Stadt will sich mit Nachnutzung Zeit lassen

Hotel Stockholm: Eine Ära geht zu Ende

Das Hotel Stockholm gehört jetzt der Stadt Rodenberg, das Gaststättenbetrieb ruht ab kommendem Sonntag.

Das Hotel Stockholm gehört jetzt der Stadt Rodenberg, das Gaststättenbetrieb ruht ab kommendem Sonntag.

Rodenberg . Umso mehr geht es für den neuen Eigentümer, die Stadt Rodenberg, darum, ein Konzept für die Zukunft zu entwickeln. Dabei wird nichts übers Knie gebrochen, wie Stadtdirektor Georg Hudalla und Bürgermeister Ralf Sassmann unterstreichen. Sie verweisen auf die Planungszeit des Investors, der auf dem ehemaligen Callier-Gelände Wohnhäuser errichten lässt. Vor dreieinhalb Jahren war die Gaststätte abgebrannt, in diesem Frühjahr erst erfolgte der Abriss. „Solch eine Planung braucht Zeit“, betont Hudalla.

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Erst einmal soll ein Konzept her. Zwar hatte es seitens Politikern die Forderung gegeben, ein solches Papier sogar noch vor dem Kauf zu erstellen. Doch das sehen Bürgermeister und Stadtdirektor nach wie vor anders. Mindestens ein Jahr würde bis zur Fertigstellung des Konzeptes ins Land gehen. Doch das Stockholm habe nun einmal jetzt zum Verkauf gestanden – hätte ein anderer Interessent zugeschlagen, während die Stadt noch an ihrem Konzept feilte, wären Geld und Arbeitskraft verbrannt gewesen.

Bei der Ausrichtung legen sich beide vorsichtig auf das Gastronomiefach fest. Dies entspricht auch den bisherigen Meinungen im Rat. Entsprechende Interessenten aus der Gastronomie, die ins Stockholm einziehen wollen, haben sich bereits bei der Stadt gemeldet. Deren Anfragen bezogen sich sowohl auf Restaurantbetrieb als auch auf Übernachtungsgewerbe, Biergarten und Saalnutzung.

In allen Fällen aber wurde ein Kerninvestment der Stadt gewünscht. „Wir sind schließlich Eigentümer, da können wir schlecht voraussetzen, das jemand anderes in unsere Immobilie investiert“, so Sassmann. Dieses Modell wäre aber auch nicht neu, schließlich hat die Stadt Rodenberg selbst einst den Ratskeller saniert und dann dort den heutigen Betrieb angesiedelt. In Lauenau verfuhr die Gemeinde ähnlich, beispielsweise bei den Gastronomen an der Plaza.

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Die Mehrheit der Stockholm-Interessenten ist Hudalla zufolge eher an einer Sanierung als an einem Abriss plus Neubau interessiert. Dies wäre auch im Sinne der Stadt, denn das grundlegende Erscheinungsbild sollte schon erhalten bleiben, speziell die Frontfassade und der Wintergarten sind Sassmann zufolge für viele Rodenberger nicht aus dem Stadtbild wegzudenken. Aber: Teile des Gebäudes sind für den Erhalt wohl zu marode, sodass Abrisse nicht ganz auszuschließen sind.

Dass es bis zur Veröffentlichung erster Pläne noch etwas dauert, dürfte so manchen Vereinsleiter ernüchtert zurücklassen. Doch die Verwaltung kann nicht zaubern. „Wir wollten eine Chance nutzen, wir haben jetzt aber keine Eile“, sagt Hudalla. Entscheidend sei ohnehin, dass es an der Stelle positiv für die Stadt weitergeht.

Gekauft hatte die Kommune die Immobilie nach entsprechendem Beschluss aus der Politik. Die Verträge waren Ende vergangener Woche unterzeichnet worden. Über den Kaufpreis hat die Verwaltung mit der Familie Böhm Stillschweigen vereinbart. Im Immobilienportal der Schaumburger Nachrichten war das Gebäude im Frühjahr zu einem Kaufpreis von 395.000 Euro angeboten worden. gus

Tanz „nach elektrischem Klavier“ war erlaubt

  • Die jetzige Vakanz ist nicht die erste im Stockholm. Wobei sich freilich nur wenige Rodenberger noch an die Phase erinnern werden, als dort eine landwirtschaftliche Schule angesiedelt war. Denn dies datiert in die Zeit der Inflation in den zwanziger Jahren. Der vorherige Wirt hatte seinen Betrieb aufgegeben. Im Jahr 1929 zog die Schule um, und die Stadt verkaufte das Stockholm an den Sachsenhäger Wirt Mensching, der nach Genehmigung durch den Regierungspräsidenten ein neues Lokal eröffnete.
  • Ein Auszug aus dem damaligen Genehmigungsschreiben: Mensching werde erlaubt, in seinen Wirtschaftsräumen Gäste „auf deren Wunsch von 16 bis 23 Uhr nach einem elektrischen Klavier tanzen zu lassen, und zwar mit der ausdrücklichen Verwarnung, dass die Genehmigung sofort zurückgezogen werden wird, wenn sich irgendwelche Unzuträglichkeiten ergeben sollten“.
  • Gegründet hat das Gasthaus im Jahr 1644 der schwedische Kriegsinvalide Olaf Jansen auf dem Grund eines zuvor zerstörten Hofes. „Jansen war während der kriegerischen Auseinandersetzungen schwer verwundet und von der Familie des Ratskrügers Jobst Amelung gesund gepflegt worden“, heißt es im Buch „Über den Deister gehen“. gus

Erinnerungen ans „Stöckchen“

Die letzte Feier im Stockholm wird am morgigen Sonnabend ein Geburtstag sein. Dann wird die Tür ein letztes Mal von den Noch-Inhabern abgeschlossen. Die Schaumburger Nachrichten haben sich unter Rodenbergern umgehört, welche Erinnerungen sie mit dem Traditionshaus verbinden.
+ Bürgermeister Ralf Sassmann hat viele Menschen getroffen, die in dem Hotel die Liebe fürs Leben gefunden haben. „Daher kennen viele, die mit Rodenberg sonst gar nichts verbindet, das Stockholm.“ Sassmann selbst ist das Gasthaus seit früher Kindheit in Erinnerung. „Als Jungschützen haben wir zum Abschluss des Schützenfestes in der Mitte des Saales ein Lagerfeuer nachgestellt und mit Stöckern einen Trommelwirbel entfacht.“
+ Michael Grädener, Schützenoberst: „Karl Böhm ist lange Jahre der Festwirt beim Schützenfest gewesen. So lange haben wir auch immer den Abschluss am Montagabend im Stockholm gefeiert. Damals war ich  noch  Jungschütze.“
+ Günter Ebertz, Chef des Gewerbevereins, erinnert sich an rauschende Feste im Stockholm. Die Feuerwehr habe dort jahrzehntelang ihre Bälle gefeiert, und auch die Kegler taten es ihr gleich. Das Hotel habe ein „nettes, bürgerliches Ambiente“ geboten.

 

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+ Erhard Steege, CDU-Ortsvorsitzender: „Das Lokal gab uns die Möglichkeit zur Einkehr nach Tischtennispunktspielen, um dort noch eine Currywurst zu essen oder ein Bier zu trinken.“ Dem Algesdorfer sind darüber hinaus noch Geflügelausstellungen präsent, bei denen er als Jugendlicher Tauben präsentierte.
+ Die Vorsitzende der Landfrauen, Marina Gellermann, unterstreicht die enge Verknüpfung des Vereins mit dem historischen Gasthaus. Etliche Male haben die Landfrauen den großen Saal bei ihren Versammlungen gefüllt. Sogar die Gründung am 14. März 1950 wurde im „Stöckchen“ vollzogen. Bis zum Schluss waren die Landfrauen dort stets willkommen.
+ FDP-Vorsitzende Marlies Berndt-Büschen ist an ihrem Hochzeitstag von ihren Cousins ins Stockholm entführt worden. „Wir sind auf dem Schützenball untergetaucht, der zu der Zeit dort stattfand. Und mein Mann fand uns nicht. Erst als er unser Auto in der Einfahrt entdeckt hat, hat er mich im zweiten Anlauf gefunden.“
+ Anja Niedenzu, SPD-Vorsitzende, hat als Mädchen die von ihrem Großvater und Vater organisierte Tombola bei den Geflügelschauen begleitet. „Ich habe für mein Leben gerne die Lose gezogen.“ Das Stockholm hat die SPD-Chefin aber auch das Fürchten gelehrt: „Meine Eltern haben dort immer ihre Kegelabende veranstaltet. Mein Bruder und ich waren abends alleine zu Hause und haben uns in dem großen Haus  gefürchtet.“
+ Ortsbrandmeister Roland Kramer kann sich besonders an den Feuerwehrball 1976 im Stockholm erinnern. „Da bin ich zum ersten Mal mit meiner Frau auf einem großen Ball gewesen.“ Seit 1977 hat Kramer mit seinem Kegelclub in dem Hotel gekegelt und bei den Keglerbällen gegen 20 Rodenberger Klubs um die Meisterschaft gespielt. „Seit ich Anfang 20 bin, war ich im Stockholm. Da kommt schon Wehmut auf“, sagt Kramer mit Blick auf die Schließung.
+ Stadtdirektor Georg Hudalla: „Erstkommunion 1970: Der kleine Georg sitzt in seinem Anzug im dunklen Saal, als der damalige Wirt Fritz Mensching zu ihm kommt und ihm eine Schreibmappe schenkt. Die habe ich heute noch. 1986: Als ich die Schuhe für meinen bevorstehenden Polterabend im Stockholm putze, kommt im Radio eine Meldung, dass irgendetwas in Tschernobyl passiert ist. Zwei Tage später habe ich geheiratet.“ ber, gus

SN

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