Rückkehr des Kult-Cops

„Luther: The Fallen Sun“ – Idris Elba jagt den Supersadisten

Verfolgt den Killer in den Kellern von London: Idris Elba in „Luther: The Fallen Sun“.

Verfolgt den Killer in den Kellern von London: Idris Elba in „Luther: The Fallen Sun“.

Es regnet Katzen und Hunde in London. Und trotzdem fährt der junge Mann namens Callum durch die Nacht, vernachlässigt seinen Job, riskiert die Kündigung. Weil derjenige, der ihn angerufen hat, sonst kompromittierende Bilder an seine Kontaktliste zu schicken droht. Der Unfall, zu dem Callum unterwegs kommt, ist dann nur fingiert. Der auf der Straße liegende Mensch ist nicht tot, Callum wird entführt. Kann man sich vorstellen, dass ein mit allen Wassern gewaschener Detective Chief Inspector der Mutter anschließend verspricht, den Sohn zurückzubringen? Dummheit ist es nicht, düstere Hybris vielleicht – der Polizist ist schließlich kein Geringerer als John Luther.

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Einen irreren Irren jagte Kult-Cop John Luther nie zuvor

Idris Elba zieht den hässlichen grauschwarzen Mantel noch einmal an, den seine Figur zwischendurch schon mal in die Themse geworfen hatte, in dessen Kragenteil er seinen Kopf einzog, wenn es mal wieder richtig dick für ihn kam. Luther kehrt zurück, der Mann für die richtig schlimmen Londoner Mordgesellen. Und der Serienmörder David Robey (Andy Serkis) ist wohl der irrste Irre, den er je jagte.

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Luther ist längst TV-Kult: Ein charismatischer, tragischer Polizist, der von der durchgeknallten, psychopathischen Mörderin Alice (Ruth Wilson) beschützt wurde, dem zwei Kollegen von der internen Korruptionskontrolle hartnäckig an die Dienstmarke wollten, dem die Ehefrau ermordet worden war und der abends auf dem Sofa mit dem Revolver russisches Roulette spielte. 21 Folgen in fünf Staffeln gab es bisher. Diesmal ist‘s nur ein Zweistundenfilm, der erste von mehreren: „Luther: The Fallen Sun“.

Luther kann fast alles, Callum aber kann er nicht retten. Dessen Entführer lässt in den digitalen Welten alle Regelverstöße ausfindig machen, bei denen Luther Spuren hinterließ. So landet Luther in einem Zuchthaus der Sorte, in denen einsitzende Cops naturgemäß die Lieblingsprügelknaben in Zelle, Flur und Dusche werden. Es ist dieses Wissen der Knast-Schwarmintelligenz, die wegschaut und doch lauert, die anmacht, anrempelt, in der Dusche zuschlägt: Hunderte Male hat man in Kino und in Serien solche asozialen Netzwerke hinter Gittern gesehen, und sich stets darüber gewundert, dass diese Gewaltexzesse von niemandem verhindert werden. Gott sei Dank hat Luther Eisenfäuste.

Im Darknet wartet ein weltweites und monströses Verbrechen auf Luther

Callum wird von seiner Mutter mit sieben anderen Opfern in einem bizarren Ornament tot in einer leer stehenden Villa gefunden. Sie besucht Luther, nennt ihn einen „Lügner“. Hey, Madam, denkt man bei sich, dieser Mann kann ja wohl seit Kurzem nur noch Personen finden, die mit ihm im Gefängnis sind. Aber Trauer macht irrational. Und so flieht Luther – der Ehre wegen – mithilfe von Ex-Kollegen, die ihn trotz allem noch mögen. Und wieder bricht der Ausgebrochene alle Regeln und zieht seine Nachfolgerin DCI Raine, gespielt von der herausragenden Cynthia Erivo („The Outsider“), mit in die Tiefen der Halblegalität und des Darknet und kommt einem Verbrechen auf die Spur, das weit über die britische Hauptstadt hinausreicht.

Idris Elba wäre gut als Frank Millers gebrochener Superheld

Idris Alba hätte James Bond spielen sollen – er wäre wahrhaft ein würdiger Nachfolger von Daniel Craig geworden. Näher an der Rolle des vigilantischen Ex-Cops Luther stünde freilich Batman. Das London in diesem Film ist so finster und verregnet wie Gotham City, der Held wird auf Hochhausdächern und sonst wo so heroisch-gebrochen inszeniert, dass man sich fragt, wie er bloß Cape, Maske und Gadgets vergessen konnte.

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Robert Pattinson macht derzeit fraglos sehr gute Arbeit als „The Batman“ (2025 kommt der zweite Film), aber als zynische, abgewrackte Fledermaus wie in Frank Millers Achtzigerjahrecomic „Die Rückkehr des dunklen Ritters“, in der an Batman auch schon der Zahn der Zeit genagt hat, wäre Elba erste Wahl.

Andy Serkis weckt als narzisstischer Soziopath Abscheu

Der Thriller verläuft comichaft schlicht und „bigger than life“. Der Realimus vieler Brit-Crime-Drama-Serien – hier ist er garantiert nicht zu finden. Luthers Gegenspieler ist von der unerträglichen Arroganz eines 007-Adversarius, ein digitaler Allmächtiger, dessen wahrhaft kranker Erpresser-Sadismus ihn zugleich von jeder Zuschauerbewunderung fernhält, die einem Blofeld bei Bond noch zuteil wurde.

Das Imperium, das der Multimilliardär Robey errichtet hat, ist niedrig und widerwärtig. Serkis, der vor allem berühmt wurde, weil er fantastischen Lebewesen wie dem Mordfrosch Gollum in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Filmen, dem liebenden Riesengorilla King Kong oder dem Schimpansen und Heerführer Caesar aus der jüngsten „Planet der Affen“-Trilogie Charaktertiefe verlieh, ist auch in persona sehenswert. Auch wenn die mit Gesterndrama versehene Figur des David Robey arg eindimensional erscheint, empfand man kaum je so viel Abscheu vor einem narzisstischen Soziopathen wie hier.

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Luther steckt sichtbar in der Spätphase seiner „Karriere“

Dass die Show vom „Luther“-erfahrenen Regisseur Jamie Payne („Outlander“, „Dr. Who“) kinoreif inszeniert wurde, macht noch keinen großen Thriller aus „Luther: The Fallen Sun“. Zu den Staffeln der Serie verhält sich der Film eher wie die späten Einsätze von Inspektor Columbo zu den frühen Suspense-Meisterwerken der Serie, wie die späten als „Schimanski“ betitelten, eher mittelprächtigen Hausboot-Fälle des von Götz George gespielten Haudrauf-Kommissars Horst Schimanski zu den unter dem „Tatort“-Dach firmierenden derben Milieukrimis mit Ruhrpott-Rost. Es ist schon noch John Luther, aber er steckt sichtbar in der späten Ausbeutungsphase seiner Figur.

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Spektakel verdeckt da zuweilen Plausibilität. Und wie Luther und seine Begleiterin Raine am Ende in Nullkommanix zum Showdown kommen, erinnert an das unlogische Überschallflugtempo von Raben in „Game of Thrones“, durch das die von der Armee der Toten bedrohten Helden in der vorletzten Staffel der Fantasyserie in letzter Sekunde vom Eis geholt wurden. Dass hier offenbar eine Superturbofähre unterwegs nach Norwegen war, stört freilich nur noch Pedanten. Angesichts des ekelerregenden Verbrechens ist die Sehnsucht des Betrachters nach Bestrafung des Bösen so groß, dass Lücken in der Story nicht mehr jucken.

Mach ihn platt, Luther!

„Luther: The Fallen Sun“, Film, 125 Minuten, Regie. Jamie Payne, mit Idris Elba, Cynthia Erivo, Andy Serkis, Dermot Crowley, Thomas Coombes, Hattie Morahan (ab 10. März bei Netflix)

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