Sky-Thriller „Inheritance“: Im Bunker hört dich keiner schreien
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Ein Video und ein Schlüsselbund als Erbe: Lauren (Lily Collins) findet ein schreckliches Geheimnis ihres Vaters heraus.
© Quelle: picture alliance / Everett Collection
New York. Grauer Himmel. Stimmen aus dem Nirgendwo. Eine Frau joggt in Schlabberoutfit durch den Park, im nächsten Augenblick steht sie adrett aufgebrezelt als Staatsanwältin im Gerichtsgebäude, dann trabt sie wieder im Park. Und so weiter. Dann sieht man ihren Vater (es geht ihm gesundheitlich offenbar sehr schlecht), dann ihren Bruder (der mit gewinnendem Politikerlächeln für ein Amt kandidiert).
Und dann kommt auch schon der Moment, in dem Lauren vom Tod ihres Vaters erfährt, erst danach der Moment, in dem er tatsächlich am Steuer stirbt. „Inheritance“ (deutsch: „Erbe“) heißt der Film, den etwas wirr geschnittenen Auftakt von Vaughn Steins Thriller nimmt man als künstlerisch hin. Nicht ganz geglückt, die Kunst, gewiss. Schaun mer mal!
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Nur eine Million: Heldin Lauren geht beim Erbe quasi leer aus
Testamentseröffnung: Archer Monroes Ehefrau Cathy (Connie Nielsen) bekommt alle Immobilien und Daddys Wahlrecht im Aufsichtsrat, Sohn Will werden 20 Millionen Dollar zugesprochen, nur die Tochter Lauren (Lily Collins) geht mit einer Million verhältnismäßig leer aus. Harold, der Notar und Freund der Familie, hat dann aber noch einen ominösen gelben Umschlag, den er der jungen Frau in die Hand drückt – „für dich allein“. Stolz sei der Vater auf die Frau gewesen, die aus Lauren wurde, fügt Harold noch hinzu. Ähnliches sagt Mama später auch.
Lauren findet einen Schlüsselbund und einen Computerstick mit einer postumen Botschaft ihres Erzeugers über ein Geheimnis, das sie mit ins Grab nehmen müsse, ja, das selbst begraben werden müsse: „Das hier fällt mir sehr schwer …“, fängt der Vater den Text zu Laurens Spezialerbe an, ohne dabei allerdings konkret zu werden.
Unter der Erde wartet ein Geheimnis auf Lauren
Der Nachlass findet sich in einem Bunker mitten im Wald. Als Lauren die Stufen hinabsteigt, dräut und brodelt Geräuschmusik und man macht sich darauf gefasst, dass dort gewiss kein Piratenschatz versteckt wurde, dass stattdessen etwas Verstörendes auf die Staatsanwältin warten wird. Stimmt auch: Morgan Warner (Simon Pegg, Komödiant, weltweit bekannt als Scotty aus J. J. Abrams’ „Star Trek“-Filmen) ist hier eingekerkert, war seit 30 Jahren nicht mehr an der frischen Luft und beim Friseur und sieht in der Dunkelheit des Waldschachts erstmal wie ein Waldschrat aus, fast wie der Wookiee Chewbacca aus „Star Wars“, Han Solos bester Freund.
Sie rennt schockiert weg, tut das Richtige, wählt den Notruf, dann legt sie auf, und tut das Falsche – aus Rücksicht auf die Karriere des Bruders, auf die Unberührtheit ihres eigenen großen Falls, aus Rücksicht auf den Ruf der Familie. Sie schleicht dann nervös um Daddys Schreibtisch, in dem sich ein Revolver findet, erinnert sich an frühere Streitereien, Gebrüll, Archers cholerische Ader.
Sie will Antworten, er will Schlagsahne
Und dann steigt sie mit dem Colt und einer Art Faschingsmaske erneut in den Schacht. „Hey, hören Sie mich?“ Während sie seine Fingerabdrücke nimmt, schlägt der Gefangene die Augen auf, und – rumms – wieder schlägt Lauren die Zellentür ins Schloss. Langsame Annäherung. Arg langsame Annäherung.
So weit, so einigermaßen okay. Und ein wenig wird in der Folge so eine Art Hannibal-Lecter-Clarice-Starling-Spielchen in nicht so gut daraus. „Ich seh’ mich gern als eine Art Mitglied der Familie nach all den Jahren“, raunt Warner Lauren zu. Und fordert: „Bist du ein guter Mensch? Dann lass mich gehen.“ Erst aber will Lauren Antworten. Er möchte dafür im Gegenzug ein Steak und Ofenkartoffeln, später Limettensaft und Schlagsahne – und mit solcherlei albernem Geschwätz nehmen die Macher die ersten Stufen weg von einem guten, plausiblen, unterhaltsamen Krimi. Prost Mahlzeit!
Die Protagonistin tut notorisch das Falsche
Unerträglich wird in „Inheritance“ niemals die Spannung dabei, wie die Protagonistin (und nicht nur sie) notorisch das Falsche tut, als wäre sie die Hauptdarstellerin in einem altmodischen Kreischhorrorfilm. Wie sie ihren Job vernachlässigt, von Mrs. Akkuratesse zur kaltherzigen Gefängniswärterin wird. Wie Schauspielerin Lily Collins ihr Kellerverhör derart over the top spielt, dass man sie noch mal für einen Auffrischungskurs an die Schauspielschule zurückschicken möchte. Alles kaum auszuhalten.
Warum kettet jemand einen Menschen 30 Jahre an? „Jetzt will ich Antworten“, schnarrt Lauren zum wer-weiß-wie-vielten Mal in diesem wiederholungsreichen Film. Nach einer halben Stunde rückt das Drehbuch mit der ersten Antwort heraus, aber so untalentiert der Autor Matthew Kennedy im Aufbau von Suspense ist, so wenig vermag er es, einen plausiblen Grund für dieses „Lebenslänglich“ zu servieren.
Lahmes Ping-Pong-Spiel unter der Erde
Je mehr man von Warner hört, desto weniger Empathie und Interesse bringt man für ihn auf – inklusive der Frage, ob der Mann Wahres spricht oder Erfundenes auftischt. „Alles Lügen!“, zischt Lauren. Meinethalben, denkt man. Das Duell unter der Erde ist bald wie ein Ping-Pong-Spiel mit angeditschtem Ball. Und die Unfähigkeit des Skripts, Nebengeschichten wie Bruder Williams Wahlkampf einzubauen in den Thriller, wird unter Verschwendung von Zuschauerzeit verbucht.
Nach einem Crescendo des Häftlings voller Rachefantasien ist das letzte Geständnis von Warner dann so idiotisch, dass man tatsächlich – oops! – laut auflacht, und das, nachdem die Schauspielerin Lily Collins die Hysterietube sehr zum Leidwesen unseres Zwerchfells bereits komplett ausgedrückt hat. Im Bunker hört dich – bis auf den Zuschauer – niemand schreien.
Am Ende, als zwei Frauen ausdruckslos in ein Feuer starren, befindet man, dass es einen weit beklemmenderen Film gegeben hätte, zu erzählen, wie es eine derart unsägliche Geschichte geschafft hat, grünes Licht für ihre Verfilmung zu bekommen.
„Inheritance“, 107 Minuten, bei Sky, Regie: Vaughn Stein, mit Lily Collins, Simon Pegg, Patrick Warburton, Chace Crawford (streambar ab 18. Juli)