Von Fahrschulsterben in Schaumburg keine Spur
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Michael Remus profitiert mit seiner Fahrschule in Stadthagen vom Stellenwert, den ein Führerschein in Schaumburg noch hat.
© Quelle: rg
Landkreis. Der Landkreis behauptet sich erfolgreich gegen einen bundesweiten Trend, der vielen in der Fahrschulbranche seit Jahren zusetzt. „Hier gibt es kein Fahrschulsterben“, sagt Ditmar Everding, Kreisvorsitzender des Fahrlehrerverbandes.
Vor zwei Jahrzehnten, im Jahr 1999, gab es hierzulande rund 14.000 Unternehmen, in denen Fahrunterricht gegeben wurde. Inzwischen hat sich diese Zahl laut der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände auf 11.100 verringert. Parallel dazu sank auch die Zahl der Fahrschüler. Während 2007 1,37 Millionen praktische Prüfungen abgelegt wurden, waren es vergangenes Jahr nur noch 1,19 Millionen.
Viele machen erst spät ihren Führerschein
Ein Trend, der laut Dieter Quentin auch in Niedersachsen zu spüren ist. „Wir beobachten ein verändertes Mobilitätsverhalten junger Menschen“, sagt der Vorsitzende des Fahrlehrer-Landesverbandes. „Viele machen erst spät ihren Führerschein.“ Auf einen Niedergang sieht Quentin die Branche trotzdem nicht zusteuern, zumal vermehrt Flüchtlinge den Erwerb einer Fahrerlaubnis anstrebten. „Insofern ist der demografische Wandel nicht spürbar“, erklärt er.
Das kann auch Michael Remus bestätigen. Viele der Schutzsuchenden, die nach Deutschland gekommen sind, hätten noch keine Fahrerlaubnis, berichtet der Stadthäger Fahrlehrer. „Dass es weniger Fahrschüler gibt, stimmt also nicht“, erklärt Remus. Vielmehr hätten zahlreiche Ausbildungsbetriebe derzeit Rekordzahlen zu verzeichnen.
Im Landkreis seien zuletzt zwar Fahrschulen geschlossen worden, gibt Ditmar Everding zu. Im Gegenzug hätten jedoch andere neu eröffnet, zum Teil nur unter neuem Namen. Insgesamt sei die Anzahl der Unternehmen somit konstant.
Zahl der Fahrschulen hat sich beinahe verdoppelt
Das Straßenverkehrsamt Schaumburg stellt sogar eine positive Entwicklung für die vergangenen 15 Jahre fest. Demnach gab es 2002 insgesamt 47 Fahrschulen im Landkreis. Inzwischen hat sich diese Zahl beinahe verdoppelt, auf 82 Ausbildungseinrichtungen im Jahr 2017. Da in dieser Statistik nicht nur Haupt-, sondern auch Zweigstellen gelistet werden, müssen die Zahlen zwar nicht zwingend einer Zunahme der Fahrschulbetriebe entsprechen. Ein Indiz für eine weiterhin wirtschaftliche Branche sind sie jedoch allemal.
Dass es den Fahrschulen in Schaumburg derzeit besser geht als vielen Konkurrenten in anderen Regionen, führt der Kreisvorsitzende Ditmar Everding auf die strukturellen Besonderheiten des Landkreises zurück: „In Großstädten machen manche erst mit 28 Jahren ihren Führerschein. Bei uns im ländlichen Gebiet dominiert hingegen BF17“ – die Regelung, durch die das Fahren in Begleitung eines Erwachsenen bereits mit 17 Jahren erlaubt ist. Zwar ließen sich auch in Schaumburg viele Fahrschüler mehr Zeit als noch vor einigen Jahren. „Ich sehe aber nicht, dass es weniger Arbeit gibt“, sagt Everding, der früher mit seiner Fahrschule selbst an mehreren Standorten vertreten war.
Inzwischen hat der Kreisvorsitzende sein Unternehmen auf eine Filiale reduziert – eine persönliche Entscheidung, wie Everding betont. „Wenn ein Fahrlehrer seinen Job vernünftig macht, hat er immer noch genügend Fahrschüler“, ist er sicher. Ausreichend Arbeit gäbe es allemal: Da beispielsweise die Prüfungsrichtlinien stetig verschärft würden, müssten die Fahrschüler auch mehr Stunden nehmen. Durch die zunehmende Technisierung der Fahrzeuge kämen weitere Anforderungen hinzu.
Dabei sei „nicht daran zu denken, dass autonomes Fahren die Führerscheinausbildung kurzfristig ersetzt“, sagt auch Quentin, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Niedersachsen. „Das werden wir alle nicht mehr erleben.“
An Kunden scheint es den Fahrschulen in Schaumburg somit auch in den kommenden Jahren nicht zu mangeln. Stattdessen treibt viele der Ausbilder eine andere Sorge um. „Der Fahrlehrerberuf ist das Problem“, erklärt Marcel Mevert, der bereits eine seiner Filialen schließen musste und nun nur noch in Bückeburg Unterricht anbietet.
Vom „Traumberuf Fahrlehrer“ kann keine Rede mehr sein
„Es ist schwierig, überhaupt jemanden zu finden, der diesen Beruf machen will“, berichtet Mevert, der inzwischen eine Fortbildung zum Ausbildungsfahrlehrer absolviert hat, um auf eigene Faust neues Personal anlernen zu können – bislang ohne Erfolg.
Die Gründe den Nachwuchsmangel seien vielfältig. Da sei zum einen die immense Verantwortung, die man als Fahrlehrer für seine Schüler und andere Verkehrsteilnehmer habe. Im Vergleich dazu sei der Verdienst „nicht so prickelnd“, erklärt Mevert. Ein weiteres Manko seien die Arbeitszeiten. „Der Fahrlehrerberuf ist äußerst familienunfreundlich.
Ich fange an, wenn die anderen nach Hause kommen“, berichtet Ralph Schwinkowski, der eine Fahrschule in Stadthagen führt. Vom „Traumberuf Fahrlehrer“ könne insofern längst nicht mehr die Rede sein.
Kaum Berufsanfänger
Dieser Mangel an Attraktivität schlägt sich deutlich im Altersdurchschnitt der Ausbilder nieder. Laut einer Erhebung des Fahrlehrerverbandes sind derzeit auch in Niedersachsen deutlich mehr als die Hälfte der Fahrlehrer zwischen 45 und 64 Jahre alt – Berufsanfänger gibt es dagegen kaum. „Da macht man sich schon Sorgen“, erklärt Everding.
Sein Kollege Quentin hingegen sieht die Situation gelassener. Es gäbe aktuell zwar zu wenig Ausbilder, andererseits würden neue Interessenten in eine Fahrlehrerausbildung einsteigen. "Dieser Mangel wird sich erledigen", ist Quentin sicher. Daran, dass der Beruf sich weiterhin lohnt, hat auch Everding keine Zweifel. lht
SN