Shows gegen Geld: Wie Apple (erneut) den Podcast-Markt verändern könnte

Tim Cook bei der Vorstellung neuer Geräte auf der Frühjahrs-Keynote.

Tim Cook bei der Vorstellung neuer Geräte auf der Frühjahrs-Keynote.

Hannover. Schon Anfang der 2000er-Jahre, als in den Kellern und Zimmern einiger Nerds die ersten Amateurradiosendungen fürs Internet produziert werden, spielt der Techriese Apple dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle. Das Unternehmen leiht den damals noch sehr neuartigen Audioshows seinen zukünftigen Namen: Podcast.

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Angelehnt ist der Name an Apples damaligen Verkaufsschlager, den tragbaren mp3-Player iPod. Der britische Digitaljournalist Ben Hammersley gilt als der Erste, der das Wort 2004 in einem Artikel benutzt. In seinem Bericht im „Guardian“ verweist Hammersley auf den Aufstieg des iPods, die immer erschwinglichere Audiosoftware für den Heimgebrauch und den Trend des Bloggens.

„Alle Zutaten für einen neuen Boom im Amateurfunk“ seien vorhanden, schlussfolgert Hammersley. Es fehle nur noch ein Name für den Trend. „Aber wie soll man es nennen? Audioblogging? Podcasting? Guerilla-Media?“, fragt Hammersley.

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Als Erfinder der ersten Audioshows gelten Tristan Louis und Dave Winer, als erster Podcast-Host der MTV-Moderator Adam Curry. Das Ziel ist von Anfang an klar: Shows aus dem Amateurfunk können nur dann Erfolg haben, wenn sie auch auf Apples erfolgreichem Massengerät, dem iPod stattfinden. Curry und Winer entwickeln also ein Programm, mit dem man mithilfe eines RSS-Feeds Onlineradiosendungen aus dem Internet direkt auf Apples iPod herunterladen kann.

Ein Jahr später führt Apple die Podcast-Funktion auch ganz offiziell in seiner Software iTunes ein. Von nun an ist es für jedermann möglich, Shows zu durchstöbern und die Sendungen auf seine Geräte herunterzuladen. 2006 präsentiert Apple-Chef Steve Jobs bei einer Keynote neue Funktionen der hauseigenen Audiosoftware „Garageband“ – und nimmt live vor Publikum einen Podcast auf. Fortan ist das Aufzeichnen solcher Amateurshows ganz einfach für jedermann am Mac möglich, wenngleich das Veröffentlichen solcher Sendungen über Jahre hinweg hochkompliziert bleibt.

Kurze Zeit später beginnen auch Prominente, das Medium zu nutzen, etwa der britische Comedian Ricky Gervais. Den endgültigen Durchbruch im Mainstream schafft das Podcast-Format aber erst in den 2010er-Jahren. Als Wendepunkt gilt hier nicht zuletzt der US-amerikanische True-Crime-Podcast „Serial“ (2014). In Deutschland werden vor allem öffentlich-rechtliche Radioformate als Podcast populär, etwa die Radio-eins-Show „Sanft & Sorgfältig“ mit Jan Böhmermann und Olli Schulz (ab 2012).

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Schöne neue Podcast-Welt

Die Anfänge der Podcasts sind inzwischen fast 20 Jahre her – und die Podcast-Welt ist heute eine gänzlich andere. Der iPod ist schon lange Geschichte, Podcasts werden heute vor allem über Smartphones gehört. Apple ist schon lange kein Platzhirsch mehr in dem Bereich – Streamingdienste wie Spotify haben in den vergangenen Jahren deutlich mehr ins Medium Podcast investiert. Es gibt unzählige Podcast-Publisher, die das Veröffentlichen solcher Shows inzwischen kinderleicht machen. Und die einstigen Amateurshows von damals sind heute hochprofessionell produzierte Sendungen, um die die Plattformanbieter buhlen.

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Der erste „Original-Podcast“ geht beispielsweise 2016 bei Spotify auf Sendung: „Fest & Flauschig“ mit Jan Böhmermann und Olli Schulz. Fortan ist die Show der beiden nicht mehr bei Radio eins und auf jeder erdenklichen Podcast-Plattform zu hören, sondern nur noch bei dem schwedischen Streamingdienst. Kurz darauf kauft Spotify weitere Formate ein, etwa das erfolgreiche „Gemischtes Hack“ von Felix Lobrecht und Tommi Schmidt, das wöchentlich millionenfach aufgerufen wird.

Auch andere Dienste sichern sich exklusive Podcast-Hosts: Auf dem französischen Dienst Deezer beispielsweise sprechen Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier einmal wöchentlich über Filme, Serien und Fernsehen, beim Amazon-Ableger Audible tun Sophie Passmann und Matthias Kalle das Gleiche, während Anja Rützel exklusiv über Hunde podcastet.

Spotify investiert Milliarden, Apple schaut zu

Spotify soll bis heute mehrere Milliarden Euro in Podcasts investiert haben. Dazu gehören etwa 340 Millionen US-Dollar für den Kauf der Podcast-Netzwerke Gimlet und Anchor im Jahr 2019 und 235 Millionen US-Dollar für den Erwerb von Megaphone im Jahr 2020, das Werbetechnologie für Podcasts anbietet.

Der einstige Podcast-Pioneer Apple spielt heute, im Jahr 2021, zwar immer noch eine wichtige Rolle, aber schon lange nicht mehr die einzige. Zwar ist die hauseigene Podcast-App auf dem iPhone mit rund 28 Millionen Nutzerinnen und Nutzern weiterhin populär, mehr als eine Abspielstation ist sie allerdings nicht. Einen großen Stellenwert scheint das Thema Podcasts im Unternehmen nicht mehr zu haben. Bislang hat der Konzern, anders als die Konkurrenz, auch nie versucht, sein Angebot zu monetarisieren.

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Auch exklusive Inhalte sind rar: Bislang gibt es nur zwei von Apple produzierte Originalshows zu Formaten, die ebenfalls auf dem Streamingdienst Apple TV+ zu sehen sind. Besonders populäre Podcasts werden von Streamingdiensten wie Spotify sogar eher vom freien Markt und damit auch von Apples Podcast-Plattform weggekauft. Inzwischen hat das schwedische Unternehmen sogar Exklusivverträge mit Namen wie Michelle Obama, Joe Rogan und Kim Kardashian.

Neue Funktion könnte Markt durchschütteln

Und dennoch könnte der Techriese den Podcast-Markt noch einmal gehörig durchschütteln. Der Grund dafür ist eine neue Funktion, die Apple-Chef Tim Cook am Dienstag neben vielen neuen Geräten auf der Frühjahrs-Keynote des Unternehmens vorstellte.

Mit dem neuen Betriebssystem iOS 14.5 soll die Podcast-App des Konzerns ein neues Feature bekommen, das sich „Apple Podcasts Subscriptions“ nennt. Damit soll es Podcast-Produzenten ermöglicht werden, auf der Plattform kostenpflichtige Audioinhalte anzubieten.

Konkret funktioniert das so: Podcast-Macherinnen und -Macher müssen am neuen „Apple Podcasters Program“ teilnehmen, das für sie im Jahr 20 US-Dollar kostet. Anschließend haben sie die Möglichkeit, für ihre Inhalte Geld zu verlangen – den Preis können sie selbst bestimmen, der Betrag wird bei Konsumenten entweder monatlich oder jährlich eingezogen.

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Apple streicht Provision ein

All das funktioniert über Apples übliches Bezahlsystem mit der Apple-ID, das auch schon bei Käufen im App Store, bei Apple Music oder Apple TV zum Einsatz kommt. Auch eine Familienfreigabe ist möglich: Ein Abo für eine Show kann an bis zu sechs Familienmitglieder verteilt werden. Podcast-Machern sollen künftig neue Analysefunktionen zur Verfügung stehen, um den Erfolg ihrer Inhalte zu messen.

Das klingt verlockend – einen Haken hat die Sache aber trotzdem: Das Angebot ist nicht provisionsfrei. Laut US-Medien will der Konzern im ersten Jahr eines Bezahl-Podcasts 30 Prozent des Abonnements eines Nutzers einbehalten, im zweiten Jahr dann nur noch 15 Prozent. Dieses Modell ist auch im App Store des Konzerns üblich.

Exklusiv an Apple binden müssen sich Podcaster derweil nicht. Rein theoretisch wäre es möglich, seinen Podcast kostenpflichtig bei Apple anzubieten, aber auch gleichzeitig kostenlos bei Spotify. Das Unternehmen rät Produzenten jedoch, ihre Shows bei Apple dann mit exklusiven Inhalten oder anderen Vorzügen zu ergänzen, etwa dem Verzicht auf Werbung.

Alternative zu Werbung und Crowdfunding

Eine Bezahlfunktion dieser Art ist in der Podcast-Welt bislang tatsächlich einzigartig. Bisher hatten Macher von Audioshows nur zwei Möglichkeiten: Sie binden sich exklusiv an einen Streamingdienst, der sie für ihre Sendungen bezahlt – oder sie bleiben verfügbar am freien Markt, haben es dann aber deutlich schwerer, mit ihren Shows Geld zu verdienen. Viele Podcaster setzten in der Vergangenheit entweder auf Werbepartner oder auf freiwillige Bezahlmodelle über Crowdfundingplattformen, etwa Patreon oder Steady. Im Gegenzug erhielten Premiumhörer etwa werbefreie Sendungen oder Exklusivinhalte.

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Das Bezahlmodell des Techriesen Apple könnte das nun grundlegend ändern: Podcast-Macher könnten ihre Inhalte künftig direkt über die Plattform des Unternehmens kostenpflichtig anbieten, aber gleichzeitig unabhängig bleiben. Für Hörerinnen und Hörer bedeutet das gleichzeitig auch: neben Video- und Audiostreamingdiensten ein weiteres Abonnement, welches das eigene Girokonto belastet.

Und noch einen weiteren Haken hat das neue Bezahlsystem von Apple: Die hauseigene Podcast-App ist bislang ausschließlich für Geräte des Konzerns verfügbar, nicht etwa für Android-Smartphones. Wer als Produzent komplett auf das Bezahlmodell setzen möchte, muss die Android-Zielgruppe entweder komplett außer Acht lassen oder seinen Podcast zusätzlich kostenlos auf einer anderen Plattform anbieten.

Hat das Bezahlmodell eine Chance?

Sind die Podcast-Pläne von Apple von Erfolg gekrönt? Der Branchenexperte Nick Quah, der den Newsletter „Hot Pod“ über die Podcast-Welt schreibt, ist noch skeptisch. Der Nachrichtenagentur Reuters erklärte er: „Wir sind es bereits gewohnt, für einen Katalog von Fernsehsendungen zu bezahlen. Ich glaube nicht, dass die Leute daran für Podcasts gewöhnt sind.“

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Gleichzeitig ist Apples Erfolgsbilanz beim Bereitstellen von Bezahlinhalten grundsätzlich eher durchwachsen. Der Musikstreamingdienst Apple Music ist erfolgreich und nach Marktanteilen die Nummer zwei hinter Spotify. Der Videostreamingdienst Apple TV+ hingegen ist bei Weitem noch keine Bedrohung für etablierte Dienste wie etwa Netflix oder Amazon Prime Video.

Und am Ende schläft natürlich auch die Konkurrenz nicht. Auch bei Spotify gibt es bereits Gerüchte, der Streamingdienst wolle Machern künftig die Möglichkeit bieten, exklusive Inhalte gegen Geld anzubieten. Im Gespräch ist ein zusätzlicher kostenpflichtiger Dienst, der dem für das Musikstreaming gleicht und bei dem Nutzer rund 10 US-Dollar pro Monat für das Anhören werbefreier Podcasts oder Shows zahlen können. Ein Angebot, das dem von Apple erstaunlich ähnelt.

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