Wie der totgeglaubte QR-Code sein Comeback feierte
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Ein Apotheker hält einen Impfpass und einen digitalen Impfnachweis in den Händen.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Hannover. Der QR-Code ist neuerdings eine Art Schlüssel zur Freiheit. Wer sich gegen Covid-19 impfen lässt, getestet oder genesen ist, kann neuerdings in der Warn-App oder der eigenständigen App CovPass ein Zertifikat hinterlegen. Dieses gilt dann überall dort als Nachweis, wo es ohne einen solchen nicht mehr weitergeht - etwa an Ländergrenzen oder an der Tür zur Diskothek.
Eingescannt wird ein solches Zertifikat - genau - mittels QR-Code. Eine fast schon totgeglaubte Erfindung, die mit der Corona-Pandemie ein Comeback feierte und spätestens jetzt mit dem Fortschritt der Impfungen zum wichtigen Türöffner wird.
Vor ein paar Jahren sah all das noch ganz anders aus. Nach einem kurzzeitigen Hype um den QR-Code mit dem Aufkommen der Smartphones gaben im Jahr 2019 bei einer Umfrage nur rund neun Prozent der befragten Deutschen an, jemals einen QR-Code genutzt zu haben. Im September 2020 waren es satte 72 Prozent. Welche Geschichte steckt hinter dem kleinen quadratischen Kästchen?
Ein Code aus der Autobranche
Erfunden wird der QR-Code im Jahre 1994 von Masahiro Hara und seinen Teammitgliedern Takayuki Nagaya, Motoaki Watabe, Tadao Nojiri und Yuji Uchiyama. Der Grund ist damals jedoch noch ein völlig anderer als heute. Das viereckige Strich-Kästchen soll dem Autobauer Toyota helfen, Baugruppen und Komponenten für die Logistik zu markieren.
Die Entwicklung übernimmt die Tochterfirma des Autobauers Denso Wave. Sie kreiert 2D-Codes, die aus einer Matrix mit schwarzen und weißen Quadraten bestehen. Die Abkürzung QR steht dabei für „Quick Response“.
Der Clou am QR-Code: In dem Viereck lassen sich rund 200-mal mehr Informationen speichern als in einem einfachen Strichcode, den man beispielsweise vom Einkaufen auf Produktverpackungen kennt. Der QR-Code funktioniert zudem dank eines fehlerkorrigierenden Codes auch dann noch, wenn das quadratische Kästchen beschädigt oder zerknittert ist. Auch bei einem Verlust von bis zu 30 Prozent des Codes kann der QR-Code noch ausgelesen werden. Ein weiterer Vorteil: Man kann ihn aus fast allen Richtungen einscannen und mit Worten oder Bildern umrahmen - die Dekodierung funktioniert trotzdem noch schnell und einwandfrei.
Lizenz- und kostenfrei
Die einzige technische Anforderung des QR-Codes: Er sollte möglichst kontrastreich gedruckt werden, bestenfalls in schwarz auf weiß. Pflicht ist das aber nicht. Auch farbig kann ein QR-Code unter bestimmten Voraussetzungen gedruckt und ausgelesen werden.
Doch obwohl der QR-Code im Gegensatz zu anderen Modellen viele Vorteile bringt, führt er zunächst jahrzehntelang ein Nischendasein in den Fabriken dieser Welt. Erst mit dem Aufkommen der Smartphones findet die „Quick Response“-Technologie ihren Weg zum Endverbraucher.
Anfang bis Mitte der 2010er Jahre erlebt der quadratische Code hierzulande einen kurzen Hype. Plötzlich nutzen immer mehr Unternehmen die Technik, um auf analogen Werbemitteln auf Zusatzangebote im Netz hinzuweisen. Plötzlich ist der QR-Code überall: In Zeitschriften, auf Werbeflyern, auf Tourbussen, an Plakatwänden. Der Vorteil des Systems: Es ist lizenz- und kostenfrei nutzbar.
Vom Hype zum Flopp
Um die Codes einzuscannen braucht der Smartphone-Nutzer zu dieser Zeit noch eine spezielle App, die aus dem App-Store heruntergeladen werden muss. Verschiedene Anbieter ringen um die Gunst der Nutzerin und des Nutzers. Inzwischen sind QR-Code-Scanner auch in den Kamera-Apps der Smarpthone-Hersteller fest integriert.
Doch der Hype wehrt nicht lang. Die versprochenen Zusatzangebote der Unternehmen sind oft enttäuschend und die Websites insbesondere zur Anfangszeit häufig nicht fürs Smartphone optimiert. Zudem gehen mit der Technik auch Betrugsversuche einher. 2013 beispielsweise warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor überklebten QR-Codes auf Plakatwänden, die den Anwender auf unseriöse Webseiten führen könnten.
Die Folge: Mit der Zeit werden die quadratischen Kästchen von immer mehr Nutzerinnen und Nutzern ignoriert. Und nach einem kurzen Hype verschwinden die Kästchen wieder spürbar aus der Öffentlichkeit.
In Asien bleibt der Boom
Ganz anders die Situation in Asien: In China beispielsweise setzt sich die Erfindung so sehr durch, dass hier ab Mitte der 2010er Jahre praktisch alles per QR-Code erledigt werden kann. Während hierzulande noch mit Bargeld oder EC-Karte gezahlt wird, reicht es in China aus, einen QR-Code mit dem Smartphone zu scannen und damit digital zu bezahlen.
Auch auf Papieren von Behörden oder Universitäten ist der QR-Code abgedruckt. Selbst Senioren sollen mit QR-Codes ausgestattet werden, falls sie mal verloren gehen, berichtet 2017 der Deutschlandfunk. In Japan sind QR-Codes sogar auf Grabsteinen angebracht. Scannt man sie ein, lässt sich Näheres über das Leben der Verstorbenen erfahren.
Und dann kommt die Corona-Krise. Während der Pandemie bekommt der Code in Asien eine noch essenziellere Aufgabe. Wer sich in Singapur beispielsweise frei bewegen will, muss zwangsläufig sein Smartphone mitnehmen und sich überall per QR-Code ein- und auschecken. Das gilt etwa für Bürogebäude, Restaurants und Shopping-Malls.
Totale Überwachung dank QR-Code
Auch in China bestimmt eine Gesundheits-App das Leben der Bürgerinnen und Bürger, wenn auch noch mal deutlich drastischer. Vor Supermärkten, Bars oder Krankenhäusern muss jeder einen QR-Code mit seinem Smartphone scannen, Zutritt bekommt nur, wer einen grünen Schriftzug auf dem Handy vorweisen kann. Dieser belegt, dass die Nutzerin oder der Nutzer nicht an Corona erkrankt ist und - ermittelt anhand der Bewegungsabläufe - auch nicht zur Risikogruppe gehört.
Die Krux: Wer sich dem System verweigert, bekommt auch keinen Zutritt. Das gilt beispielsweise auch für Seniorinnen und Senioren, die möglicherweise gar kein Smartphone besitzen. Wer keinen grünen QR-Code vorweisen kann, bekommt beispielsweise nicht einmal ein Zugticket.
Doch die digitale Überwachung hat in China noch ganz andere Dimensionen. Längst befürchten Kritikerinnen und Kritiker, dass der QR-Code auch nach der Pandemie zum Dauerzustand werden könnte. In Hangzhou südlich von Shanghai kündigte die Lokalregierung im vergangenen Jahr vor, künftig jeder Bürgerin und jedem Bürger eine Ampel-Farbe zuzuweisen und zusätzlich mit Hilfe einer Punktzahl von 0 bis 100 den Gesundheitszustand messbar zu machen. Ausschlaggebend für die Punktzahl: Persönliche Daten über den Lebensstil wie etwa Alkoholkonsum, Rauchverhalten und das Bewegungsniveau.
Auch Europa lernt von Asien
In Europa sind derartige Schritte nicht denkbar - doch von Asien gelernt hat man in der Corona-Krise dennoch. Die von der neXenio GmbH entwickelte Luca-App beispielsweise arbeitet mit einem QR-Code. Wer etwa ein Restaurant oder ein privates Treffen besucht, checkt mit dem Code ein.
Sollte ein Besucher positiv auf Covid-19 getestet werden, kann er seine Informationen aus dem Kontakttagebuch an das Gesundheitsamt übermitteln. All das geschieht datenschutzkonform: Die Daten werden verschlüsselt auf dem Gerät des Nutzers gespeichert und werden erst in dem Moment an das Gesundheitsamt übertragen, wenn die Nutzerin oder der Nutzer die Freigabe dafür erteilt.
Auch die offizielle Corona-Warn-App des Bundes hat inzwischen eine solche Check-In-Funktion. Scannt man am Eingang eines Restaurants oder eines privaten Treffens den QR-Code, kann die App eine anonyme Teilnehmerliste erstellen. Dadurch kann die App genauere Risikobewertungen erstellen. Anders als bei der Luca-App werden die Daten jedoch nicht an die Gesundheitsämter weitergegeben.
Eintrittskarte zur Normalität
Doch nicht nur zur Kontaktverfolgung dient der QR-Code. Auch negative Corona-Tests beispielsweise können mit Hilfe des Codes nachgeweisen und in der Corona-Warn-App hinterlegt werden.
Seit dem 1. Juli gilt innerhalb der EU zudem der digitale Impfpass. Wer diesen - etwa mittels CovPass-App - nachweisen kann, ist in der gesamten EU von Quarantäne- und Testpflichten befreit. Damit wird die App mit Hilfe des QR-Codes tatsächlich zu einer echten Eintrittskarte in die Normalität.
Pflicht sind Apps und quadratische Kästchen hierzulande - anders als in vielen asiatischen Ländern - aber auch weiterhin nicht. Wer dem QR-Code trotz seines raketenhaften Aufstiegs noch immer nichts abgewinnen kann, der kann auch weiterhin sein altes, gelbes, analoges Impfheft aus Papier benutzen.