Von „Lupin“ bis „Barbaren“

Gehypt, aber nichts dahinter: die größten Netflix-Enttäuschungen

Eine Szene aus dem Historiendrama „Barbaren“. Im Bild: Jeanne Goursaud als Kriegerin Thusnelda.

Eine Szene aus dem Historiendrama „Barbaren“. Im Bild: Jeanne Goursaud als Kriegerin Thusnelda.

Im Oktober 2020 wagte sich Netflix an ein bedeutendes Kapitel deutscher Geschichte: In der Serie „Barbaren“ rekapituliert der Streamingdienst die Varusschlacht. Doch so energisch Netflix seine neue deutsche Prestigeserie auch bewarb, so lang waren einige Gesichter der Zuschauenden, als das Historiendrama dann debütierte. Von Unterhaltung à la „Gladiator“ war in der sechsteiligen Serie nämlich nicht viel zu spüren. Welche Filme und Serien von Netflix ebenfalls hinter den geschürten Erwartungen zurückblieben, offenbart unsere Liste.

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„Barbaren“

„Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!“ Was mit Augustus’ Legionen passiert ist, weiß jeder, der in Deutschland den Geschichtsunterricht besucht hat: Sie wurden niedergemetzelt von den Germanen, die Roms Truppen seinerzeit in einen Hinterhalt lockten. Etwa 20.000 Römer sollen damals gestorben sein. Also: eine einzige gigantische Schlacht. Kann man so ein historisches Event über sechs Episoden nacherzählen? Netflix hat es mit der deutschen Prestigeproduktion „Barbaren“ (2020) zumindest versucht.

Weil die belegten Fakten alleine nicht für eine sechsteilige Serie ausreichen, wurde die Geschichte der Varusschlacht mit einem Best-Buddy-Zwist sowie einer plumpen kleinen Romanze ausgeschmückt. So wurde es ein nervender langer Weg, obwohl von Anfang an klar war, dass es bei „Barbaren“ eigentlich nur um das große Blutvergießen am Ende geht.

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Trotz verhaltener Kritikerstimmen legt Netflix ab 21. Oktober die zweite Staffel der Historienserie nach. In den sechs neuen Folgen ist die Varusschlacht seit einem Jahr Geschichte. Um die Stämme gegen Rom zu vereinen, tun Thusnelda (Jeanne Goursaud) und Ari (Laurence Rupp) alles Nötige. Auf Ari wartet zudem die Konfrontation mit seinem Bruder, der sich für Aris Verrat an Rom rächen will.

„Lupin“

Ein ziemlich bester Dieb? Omar Sy als Assane Diop auf den Spuren des Romanhelden Arsène Lupin, geniale Coups in Serie – das alles klang zunächst überaus verheißungsvoll. Als Netflix im Januar 2021 den französischen Gentlemangauner auf seine Abonnenten losließ, stahl „Lupin“ allen die Show. Der Streamingriese registrierte rekordverdächtige Abrufzahlen, die spätere Hypeserien wie „Bridgerton“ oder „Das Damengambit“ bis heute nicht einmal ansatzweise erreicht haben. Nach fünf Folgen war jedoch schon wieder Schluss – mitten in der Geschichte. Die Corona-Pandemie hatte die Dreharbeiten verzögert.

Überzeugen konnte „Lupin“ bis dahin nur bedingt. Den Gaunereien fehlten schlicht jene Vielschichtigkeit und Raffinesse, wie man sie aus Steven Soderberghs „Ocean’s“-Filmreihe kennt. Auf recht plumpe, manchmal nicht nachvollziehbare Weise schaffte es dieser Assane Diop immer wieder, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Der Industrielle Pellegrini (Hervé Pierre), der Assanes Vater auf dem Gewissen hat, war schnell als Bösewicht identifiziert. Und die Polizei agierte bisweilen dümmer als erlaubt.

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In Staffel zwei dann wurde die Handlung doppelt persönlich für Diop: Sein Erzfeind Pellegrini hatte seinen Sohn Raoul (Etan Simon) entführen. Einige Tricks und hanebüchene Fluchten vor der Polizei später war der Jüngling wieder frei und Assane Staatsfeind Nummer eins. Aus diesem Grund tauchte er im Finale von Staffel zwei erst einmal ab. Wohl 2023 meldet sich der sympathische Trickbetrüger aber zurück – mit Staffel drei von „Lupin“.

„El Camino: Ein ‚Breaking Bad‘-Film“

Bevor Netflix im Oktober 2019 „Breaking Bad“ ein Film-Spin-off spendierte, bauschte der Streamingdienst über Wochen eine gigantische Spannungskulisse auf. Über eine mögliche Rückkehr Walter Whites auf die Bildfläche wurden Spekulationen gesät, zusätzlich sorgten kryptische Posts der Darsteller Bryan Cranston und Aaron Paul für Verwirrung. Die Erwartungen an „El Camino: Ein ‚Breaking Bad‘-Film“ waren vor der Veröffentlichung gigantisch – ebenso wie die Fallhöhe.

Die Spannungskurve der Marketingkampagne vor dem Start des Films war unter dem Strich deutlich ausgeprägter als die des Endergebnisses. Was als abschließendes Kapitel über den Verbleib von Jesse Pinkman (Aaron Paul), einen der wenigen Überlebenden des blutigen Serienfinales, gedacht war, verkam zur faden Psychostudie ohne neue Erkenntnisse – ein versöhnlicher Abschluss mit Vince Gilligans Serienkosmos sieht anders aus. Zwar durften sich „Breaking Bad“-Enthusiasten über das Wiedersehen mit einigen bekannten Figuren freuen, allerdings funktionierten diese eher als bloßer Fanservice denn als Bereicherung für die inspirationslos erzählte Geschichte.

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„Riverdale“

Schon wieder eine Serie mit Teenies, die raffinierter als jeder Sheriff einen Mordfall aufdecken! Der Grundgedanke von „Riverdale“ ist nichts Neues: Ein Teenager wird ermordet, vier Highschoolkids versuchen den Fall aufzudecken und schlagen sich gleichzeitig mit den Wirren der Pubertät herum. Die meisten Figuren stammen aus den „Archie“-Comics, so auch Protagonist Archie (KJ Apa) und seine Freunde Betty (Lili Reinhart), Veronica (Camila Mendes) und Jughead (Cole Sprouse). Schnell schnallen nicht nur die Protagonisten, sondern mit ihnen auch die Zuschauenden, dass der Ort Riverdale nur eine Idylle vorgaukelt.

Eine Gesellschaft in einer Kleinstadt, die zerfurcht ist von Intrigen, Rachegelüsten und Fehden und die Mischung aus der schrittweisen Aufklärung des Mordfalls und „normalen“ Highschoolproblemen mögen zu Beginn noch unterhaltsam und kurzweilig sein. Doch spätestens ab der zweiten Staffel verknoten die Macher immer mehr immer abgedrehtere Handlungsstränge miteinander. Obendrein wartet dank einer Überdosis Mystery bald hinter jedem der hübschen Gesichter ein düsteres Geheimnis. Das ist auf Dauer ziemlich ermüdend und bisweilen ziemlich albern (ja, es gibt tatsächlich Musicalfolgen) – da nutzt auch der Retrocharme der Serie nichts.

„Triple Frontier“

Für „Triple Frontier“ packte Regisseur J. C. Chandor („A Most Violent Year“) 2019 die großen Geschütze aus – zumindest was die Darsteller angeht. Denn im Film selbst lässt er das Potenzial der Stars um Ben Affleck, Charlie Hunnam, Pedro Pascal und Garret Hedlund weitgehend ungenutzt. Die planen als Ex-Special-Forces einen eigentlich todsicheren Überfall auf einen südamerikanischen Drogenbaron, der – völlig überraschend – aus dem Ruder läuft und in einer verlustreichen Odyssee durch die südamerikanische Bergwelt endet.

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Anders als es der furiose Trailer der 115 Millionen Dollar teuren Eigenproduktion hatte erwarten lassen, sind knallharte Actionsequenzen und bleischwere Ballerorgien Mangelware. Das liegt vor allem an der schwer zu erklärenden Tatsache, dass den Räubern auf ihrer Flucht niemand so wirklich auf den Fersen zu sein scheint. Logisch ist das nicht, schließlich wurde der vermeintlich berüchtigtste Drogenboss der Welt getötet und bestohlen.

Bis auf eine kurze, aber effektvoll bebilderte Schießerei in einer Felswand sind die Protagonisten hauptsächlich mit sich selbst und ihrer misslichen Situation beschäftigt. Fragen nach der Schuld an der verpatzten Mission werden laut. Aufkeimende Konfliktpotenziale werden von Drehbuchautor Mark Boal („Zero Dark Thirty“) aber nicht weitergesponnen, und sich anbietende dramaturgische Elemente werden ohne wirkliche Beachtung links liegen gelassen. Kurzum: „Triple Frontier“ ist eine absolute Enttäuschung.

„Marco Polo“

Opulente Kostüme, atemberaubende Kulissen und noch dazu alles in Ultra-HD, was damals noch etwas ganz Besonderes war: Als Netflix 2014 die erste Staffel von „Marco Polo“ ins Programm nahm, wurde man regelrecht erschlagen von all dieser visuellen Wucht. Die Kritikerinnen und Kritiker aber rümpften von Beginn an die Nase, und auch das Publikum wendete sich schnell wieder ab. Weil tolle 4K-Schauwerte alleine eben nicht reichen.

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Benedict Wong lieferte als Kublai Khan eine brillante Schauspielleistung, der eigentliche Hauptdarsteller Lorenzo Richelmy (Marco Polo) aber war ein ziemlicher Langweiler, und als Drama war der „Marco Polo“-Stoff letztlich wohl einfach unbrauchbar. Schweineteuer war das Ganze natürlich auch: Alleine die erste Staffel kostete etwa 90 Millionen Dollar, womit sich dieses einstige Netflix-Flaggschiff sogar auf „Game of Thrones“-Niveau bewegte. Nach der zweiten Staffel wurde die Serie ohne echtes Ende eingestellt. Wirklich nachgeweint hat ihr niemand.

„365 Days“

Ob in der Musik, im Kino oder im Seriengeschäft – das Motto „Sex sells“ zieht nach wie vor in allen Bereichen der Unterhaltungsindustrie. Diese These stützte 2020 einmal mehr der Netflix-Überraschungshit „365 Days“, der die Bestenlisten des Streaminganbieters nicht nur in Deutschland auf den Kopf stellte. Hauptsächlich dürften die Zuschauerinnen und Zuschauer jedoch neugierig auf die schlüpfrigen Szenen und intimen Einblicke in die heiße Beziehung eines Mafiabosses zu einer hübschen Polin gewesen sein.

Denn von einem sinnlichen Drama mit ästhetischer Erotik ist „365 Days“ weit entfernt. Stattdessen erwartet Streamingfans ein stumpfer Nackedeiabklatsch à la „50 Shades of Grey“ samt muskelbepacktem Casanova (Michele Morrone), der seinem Entführungsopfer Laura (Laura Maria Sieklucka) eine romantische Beziehung aufzwingen will.

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Gerade wegen dieses zweifelhaften Plots provozierte der freizügige Streifen einen Shitstorm in den sozialen Medien. Die britische Sängerin Duffy veranlasste „365 Days“ sogar dazu, in einem offenen Brief an Netflix-Boss Reed Hastings die Verharmlosung von sexueller Gewalt im Film anzuprangern. Duffy schrieb: „Es macht mich traurig, dass Netflix einem solchen Film, der Kidnapping erotisiert und sexuelle Gewalt verzerrt darstellt, eine Plattform bietet.“ Es sei „leichtsinnig, unsensibel und gefährlich“, einen Film wie „365 Days“ zu zeigen. Unberührt von der Kritik setzte Netflix „365 Days“ zweimal fort.

„Midnight Sky“

Zugegeben: Man kann sich Schlimmeres vorstellen, als George Clooney dabei zuzusehen, wie er sich langweilt. Im Netflix-Film „The Midnight Sky“ darf man Clooney in seiner Rolle als Dr. Augustine Lofthouse dabei beobachten, wie er als letzter Bewohner einer verlassenen Forschungsstation irgendwo in der Arktis den lieben langen Tag nicht viel tut, außer Frühstücksflocken zu essen, in die Polarnacht zu blicken und darauf zu warten, dass irgendwas geschieht. Irgendwann springt der Film dann von der Erde ins Weltall, wo auf einem Raumschiff namens „Aether“ Schauspieler wie Felicity Jones und David Oyelowo ebenfalls – nichts tun.

Man versteht schnell: „The Midnight Sky“ will keiner dieser lauten Science-Fiction-Filme sein, wie es sie so oft gibt. Sondern ein stilles, introvertiert-nachdenkliches Werk. Dass der Film im Dezember 2020 mitten im Corona-Lockdown startete, war ein denkbar schlechtes Timing für Netflix. Aber auch wenn draußen das Leben toben würde wie vor der Pandemie: „The Midnight Sky“ wäre trotzdem weit davon entfernt, Netflix sein erstes selbst produziertes Sci-Fi-Highlight zu schenken.

Zwar kommt nach einer gefühlten Ewigkeit doch noch etwas Spannung in die gepflegte Langeweile vom Beginn des Films. Bis es so weit ist, hat man als Zuschauerin oder Zuschauer allerdings längst das Interesse verloren an dem, was da auf dem Bildschirm passiert. Daran kann auch George Clooney nichts ändern, der abermals eine Schau ist.

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RND/Teleschau

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