Dresdner „Tatort: Katz und Maus“: Entführung durch einen Querdenker
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Die Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Kommissar Schnabel (Martin Brambach) sehen die Videobotschaft des Entführers.
© Quelle: MDR/MadeFor/Marcus Glahn
Dresdens Pracht wird schon im Vorspann ausgestellt – Oper, Zwinger, Frauenkirche, fast wirkt der Glamour wie ein Ölgemälde. Es sind Bilder aus der Vogelperspektive, die Nacht liegt über dieser Stadt, Menschen werden von der Dunkelheit geschluckt. Was bleibt, ist eine Bühne, die fast italienisch wirkt. Bereit zu Emotion und Drama.
Doch weil das Pathos dieses Panoramas nur die halbe Wahrheit ist, gibt es ein Vorspiel in der Tiefgarage, das Licht ist hier komplett herabgedreht. Brigitte Burkhard (Elisabeth Baulitz), eine Journalistin aus der Klatschabteilung, geht zu ihrem Auto, kaum fährt sie los, wird ein Fahrradunfall simuliert. Sie steigt aus, wird überwältigt und entführt.
Es geht bei dieser Entführung nicht ums Geld
Es geht hier nicht ums Geld, gefordert wird die Wahrheit. Und die Wahrheit, so muss man das in Teilen Sachsens derzeit sagen, ist verhandelbar. Auch in Dresden ist sie keine rationale Ware, sie wird gefüttert von Verschwörern. Wenn eine Journalistin aus der Knallpresse von einem Querdenker gefesselt und in Haft gehalten wird, dann wirkt das wie die Quadratur des Wahnsinns. Zwei überhitzte Branchen treffen aufeinander, nirgends eine Ebene der Verständigung. Gelöst wird diese toxische Beziehung bald durch einen Schuss ins Herz. Brigitte Burkhard stirbt, ermordet von Michael Sobotta (Hans Löw).
Der Entführer und Verschwörungstheoretiker Sobotta ist ein Aufräumer von eigenen Gnaden. Seine Tochter ist verschwunden – er fordert von der Polizei, alle sächsischen Kinder, „die verschleppt oder entführt sind“, zu befreien, innerhalb von 24 Stunden. Sonst stirbt die Geisel, die er nimmt. Auf die Journalistin Burkhard folgt Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach), den Sobotta in seine Gewalt bringt. Sobotta drückt auf einen Knopf, der Countdown läuft, um die Kinder zu befreien. Die Kinder hat er aufgelistet, er spricht von 150, nennt Namen und Alter, Sobotta ist ein Buchhalter des Horrors, er behauptet: Die Kinder sind in einem Keller eingesperrt, organisiert von einem dunklen Pakt aus Politik und Journalismus.
Das Gesicht der Verschwörung
So sieht es aus, das Gesicht der Verschwörung: Michael Sobotta war ein Mann, der sich im Leben einen Platz gesucht hat, in einer netten Kleinfamilie landete, doch als Zoe (Alida Bohnen), seine Tochter, ihren ersten Freund mit heimgebracht hat und der Vater sie mit ihm im Bett erwischte, dreht er durch, schlägt diesen jungen Mann zusammen, die Tochter flüchtet. Sie geht gemeinsam mit dem Freund, bei dem sie eine neue, friedliche und zugewandte Form von Männlichkeit erlebt. Sobotta aber deutet diese Flucht als Staatsversagen, gibt der Politik die Schuld, glaubt, seine Tochter sei gefangen gegen ihren Willen. Er selbst als Grund dieser Zerrüttung seiner eigenen Familie? Will er nicht glauben. Löw spielt ihn stark als unbeirrten, zarten und entgleisten Macho.
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Dass zwei aufgeklärte und moderne Kommissarinnen ermitteln, von deren familiären Hintergründen man hier, gegen einen Trend im „Tatort“-Genre, nichts erfährt, hat seine Gründe. Nicht nur Dresden liegt als Stadt in der Folge „Katz und Maus“ auf dem OP-Tisch, sondern auch die Männer, von Wut und Paranoia angestachelt. Das weibliche Prinzip soll helfen.
Winkler und Gorniak halten sich an Mitgefühl und ehrliche Betroffenheit
Doch wie arbeiten die Kommissarinnen, sind sie Spurenleserinnen, Seelenärztinnen oder Teufelsaustreiberinnen? Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) halten sich an Mitgefühl und ehrliche Betroffenheit, in einem Fernsehkrimi aber geht es eher um Temperament, persönliche Konflikte und um eine Blase, die quasi über ihren Köpfen hängt wie im Comic, um dem Personal beim Denken zuzuschauen. Wenn das Team hinausgeht vor die Tür, um den Querdenker zu stellen, stößt das Gespann an Grenzen, die Action wirkt hier hölzern. Streit klingt forciert.
„Katz und Maus“ (Regie: Gregory Kirchhoff, Drehbuch: Jan Cronauer, Stefanie Veith) ist wie ein Puzzlespiel, gelöst mit pädagogischer Geduld. Im echten Leben ist der Ansatz Gold wert, doch die Erwartungen an einen flüssig ausgerollten, dicht erzählten Sonntagabendkrimi kann er nicht erfüllen.