohin es ihn nach dem Kriegsende mit seiner elf Jahre älteren Schwester verschlug. Diese lebt dort bis heute, und nach einem Gottesdienst in St. Sturmius so wie gestern schaut Alfons Scholz gern noch mal bei ihr vorbei.

 Der Vater war im Krieg nach Russland verschleppt worden, erst vor eineinhalb Jahren erhielt die Scholz die Nachricht von dessen Tod: gestorben an Hunger dritten Grades. Die Mutter und zwei Schwestern starben kurz vor Kriegsende an Typhus in Steinsdorf an der Neiße, damals Oberschlesien, heute Polen. Ein Ort fast nur mit Katholiken, in Deckbergen gab es vor dem Krieg dagegen kaum welche. „In Rinteln waren es auch nur 500, aber dann durch Flüchtlinge bald 6000“, erinnert sich Scholz. Taufe und Erstkommunion hatte er noch in Steinsdorf empfangen, die Firmung dann in Hessisch Oldendorf (heute Kirche St. Bonifatius).

 „Aber die barocke Kirche in Steinsdorf hatte mir als Kind so imponiert, dass ich Pfarrer werden wollte“, erzählt Scholz. Zunächst besuchte er die Oberschule für Jungen in Rinteln am Kollegienplatz, die später in Gymnasium Ernestinum umbenannt wurde. Interessant, dass sie heute wieder Oberschule heißt. Ein Schulkamerad war der spätere Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Hoppe, beide stehen bis heute in Kontakt. 1957 schaffte Scholz das Abitur. „Drei aus unserem Jahrgang sind Priester geworden“, schmunzelt Scholz.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

 Zum Studium ging er nach Fulda, München und Hildesheim (zwölf Semester). Die erste Kaplanstelle war in Hildesheim an der Basilika St. Godehard, dann folgten Celle und Duderstadt. 1969 wurde Scholz in Hildesheim mit acht anderen Kaplänen zum Priester geweiht. „Von denen lebe nur noch ich.“

 Ab 1971 war Scholz Pfarrer in Himmelsthür bei Hildesheim, dem Ort, der zu Weihnachten immer viele Briefe von Kindern bekommt. „Auch bei unserer Kirchengemeinde ging solche Post ein“, erinner sich Scholz. 1983 folgte die Versetzung nach Rinteln, und dort blieb Scholz bis zu seiner gesundheitsbedingten vorzeitigen Pensionierung mit 65 Jahren, üblich ist sonst mit 68. Doch als er sich wieder von den Herzbeschwerden erholt hatte, begann der selbst gewählte Unruhestand.

 Aus der Rintelner Zeit erinnert sich Scholz gern an Werner Branahl, den einstigen Leiter der Jugendgruppe „Sturmschar“ (benannt nach St. Sturmius). Die Gemeinde war groß, und durch Spätaussiedler kam immer wieder Nachschub. „Drei Messen am Wochenende nur in Rinteln“, nennt Scholz den Gottesdienstbedarf in jener Zeit. In Hessisch Oldendorf und Rinteln gab es noch fünf katholische Pfarrer, heute ist es lediglich einer, der am Wochenende Messen an bis zu fünf Standorten hält in der fusionierten Pfarrgemeinde St. Sturmius (mit Hessisch Oldendorf und Ortsteilen).

 In Rinteln pflegte Scholz den Kontakt zu den evangelischen Kirchengemeinden. Dabei half ihm, dass drei der anderen Seelsorger sein Jahrgang sind: Martin Hausmann (evangelisch-reformierte Gemeinde Rinteln), Christoph Dreyer (evangelisch-lutherische Johannis-Gemeinde) und Superintendent Hans-Wilhelm Hube (evangelisch-lutherische Gemeinde St. Nikolai). „Bis heute schicken wir uns Geburtstagskarten“, freut sich Scholz. Bei den Rintelner Abendgesprächen und beim ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag arbeitete man zusammen, die Chemie stimmte. Für Hobbys war wenig Zeit, und wenn, stand Reisen ganz oben. „Ich war sogar schon mit dem Moped über die Alpen bis Venedig“, erinnert sich Scholz an ein frühes Erlebnis.

 Das Autofahren macht Scholz bis heute Spaß, aber viel weiter als von Hildesheim bis Rinteln soll es nicht sein. Und er hat hier immer noch Termine. Im März ein Klassentreffen mit Kollegen vom Ernestinum, im Mai das 125-jährige Bestehen der Pfarrkirche St. Sturmius und vorher noch sein goldenes Priesterjubiläum am 24. Februar.

 So etwas wird nicht groß gefeiert im Bistum, zu viele Priester erreichen diese Zahl. Aber für Rinteln ist es etwas Besonderes. „Ich darf die Messe am 24. Februar halten, dazu kommt voraussichtlich meine frühere Urlaubsvertretung Pfarrer Poremba aus Lublin im heutigen Polen“, sagt Scholz. Der heutige Pfarrer Peter Wolowiec wird auch dabei sein, aber vor allem die Gemeinde, in der er mindestens eine Generation Gläubiger mit seiner freundlichen, offenen Art geprägt hat. Anschließend wird zu einem Empfang im Pfarrheim eingeladen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

 Dann geht es aber wieder zurück in seine Mietwohnung in Hildesheim. „Ein Pfarrer sollte früher im Ruhestand nicht da wohnen, wo er tätig war“, sagt Scholz. „Der Nachfolger soll sich nicht im Schatten des Vorgängers fühlen.“ Von Hildesheim aus macht er bis heute auch Vertretungen in Himmelsthür, aber Heimat bedeutet für ihn Rinteln. Und dorthin will er noch kommen, solange es die Gesundheit erlaubt. „Da eifere ich meiner Schwester nach, und die ist ja schon 88“, lacht der „Pfarrer in Rufbereitschaft“.

 Scholz erinnert sich noch gut an die Feier des 100-jährigen Bestehens von St. Sturmis 1988 mit einem Gottesdienst vor dem Hauptportal in Richtung Weserbrücke. Das 125-jährige Bestehen wird in der Kirche und vor dem Pfarrheim gefeiert, das im vergangenen Jahr renoviert wurde. Alles gut gelungen, freut sich Scholz. Es ist schön, noch ein bisschen dazugehören, aber auch rechtzeitig losgelassen zu haben. „Heute feiere ich Gottesdienste nur noch aus Freude daran, nicht weil ich muss. Und Gremiensitzungen bleiben mir zum Glück erspart.“

SN

Mehr aus Rinteln

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken