Leiche lag 18 Monate in Wohnung: Das hat auch Tatortreiniger Thomas Kundt noch nicht erlebt
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Dass eine Leiche eineinhalb Jahre in einer Wohnung nicht entdeckt wurde, hat auch Tatortreiniger Thomas Kundt – hier in einer anderen Wohnung – noch nicht erlebt. (Archivbild)
© Quelle: Wolfgang Sens
Chemnitz. „Ihr könnt euch glücklich schätzen, dass ihr keinen Geruch übers Handy empfangen könnt“, sagt Thomas Kundt in einem Instagram-Video. „Wir haben hier extrem starken Leichengeruch, der Verstorbene lag anderthalb Jahre.“
Was Kundt hier sagt, ist keine Übertreibung. In einer Chemnitzer Wohnung wurde die Leiche eines Mannes ganze 18 Monate lang nicht entdeckt. Und Kundt musste die Wohnung dann sauber machen. Denn der Mittvierziger ist von Beruf Tatortreiniger und hat mittlerweile über seinen besonderen Job auch schon einen Bestseller geschrieben und spricht darüber in seinem eigenen Comedy-Programm auf den Bühnen Deutschlands sowie in seinem eigenen Podcast.
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„Leichengeruch vergisst man nie wieder“: Was ein echter Tatortreiniger bei der Arbeit erlebt
Der Beruf des Tatortreinigers ist durch Serien und Podcasts von gewisser Faszination geprägt. Doch was erlebt ein Tatortreiniger wirklich auf der Arbeit? Über ein Leben mit dem Tod, Leichengeruch und Geschichten, die man eigentlich nur nachts einem Fremden erzählen kann.
„Das längste was ich bisher hatte war ein Jahr“
Doch dass eine Leiche in einer Wohnung so lange unentdeckt blieb, das hat auch er noch nicht erlebt. „Das längste, was ich bisher hatte, war ein Jahr“, sagt Kundt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist ein Rekord.“ Und zwar ein trauriger. „Der Mann ist wohl sehr einsam gestorben.“
Kundt betont aber auch: „Beim Beruf Tatortreiniger denken viele an die Serie und an Mord und Totschlag. Aber bei mehr als 60 Prozent der Fälle geht es um Tote mit längeren Liegezeiten.“ Konkret: „Es kommt immer häufiger vor, dass Leichen erst nach Wochen oder Monaten entdeckt werden.“ Dabei können diese auch eines natürlichen Todes gestorben und müssen nicht umgebracht worden sein.
Nicht mehr viel zu erkennen vom Toten aus Chemnitz
Von Latislav B., dem Toten aus der Wohnung in Chemnitz, war laut Kundt nicht mehr viel zu erkennen. „Es kann auch sein, dass schon nach einem halben Jahr nichts mehr vom Menschen übrig ist“, erklärt er. „Da sind dann nur noch das Skelett und ein bisschen Biomasse da.“ Das komme ganz auf die Bedingungen wie etwa die Temperatur an. Umso wärmer es sei, umso schneller zersetzten Bakterien und Insekten in der Regel den Körper. Keine schöne Vorstellung, aber für Kundt Alltag.
Er erzählt, dass man manchmal bei Menschen, die im hohen Alter sterben, das sogar schon zwei bis drei Tage vor dem Tod riechen könne. „So war es bei meiner Oma, da habe ich schon zwei Tage vor dem Tod den Leichengeruch wahrgenommen“, sagt er. „Viele Altenpfleger, die zu meinen Shows kommen, bestätigen mir diese Erfahrung.“
Warum roch keiner den Tod?
Warum aber hat dann in Chemnitz keiner der Nachbarn in dem Mehrfamilienhaus etwas gemerkt – wo es doch einen „extrem starken Leichengeruch“ gab, wie Kundt selbst sagt? Erst als ein junges Paar ins Nachbarhaus zog und sich wunderte, dass ein beladener Wäscheständer auf dem Balkon immer schmutziger wurde, wurde die Polizei informiert. Und nach dem Leichenfund dann auch der Tatortreiniger.
„Nachdem wir einmal die Tür geöffnet haben, kommt der Leichengeruch natürlich raus und die Leute nehmen ihn wahr“, sagt er. Doch vorher könne es gerade bei Neubauten mit Abluftsystemen und guter Isolierung so sein, dass nichts vom Gestank heraustrete. Zudem weist der Tatortreiniger darauf hin: „Viele kennen den Leichengeruch nicht, dann nehmen sie einen komischen Geruch wahr, den sie nicht zuordnen können, und vergessen es wieder.“ Habe man aber einmal den typisch süßlichen Geruch des Todes gerochen, könne man ihn nicht vergessen, ist er sich sicher.
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Niemand hat Latislav B. vermisst
Doch offenbar hat auch niemand Latislav B. vermisst. „Wir haben ein paar Briefe in der Wohnung gefunden, aber keinen Bezug auf Verwandtschaft“, sagt der Tatortreiniger. Auch keine Fotos seien dagewesen, die Miete sei normal weiter vom Konto abgegangen, der Briefkasten nicht übergelaufen - etwas, das sonst ein Indiz sein könne.
Ob solche Leichenfunde Kundt wegen der offensichtlichen Einsamkeit, in der die Toten gelebt haben müssen, noch schockieren? „So schlimm es klingt, für uns sind solche Fälle Tagesgeschäft“, sagt er. Dennoch aber mache das natürlich etwas mit ihm. „Solche Fälle, wo jemand erst nach einem Jahr entdeckt wird, ploppen oft zur Weihnachtszeit auf“, erzählt er. „Das ist die Zeit, in der manche Verwandte dann einen Alibi-Anruf starten oder eine Karte schicken und plötzlich merken, dass keine Antwort kommt oder der Brief zurückkommt.“
Das finde ich erschreckend, dass manche Menschen erst nach einem Jahr Kontakt zu ihren Verwandten suchen. Durch diese Erkenntnis ist das Leben für mich auch nochmal besonders geworden.
Tatortreiniger Thomas Kundt
So wenig Angst und Ekel Kundt auch vor toten Menschen hat: „Das finde ich erschreckend, dass manche Menschen erst nach einem Jahr Kontakt zu ihren Verwandten suchen. Durch diese Erkenntnis ist das Leben für mich auch nochmal besonders geworden.“ Inwiefern? „Es zeigt mir einfach, dass Freunde und Familie und die gemeinsamen schönen Momente das wichtigste im Leben sind.“ Zu dem Thema hat Kundt vor einigen Monaten auch einen Song mit dem Rapper PTK aufgenommen. Er heißt „Unsichtbar“ – so wie viele der Menschen es sind, deren Wohnung Kundt reinigt, nachdem sie längere Zeit tot dort lagen, ohne dass es jemand merkte.
Bekommt man den Geruch je wieder aus der Wohnung?
Hat man den Verdacht, dass jemand gestorben sein könnte, rät Kundt neben dem Blick auf den Briefkasten auch den etwa auf die Fenster von außen. Liege drinnen eine Leiche, seien dort in der Regel viele Fliegen unterwegs.
Doch kriegt man die Insekten, den Geruch, die Körperflüssigkeiten nach einem Jahr oder gar 18 Monaten jemals wieder aus der Wohnung raus? „Ja“, sagt der Tatortreiniger – nicht allein als Privatperson, aber mithilfe eines Tatortreinigers schon. Denn das alleinige Entfernen der Insekten und Körperflüssigkeiten reiche nicht, die Bakterien seien überall. „Wir vernebeln am Ende die ganze Wohnung mit einem ganz feinen Nebel, der alle Bakterien, Pilze und Spuren entfernt“, erzählt er. Manchmal müssten auch Boden und Tapete ganz neu gemacht werden, besonders letzteres sei häufiger der Fall. „Denn Papier nimmt den Leichengeruch besonders stark auf.“