Das Jahr des Weins

Ein Jahrhundertjahrgang? Der Rekordsommer 2018 machte der Landwirtschaft und auch den WInzern zu schaffen – doch die Mühen scheinen sich gelohnt zu haben.

Ein Jahrhundertjahrgang? Der Rekordsommer 2018 machte der Landwirtschaft und auch den WInzern zu schaffen – doch die Mühen scheinen sich gelohnt zu haben.

Deidesheim. Da liegt er, der Jahrgang 2018. Im kühlen Kellergewölbe des Pfälzer Weingutes Bassermann-Jordan. Gärt noch in Holzfässern und Edelstahltanks vor sich hin, bevor er auf Flaschen gezogen wird und das „Weinmuseum“ ergänzt. Unzählige Jahrgänge sind hier unten eingelagert, vom ältesten sind noch zehn Flaschen übrig: Die Bouteillen aus dem Jahr 1811 liegen im Halbdunkel, mit dünner Staubschicht überzogen – ist das nur nostalgische Deko? Oder noch trinkbarer Wein?

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Die Augen von Kellermeister Ulrich Mell leuchten, denn erst kürzlich wurde eine Flasche verkostet. „Er war bernsteinfarben, duftete nach Waldboden, schmeckte nach Nüssen. Ohne viel Technik war man damals in der Lage, große Weine zu erzeugen. Es zeigt eben, dass am Ende die Qualität im Weinberg entsteht.“

Wobei das ein bisschen gelogen ist. Ein paar Monate zuvor stand der Mann nämlich noch mit wettergegerbtem Gesicht und Dreitagebart zwischen den Rebzeilen. Er zerschnitt Trauben aus verschiedenen Parzellen, probierte das Fruchtfleisch, begutachtete die Beerenhaut, biss auf die Kerne, um über die Bitterstoffe auf die Reife zu schließen.

„Herausragend werden vor allem die Rotweine“: Kellermeister Ulrich Mell vom Weingut Bassermann-Jordan.

„Herausragend werden vor allem die Rotweine“: Kellermeister Ulrich Mell vom Weingut Bassermann-Jordan.

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Sich für einen Lesezeitpunkt zu entscheiden, fällt Mell nie leicht, obwohl er bereits 40 Jahrgänge begleitet hat. Manchmal wird ein Entschluss nach nächtlicher Unruhe auch nochmals verworfen. Manche Berge werden dann geerntet, manche nicht, manche gestaffelt, manchmal werden sogar nur vereinzelte Trauben von einem Rebstock gelesen. „Ernte ich zu früh, werden die Weine dünn und unharmonisch, ernte ich zu spät, werden sie füllig und alkoholkonzentriert.“

Unabhängig von der Traubenreife haben auch Wetterumschwünge maßgeblichen Einfluss auf den Lesezeitpunkt. Bei einer Regenperiode im Herbst besteht die Gefahr, dass die ohnehin prallen Beeren noch Wasser aufnehmen, platzen und faulen. Die Trauben müssen dann schnellstmöglich eingeholt werden.

Zumindest diesbezüglich war das Jahr 2018 ein Segen. Die Blüte begann am 22. Mai, rund einen Monat früher als im Durchschnitt. Mit der Lese der Sektgrundweine wurde bereits Anfang August begonnen, so früh wie noch nie. Aufgrund des konstant guten Wetters zog sich die Lese dann bis weit in den Herbst. Die Beeren waren durchweg gesund. „Wir hatten aufgrund der Trockenheit angenommen, die Erträge würden niedrig ausfallen, aber das genaue Gegenteil war der Fall: Unsere Keller sind voll.“

Warme Nächte reduzieren die Säure in den Beeren

Ein leichtes Jahr war es trotzdem nicht. Im Gegenteil, es stellte hohe Anforderungen an die deutschen Winzer. Mit der Weinlese wurde oft früh morgens begonnen, um die Trauben weitestgehend kühl in den Keller zu bekommen, um die Gärung hinauszuzögern.

Wegen der Hitze reiften die Trauben obendrein nur langsam heran, was normalerweise für eine interessante Aromaausbildung sorgt, aber das Säuregleichgewicht stört. Vor allem in warmen Nächten reduziert sich die Säure in den Beeren.

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Dem Most wurde deswegen in diesem Jahr punktuell Weinsäure zugesetzt, um ein gutes Milieu für Hefen und ein schlechtes für Mikroorganismen und Bakterien zu schaffen, so auch bei Bassermann-Jordan. „Das muss sein, damit der Wein sauber und klar wird.“

Die Reben litten unter Trockenstress

In der Pfalz, die ohnehin als das trockenste Anbaugebiet Deutschlands gilt, litten die Reben auch teilweise unter Trockenstress. Alte Rebstöcke, die tief wurzeln, holen sich die Feuchtigkeit zwar aus tieferen Gesteinsschichten, dringen je nach Bodentyp auch durch unterschiedliche Gesteinsschichten, wodurch der Wein später durchaus eine komplexere Struktur erhält, aber junge Reben, vor allem auf durchlässigen Sand- oder Kiesböden, gehen schnell ein. „Diese Areale mussten wir bewässern. Pro Hektar stehen bei uns bis zu 5000 Rebstöcke, wir sprechen in diesem Fall von 100 000 Litern Wasser pro Areal, die wir ausbrachten. Zwei Leute waren drei Wochen allein dafür im Einsatz.“

Ein großes Jahr für Rotweine und junge, frische Weißweine: Ein Erntehelfer schneidet Weintrauben von den Rebstöcken.

Ein großes Jahr für Rotweine und junge, frische Weißweine: Ein Erntehelfer schneidet Weintrauben von den Rebstöcken.

Ganz Ähnliches ist aus Rheinhessen oder Franken zu hören. Paul Fürst vom Weingut Rudolf Fürst erzählt, dass die Erfahrungen aus dem Hitzejahr 2003 geholfen hätten, den Jahrgang 2018 zu begleiten. Junge Reben wurden entlastet, indem Trauben herausgeschnitten wurden.

Mit der Lese wurde früh begonnen, um dem hohen Alkoholgehalt entgegenzuwirken. Die Weißweine lägen jetzt bei 12 bis 13, die Rotweine zwischen 12,5 und 13,5 Volumenprozent. „Das ist perfekt. Wir bauen auch zwei Drittel Burgunder an, für diese Rebsorten war es ideal.“ Ein Jahrhundertwein? „Ich benutze den Ausdruck nicht“, sagt der Winzer lachend, „aber wir haben ein großes Jahr im Keller.“

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„Es war ein verrücktes Jahr, aber der Wein wird spannend“

Auch bezüglich des Rheingauer Rieslings ist man optimistisch. Die Weine gärten zwar teilweise noch, aber die Kostproben seien schön strukturiert und nicht zu hoch im Alkohol. „Sie haben gutes Potenzial, ich war sehr positiv überrascht“, erklärt Monika Christmann, Leiterin des Institus für Oenologie der Hochschule Geisenheim.

Gut gestimmt zieht auch Ulrich Mell Bilanz: „Bei der Qualität sehe ich einen Unterschied zwischen Weinen von jungen Weinbergen, die toll werden, aber wahrscheinlich frisch und schnell getrunken werden müssen, und Weinen von alten Anlagen, die langlebig sind und ganz herausragend werden, vor allem die Rotweine“, sagt der Mann und dann leuchten sie erneut, seine Augen: „Es war ein verrücktes Jahr, aber der Wein wird spannend.“

Von Hannes Finkbeiner

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