Endzeit für Thor und Odin bei Netflix

Wenn der Krieg zum Normalzustand wird: Die zweite Staffel von „Vikings: Valhalla“ ist da

Meisterin des Schwerts: Freydis (Frida Gustavsson) hatte Lust auf den Job als Hüterin des alten Glaubens. Angesichts menschenverachtender Zustände und ihrer eigenen Erfahrungen in der Siedlung Jomsburg besinnt sie sich auf ihre Qualitäten als Schildmaid. Szene aus der zweiten Staffel von „Vikings: Valhalla“.

Meisterin des Schwerts: Freydis (Frida Gustavsson) hatte Lust auf den Job als Hüterin des alten Glaubens. Angesichts menschenverachtender Zustände und ihrer eigenen Erfahrungen in der Siedlung Jomsburg besinnt sie sich auf ihre Qualitäten als Schildmaid. Szene aus der zweiten Staffel von „Vikings: Valhalla“.

Jarl Olaf ist zornig zum Zerbersten, und da fallen dem bärtigen Halunken stets die finstersten Schweinereien ein. Der feiste Musterwikinger – Jóhannes Haukur Jóhannesson könnte in einer Komödie problemlos auch Hägar, den Schrecklichen, spielen – hatte eigentlich seiner Hinrichtung geharrt. Dann wurde er unverhofft zum Vormund von König Knuts zartem Enkel Sven bestellt, den Knuts Vater Gabelbart wiederum zum König von Norwegen ausrief. „Willst du König sein, muss dein Schwert blutig sein“, bescheidet Olaf dem jungen Thronfolger.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Und dann zwingt er ihn, mitten im Wald einen Mann hinzurichten. So sprenkelt bald Blut das blasse Gesicht des Jünglings Sven. „Dein Vater wäre unheimlich stolz“, grinst Olaf. Wir aber wissen: Wäre er nicht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Beziehungsweise, wir wissen es nicht genau. Keine Ahnung, wer sich über Jahresfrist die Ereignisse all der prächtigen Serien behalten soll, die einen bis tief in die Nacht in Atem halten. Bei Anlaufen der jeweils nächsten Staffel ist man jedenfalls überfordert, muss man feststellen, dass man den Faden, den man aufnehmen soll, verloren hat.

Weil ein vorangestelltes zehnminütiges Rekapitulieren der ersten Staffel von „Vikings: Valhalla“ fehlt, braucht man erstmal eine Zweitsicht der zwei letzten Episoden der ersten Staffel, um sich zurechtzufinden. Und, nein, für Neueinsteiger gibt es keine Abkürzung. Man muss in jedem Fall zuerst durch die komplette Startstaffel dieses Spin-offs von „Vikings“.

Das Christentum verändert die Kultur der Wikinger

Das einen zurück zur ersten nachchristlichen Millenniumswende führt. Etwa 100 Jahre nach den Ereignissen der Mutterserie geht es weiterhin um Ehrgeiz, Titel, Macht und sehr viel Sterben. Die Christianisierung verändert auch die restliche Kultur der Nordmänner, beklagt wird von Traditionalisten unter anderem, dass sich – Spoilerwarnung! – der englische Hinrichtungsmodus des öffentlichen Erhängens in Kattegat eingeschlichen hat und man den guten alten „Blutadler“ (eine so widerliche Exekutionsweise, dass sie hier nicht näher erläutert werden soll) gar nicht mehr zu Gesicht bekommt.

Die christlichen Krieger haben inzwischen die Oberhand, sie führen Säuberungen durch. Wer weiterhin mit dem Methorn noch den Walküren zuprostet, kann das gleich in Walhalla tun.

Freydis soll die „Hüterin des Glaubens“ werden

Vier Erzählstränge gibt es in der zweiten Staffel: Der sich um den Thron Norwegens betrogen fühlende Harald Sigurdsson (Leo Suter) macht sich mit seinem Freund Leif Eriksson (Sam Corlett) auf eine abenteuerliche Reise in den Osten, um ein Heer aufzustellen und seine Ansprüche mit Gewalt durchzusetzen – erst in die Rus von Nowgorod, wo sein Onkel Jaroslav (Marcin Dorocinski) herrscht, dann gen Konstantinopel. Haralds Liebste, Freydis (Frida Gustavsson), Leifs Schwester, schließt sich den geflüchteten Altgläubigen an – in Kattegat ist sie die „heidnische Hexe“, im neuen Uppsala soll sie die „Hüterin des Glaubens“ werden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

In London nun muss Königin Emma (Laura Berlin) mit der Unterstützung des ihr zwielichtig erscheinenden Godwin (David Oakes) Vorlieb nehmen, da ihr charismatischer Wikingergatte Knut (Bradley Freegard) in Dänemark weilt. Nach einem missglückten Attentat wächst sich ihre Angst zu einer unheilvollen Paranoia aus. Am blassesten ist in den sechs zur Ansicht gereichten Episoden (von insgesamt acht) der Kattegat-Strang, in dem Königin Aelfgifu (Pollyanna McIntosh), bis zur Volljährigkeit ihres Sohns Sven als dessen Regentin eingesetzt, sich den Job, den neuen Lebensmittelpunkt und den feisten Oberkrieger Olaf schönzureden versucht.

Die Reise nach Konstantinopel wird ein großes Abenteuer

Die beiden erstgenannten Storys sind es, die den Zuschauer bei der Stange halten. Mit Harald und Leif geht es durch eine unberechenbare Welt, in der Krieg der Normalzustand und Frieden stets auf Zeit ist, und in der ganze Dörfer geplündert und vernichtet werden, wenn sie zufällig auf dem Weg eines Heers oder marodierender Söldner liegen.

Die beiden Wikinger treffen auf ihrer Reise auf einen Sklavenhändler und die für Konstantinopel bestimmten Sklavinnen, auf das gefürchtete Turkvolk der Petschenegen und auf eine verschlagene Bande von Warägern, wie die seit dem neunten Jahrhundert im Osten siedelnden Wikinger hießen, die einst die Kiewer Rus gründeten.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Freydis ist eine fantastische Schildmaid

Und Freydis muss erfahren, sie als bejubelte Priesterin in Jomsburg nur Spielfigur auf dem Schachbrett eines Populisten und Menschenverächters ist. Unter roten Runenflaggen, die wohl nicht von ungefähr an die Parteifahnen der Nationalsozialisten erinnern, hat der Anführer Harekr (Bradley James) eine auf Herrenmenschentum gründende Herrschaft errichtet.

Die hierhin Geflüchteten müssen im Wald ein ärmliches Dasein fristen und hart für das Wohl der Stadtbewohner arbeiten. Der Einzelne zählt nicht in Harekrs Sozialmathematik, er schreckt nicht vor Massakern am eigenen Volk zurück. Freilich hat er Freydis unterschätzt, die es mit dem Schwert mit jedem Mann aufnehmen kann. Die schwedische Schauspielerin Frida Gustavsson legt in Folge sechs einen überwältigenden Aufritt als Schildmaid hin. Schon in Staffel eins war sie Dreh- und Angelpunkt dieser Serie.

Historische Akkuratesse? Dies ist keine Geschichtsstunde

Showrunner Jeb Stuart und sein Autorenteam setzen eher auf ein stimmiges Wikingergefühl voller Spannung und Twists als auf eine Selbstverpflichtung zu geschichtlicher Akkuratesse. Figuren wie Harald und Leif, deren Leben in Wirklichkeit anderthalb Generationen auseinanderlag, werden zu annähernd Gleichaltrigen, die einander als Stimme des Wagemuts und Stimme der Vernunft ergänzen. Personen und Orte werden erfunden, Frisuren und Kostüme erscheinen wikingeresk, die zuweilen arg karge Überlieferung wird mit hinreichend Fantasie ausgemalt.

Der halbmythische Männerbund der Joms-Wikinger etwa wird in eine Zivilisation verwandelt, die auf Ausbeutung und Gewalt gründet, und damit – humanistische Werte werden eingewoben – schon im Keim den Untergang in sich trägt. Ob sich Krieger wie Harald und Leif in damaligen Zeiten tatsächlich als Gegner der Sklaverei geoutet hätten, darf bezweifelt werden. Aber die entsprechende Szene kommt gut, hat etwas Kathartisches.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das Stream-Team

Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Jedenfalls ist „Valhalla Vikings“ – wiewohl noch eine Handbreit von der dramatischen Tiefe von Michael Hirsts Originalserie „Vikings“ entfernt – beileibe nicht die konturlose Erzählung mit konturlosen Figuren, die ein bisschen vermeintlichen Wikingerlifestyle bieten, als die sie bei der ersten Staffel von manchen Wikingerfans apostrophiert wurde.

Abschiedsbilder – Eine Zeit geht zu Ende

Eingedenk unseres Wissens über den Siegeszug des Christentums, das sich bei der Missionierung gefühlt eher selten an den Nächstenliebegrundsatz seines Religionsstifters hielt, wird einem weh ums Herz, wenn die Sympathieträgerin Freydis die Holzstelen der alten Göttinnen streichelt.

In unserer Zeitenwende wirkt das dunkle Abschiedsgefühl in diesen oft nur von Lichtsprengseln beleuchteten Bildern beklemmend. Alles, was beginnt, endet auch und macht anderem Platz. Es gab nie und gibt keine Garantie für die Zukunft. Noch ist allerdings nicht aller Wikingertage Abend. Der ist noch mindestens eine (dritte) Staffel entfernt.

„Vikings: Valhalla“, zweite Staffel, acht Episoden, von Jeb Stuart, mit Frida Gustavsson, Sam Corlett, Leo Suter, Hayat Kamille, Laura Berlin, Jóhannes Haukur Jóhannesson, David Oakes, Bradley Freegard (ab 12. Januar bei Netflix)

Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken