Horrorjuwel bei Paramount+

Neue Serie „From“: das Grauen vor der Tür

Tagsüber lassen sich die Monster nicht blicken: Deputy Kenny (Ricky He) in der kleinen Stadt zwischen den Welten. Szene aus der Paramount+-Serie „From“.

Tagsüber lassen sich die Monster nicht blicken: Deputy Kenny (Ricky He) in der kleinen Stadt zwischen den Welten. Szene aus der Paramount+-Serie „From“.

Es gibt diese ganz bestimmten Bilder, die Angst auslösen, fast automatisch. Die den Zuschauer, die Zuschauerin in Alarmbereitschaft oder in Horrorstimmung versetzen. Dazu gehört auch das oft bemühte Auto, das in einem See, einem Fluss, irgendwo im Wasser treibt. In der neuen Paramount+-Serie „From“ ist es ein Swimmingpool, in den ein Wagen gestürzt ist. Also Achtung: Das Grauen beginnt.

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Der rostige Unterboden des Fahrzeugs im Pool signalisiert: Der Unfall liegt lange zurück. Offenbar hat niemand je versucht, das Wrack aus dem Becken zu ziehen. Irgendetwas stimmt nicht in dem kleinen Städtchen. Aber wir kommen dorthin, gemeinsam mit der Familie Matthews. Sie fährt durch den Ort, und sie fährt immer weiter, immer wieder durch diese gruselige Siedlung. Doch dann verunglückt das Wohnmobil im Wald. Leute tauchen auf, sie arbeiten fieberhaft daran, die vier Matthews zu befreien, weil beim Verschwinden des letzten Sonnenlichts offenbar alle unter irgendeinem Dach, hinter irgendeiner verschlossenen Tür sein müssen. Sonst ist man des Todes.

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Denn im Dunkeln tauchen Nacht für Nacht hungrige Wesen aus den Wäldern auf. Die sehen eigentlich nett aus, wie die Auftaktszene der Gruselserie zeigt. Da erbittet eine ältere Dame vor dem Fenster eines Kinderzimmers Einlass von einem kleinen Mädchen. Das Böse – das weiß der Leser von Goethes „Faust“ oder von John Ajvide Lindquists „So finster die Nacht“ – braucht eine Einladung, erst recht, wenn das Heim durch Kreuze, Knoblauchketten oder in diesem Fall Talismane gesichert ist.

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Der Großmuttertrick gelingt, hier ist die Enkelin die Gelackmeierte. Sobald das Fenster eine Handbreit geöffnet ist, verwandelt sich die freundliche Lady in etwas, dem man unter keinen Umständen begegnen möchte. Und das Resultat von Omas Besuch ist einer der Gründe, weshalb „From“ erst für ein Publikum ab 18 Jahren empfohlen wird – es erinnert ein wenig an den „Blutadler“, die unfasslich grausame Todesstrafe der Wikinger, nur auf der falschen Körperseite.

Die Bewohner des Ortes sind allesamt nach demselben Muster in Halloweentown gestrandet – aus völlig verschiedenen Ecken der USA: Immer fing alles mit einem auf die Straße gestürzten Baum an, einem unheimlichen Krähenschwarm, der sie zu diesem Murmeltierort brachte, der aussieht wie ein durchschnittliches, etwas in die Jahre gekommenes amerikanisches Dorf – aus dem aber kein Weg mehr herausführt und dessen Geschichte und Zweck niemand zu ergründen vermag.

Trifft hier jemand, ein höheres Wesen, eine „Auswahl“? Gibt es moralische Kriterien für die Opfer, sind die Menschen als Futter für die Kreaturen gedacht, die jedes ihrer potenziellen Opfer beim Namen zu kennen scheinen, oder ist das Böse eine Herausforderung, sich neu zu erfinden, sich auf die Kraft der Gemeinschaft zu besinnen? Und sind die Nachtmahre, die Predatoren dieser Welt, Instrumente einer seltsamen Macht oder ebenfalls – gestaltwandlerisch – begabte Gestrandete aus einer anderen Welt, die auf ihre eigene raubtierhafte Art überleben wollen?

„From“ ist ein Ort voller Rätsel

Wir sehen einen Ort voller Rätsel, von der Sorte, wie sie Fans des Fantastischen schon wiederholt gesehen haben und wie sie ihn lieben – wie der, an den „The Prisoner“ alias Nummer 6 in der gleichnamigen Fernsehserie gelangte, oder wie der, in dem sich das Ehepaar in der „Twilight Zone“-Folge „Die stille Stadt“ wiederfand, oder wie der, an dem die Helden aus „Desperation“, einem der besten Albtraumromane von Stephen King, klarkommen mussten.

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Dessen Schreibstil ist hier quasi filmisch umgesetzt. Und fast wäre „From“ in der Flut der Veröffentlichungen zum Start des Streamingdienstes Paramount+ untergegangen. Was die Serie zu einem Juwel im mit vielen Kieselsteinen bestückten Schatzkästlein des Horror/Scifi-Genres macht, ist der relative Realismus, mit dem das logikfreie Szenario aufgebaut wird.

Serienschöpfer John Griffin weiß, dass es nicht auf den Schauwert von brüllenden, schreienden, kreischenden Monstern ankommt, die im Übrigen schauerlich gestaltet sind und den Ansprüchen der Genrefreunde vollauf genügen, sondern auf die Befindlichkeit der Menschen, die versuchen, sich im Irrealen einen Alltag zu gestalten, angesichts der nächtlichen Schrecken einen Zusammenhalt zu bilden. Wie die Neuankömmlinge das Übernatürliche erst verneinen und abwehren, es dann zu begreifen versuchen, sich so gut es geht mit seiner Existenz arrangieren und sich schließlich auf die Suche nach einem Weg zurück nach Hause machen, ist vergleichsweise glaubwürdig umgesetzt. Die höchste Kunst des Fantastischen ist, es real wirken zu lassen. Im Produzententeam sind Koryphäen wie die „Lost“-Macher Jack Bender und Jeff Pinkner sowie die Marvel-Maestros Anthony und Joe Russo.

Und die Figuren wirken auch so lebendig wie das Personal in Stephen-King-Romanen. Die Matthews-Eltern Jim und Tabitha (Eoin Bailey, Catalina Sandina Moreno) zelebrieren mit ihren Kindern Julie (Hannah Cheramy) und Ethan (Simon Webster) den letzten Familienurlaub und wollen sich danach scheiden lassen, weil sie nicht über einen Schicksalsschlag hinwegkommen. Boyd Stevens („Lost“-Star Harold Perrineau), ein Berufssoldat, der zum Sheriff ernannt wurde, musste zu Beginn seines Aufenthalts hier in Sekundenbruchteilen die schlimmste Entscheidung seines Lebens treffen und hat sich von seinem Sohn Ellis (Corteon Moore) entfremdet, der in die riesige Hippie-artige Kommune des Colony-Hauses gezogen ist. Die wird von der burschikosen Donna (Elizabeth Saunders) beherrscht, die, als sich die Möglichkeit einer Heimkehr abzeichnet, schon vorab um die lieb gewonnene Gemeinschaft im Gruselland trauert: „Wenigstens haben die Monster in dieser Welt den Anstand, uns zu zeigen, was sie sind.“ Die normale Welt ist weniger eindeutig.

Alle hier haben ihre Geheimnisse, die nach und nach ans Tageslicht kommen und die einen zuweilen denken lassen, der Ort sei ein Purgatorium, eine Zwischenwelt, an dem Schuld gegen Buße gehandelt wird. Und der alles tut, um nicht verlassen zu werden von denen, die hier Sühne leisten. „Haben wir den Unfall überlebt?“, schreibt Tabitha entsprechend mit Edding an die Flurwand, wo sich die Matthews‘ versuchen einen Reim auf alles zu machen. „Lost“- und „Game of Thrones“-Regisseur Jack Bender hat die ersten vier Episoden meisterlich inszeniert, Jeff Renfroe („Rogue“, „Being Human“) schließt mit zwei Episoden ab, die ausreichend Mystery-Potenzial aufbauen für eine zweite Staffel.

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Was machen die Monster tagsüber? Lösen sie sich in Gruselluft auf oder schlafen sie in einer anderen Dimension? Wessen menschliche Gestalt haben sie angenommen? Wer hat die Talismane geschaffen, die sie vom Angriff abzuhalten vermögen? Und woher kommen eigentlich die Lebensmittel, von denen sich die Bewohner über all die Jahre ernähren? Wer hat ihnen die Hunde, Ziegen und Hühner geschickt? Man ist gespannt auf die Antworten auf diese und andere Fragen.

Und man freut sich, wenn im Vorspann der neuen Folgen der Walzerrhythmus der Mollversion von Doris Days „Que Sera Sera“ (gespielt von den Indie-Ikonen Pixies) wieder perfekt zum Flügelschlag der Raben passt. Die Suchmaschine Shazam erkennt den Song übrigens nicht. Ein Hinweis darauf, dass vielleicht die ganze Serie nicht von dieser Welt ist.

„From“, erste Staffel, zehn Episoden, von John Griffin, mit Harold Perrineau, Catalina Sandino Moreno, Eion Bailey, David Alpay, Elizabeth Saunders, Scott McCord, Hannah Cheramy (streambar bei Paramount+)

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