Sky-Programmchefin über Konkurrenz zu Netflix, ARD und Co.: „Wir sind Frenemys“
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Elke Walthelm ist die Sky-Programmchefin (Archivbild).
© Quelle: Peter Kneffel/dpa
Elke Walthelm ist Sky-Programmchefin und bei dem TV‑Sender und Entertainmentunternehmen für die inhaltliche Ausrichtung und Gestaltung des Programms und der Formate verantwortlich. Sie arbeitet seit 2005 bei Sky Deutschland und war dort lange für die Betreuung von NBC-Universal-Marken wie Sy-Fy oder 13th Street zuständig. Seit 2018 ist NBC Universal Global Networks Deutschland ein Tochterunternehmen von Sky Deutschland.
Es gibt immer mehr Streaminganbieter mit eigenen Formaten. Wie setzt Sky sich da ab und entgeht einem Sättigungseffekt?
Mit einem klaren Profil: Wir sind der einzige Anbieter, der mit einem derart breiten Portfolio sowohl Premiumsport- als auch Premiumentertainmentinhalte exklusiv bereitstellt. Dabei entgeht uns natürlich nicht, dass unsere Kunden auch gern mal Free‑TV, eine Serie bei Netflix, Disney+ oder die Champions League bei DAZN schauen. Genau deshalb setzen wir auch auf Aggregation. Auf unserer Sky‑Q-Plattform sind alle relevanten Anbieter bequem unter einem Dach gebündelt, über die gleiche Fernbedienung kann der Sky-Kunde also genauso eine Netflix-Serie oder die WM bei ARD und ZDF schauen.
Sehen Sie Streaminganbieter wie Netflix und die Öffentlich-Rechtlichen also nicht nur als Konkurrenz?
So ist es. Der Tatsache, dass deren Apps auch über Sky verfügbar sind, liegt ja eine partnerschaftliche Vereinbarung zugrunde. Was Sehdauer und Zeitkontingent betrifft, stehen wir gleichzeitig in einem gewissen Wettbewerb. Denn jeder Mensch hat ja nur limitierte Zeit, die er in Entertainment investiert. Wir sind also „Frenemys“ – eine gesunde Mischung aus Freunden und Konkurrenten.
Sie haben die WM angesprochen: Haben Sie Befürchtungen, dass sich Fußballfans nach dem umstrittenen Wettbewerb in Katar, den viele boykottieren, auch vermehrt vom nationalen und internationalen Fußball im TV zurückziehen?
Überhaupt nicht. Es gibt bei der WM berechtigte Gründe für die Kritik gegenüber Katar. Das ist aber ein von der Bundesliga oder anderen Ligen unabhängiges Thema. Es würde mich sehr überraschen, wenn das Interesse hier allgemein sinken würde.
Ob nun bei der Sportberichterstattung oder dem fiktionalen Bereich: Welche Rolle spielt bei Sky Diversität?
Sowohl für mich als auch für unseren Sportchef ist es eine Priorität, das Thema Diversität auch auf dem Bildschirm ernst zu nehmen. Im Sport etwa legen wir inzwischen einen größeren Fokus auf Frauensport. Wir setzen verstärkt Frauen in allen Bereichen der Sportproduktion und ‑präsentation ein. Denken Sie an Tabea Kemme oder Julia Simic, unsere neuen Expertinnen der Bundesliga-Topspiele. Im Entertainmentbereich machen wir regelmäßig Themenschwerpunkte etwa zum Weltfrauentag oder dem Diversity Day. Es ist uns auch wichtig, bei den Inhalten, die wir einkaufen, die Diversität nach vorne zu bringen. Noch größeren Einfluss haben wir natürlich bei unseren Eigenproduktionen.
Welche Film- oder Serienproduktionen haben da Vorbildcharakter?
Die Serie „Das Boot“ ist ein gutes Beispiel. Im Originalfilm „Das Boot“ stehen vor allem Männer im Vordergrund, in der ersten Staffel unseres Sky-Originals ging es in einem Handlungsstrang auch um die Liebe zwischen zwei Frauen. Nächstes Jahr kommt außerdem „Tender Hearts“ heraus. Da war das ganze Produktionsteam weiblich: die Autorin, die Produzentin und die Regisseurin. Es geht um eine Protagonistin, die auch mit einer Behinderung zu kämpfen hat. Aber das steht nicht im Mittelpunkt, sondern die Behinderung ist einfach da. Es ist uns wichtig, dass Diversität kein Aushängeschild ist, sondern wir es so darstellen, wie es auch Teil unserer Gesellschaft ist.
Wie wichtig ist Diversität nicht nur vor der Kamera, sondern auch hinter den Kulissen?
Total wichtig. Es beginnt ja bereits im Unternehmen selbst. Ich habe Sky schon wesentlich männlicher erlebt, als dies inzwischen der Fall ist. Bei uns in Deutschland ist das Verhältnis in der Geschäftsführung 50:50, auch insgesamt sind wir heute deutlich diverser, zumindest, was das Geschlecht und verschiedene Nationalitäten angeht. Ich glaube fest daran, dass ein diverseres Team konstruktivere Diskussionen führt, in denen mehrere Sichtweisen berücksichtigt werden. So ist es möglich, bessere Entscheidungen zu treffen. Da geht es um viele Aspekte – nicht nur um das Geschlecht, sondern auch um ethnische Hintergründe oder Altersgruppen. Ein weiterer Punkt ist: Wie bekommt man die Stilleren dazu, auch ihre Meinung zu sagen, sodass man sie nicht überhört, vor allem wenn sie einen Punkt sehen, der bislang nicht betrachtet wurde, aber von großer Bedeutung für eine Entscheidung ist? Es ist daher ebenso Teil des Inklusionsgedankens, auch diejenigen zu hören, die nicht am lautesten schreien.
Wo kann Sky sich in Sachen Diversität noch verbessern?
Man kann immer besser werden, wie man Diversität auf dem Bildschirm oder im Unternehmen sicherstellt. Aber so richtig gut wäre es, wenn wir uns gar keine Gedanken mehr darüber machen müssten, sondern es einfach normal wäre. Mir ist erst zuletzt am Beispiel von „Top Gun Maverick“ bewusst geworden, dass wir uns schon auf einem guten Weg befinden. Das Remake ist sehr divers. Zuerst ist mir das gar nicht aufgefallen. Dann habe ich mir aus Nostalgie den Originalfilm aus den 90ern angesehen und war geschockt, weil es nur weiße Männer und eine Protagonistin gibt, mit der der Superstar Spielchen spielt. Da ist mir klar geworden, dass heute doch schon vieles selbstverständlicher geworden ist. Eine gute Entwicklung.
Hat heutzutage eine nicht diverse Produktion noch Erfolgschancen?
In bestimmten Zielgruppen ist das sicher möglich. Nicht diverse Produktionen sind aber kein Marktstandard. Von öffentlich-rechtlichen Sendern über private bis hin zu Streamingdiensten: Allen liegt das Thema Diversität am Herzen, weil es ein wichtiger Wert unserer Zeit ist, aber auch, weil alle die Bevölkerung in ihrer Breite ansprechen wollen – und wir sind nun mal eine diverse Gesellschaft, und die möchten wir auch abbilden.
Sehen Sie denn, dass sich in den letzten Jahren die Sky-Kunden in Ihrer Diversität verändert haben?
Ja, das liegt aber auch an unserem erweiterten Angebot. Frauensport hatten wir etwa früher in der Form nicht, jetzt haben wir ihn. Wir geben ihm bewusst eine größere Bühne und sehen eine wesentliche Nutzung. Das schauen vielleicht nicht so viele wie Dortmund gegen Bayern am Samstag, aber trotzdem ist eine Nachfrage da, und sie wächst.
Sie sagten, dass Diversität zum Zeitgeist gehöre. Wie erkennen Sie den Zeitgeist, um erfolgreiche Formate produzieren zu können?
Dreh- und Angelpunkt ist es zunächst einmal, eine gute Geschichte zu identifizieren. Eine packende Geschichte und authentische Charaktere, die den Zuschauer fesseln und auf eine Reise in eine faszinierende Welt mitnehmen. Und das so hochwertig umgesetzt, dass man das Gefühl hat, die Produktion auch im Kino sehen zu können. Dann kommt noch dieses Fünkchen Magie dazu. Denn vom Produktionsstart bis zur Veröffentlichung vergehen oft Jahre. Den Zeitgeist kann man vielleicht ein Stück weit antizipieren, aber es ist immer auch etwas Bauchgefühl und Glück im Spiel.
Ja, in zwei, drei Jahren kann sich viel in der Gesellschaft ändern.
Absolut, das wurde uns ja ziemlich drastisch vor Augen geführt: Vor drei Jahren hätte keiner gedacht, dass es so etwas wie Corona gibt oder wir einen Krieg in der Ukraine haben. Das ist nicht vorherzusehen.
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Wie beeinflussen denn eigentlich der Krieg und die Energiekrise das Geschäft bei Sky?
In der aktuellen Krisensituation sind natürlich auch Unternehmen gefragt, so energieeffizient wie möglich zu agieren. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir hier schon vor einiger Zeit wichtige Dinge im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie angestoßen haben – ob die Nutzung von 100 Prozent Ökostrom in unserem Hauptgebäude und bei Sky Sport News, eine ressourcenschonende Reiseplanung oder die Themen Licht und Catering. Dass wir uns schon lange bewusst mit den Themen Klima und Energie auseinandersetzen, hilft jetzt natürlich. Zusätzlich haben wir in den letzten Wochen kurzfristig in unseren Büroräumen ein Set an Maßnahmen ergriffen und unter anderem Laufzeiten von technischen Geräten und Beleuchtungen reduziert oder unser Heizkonzept sowie die Klimatisierung unserer Technikräume optimiert.
Was wurde in den vergangenen zwei Jahren schon gemacht, um Emissionen zu reduzieren?
Eine ganze Menge, sowohl intern bei Sky als auch in der Zusammenarbeit mit Partnern oder Lieferanten. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle unsere Eigenproduktionen, mit denen wir – und darauf sind wir schon ein wenig stolz – Pionierarbeit in der Branche leisten konnten: So haben wir schon 2018 mit „Green Shooting“ angefangen und das Thema Nachhaltigkeit verpflichtend in jeden Produktionsvertrag eingearbeitet. Wir haben hier eine große Bandbreite verschiedener Hebel, das reicht vom Verzicht auf Einwegplastik über Veggie-Tage bis zur Verwendung von Second-Hand-Kostümen, energieeffizienten LED-Lampen oder der Nutzung elektronischer Drehbuchversionen, um nur einige zu nennen. Es ist uns schlichtweg wichtig, das Thema Nachhaltigkeit in der Produktion zu verankern. Diese Ambition haben wir übrigens auch im Sport, wo bereits wichtige Maßnahmen umgesetzt sind.
Und wie schlägt sich die Energiekrise mit Blick auf Ihre Kunden nieder? Bemerken Sie da Rückgänge, weil die Menschen sparen wollen?
Momentan sehen wir nach wie vor ein großes Bedürfnis nach Entertainment und die Bereitschaft, für hochwertige Inhalte auch Geld auszugeben. Ich bin guter Dinge, dass das so bleibt. Es gab früher diese Korrelation: Wenn die Zeiten schlechter werden, geht der Absatz von Lippenstift hoch, weil man sich vielleicht nicht mehr das teure Kleid leistet, aber zumindest einen Lippenstift. Es ist eine Hypothese, dass es mit Entertainment ähnlich ist und man so ein Angebot gerade in schwierigeren Zeiten mehr nutzt und noch mal mehr wertschätzt.