Die tödliche Jagd nach dem Schnee

In St. Anton suchen Menschen verzweifelt nach einem Lawinenabgang nach Verschütteten.

In St. Anton suchen Menschen verzweifelt nach einem Lawinenabgang nach Verschütteten.

Hannover/Ischgl. Es hatte gerade Neuschnee gegeben, als die 45-Jährige gemeinsam mit ihrer elfjährigen Tochter und ihrem Ehemann am 3. Januar zu einer Tour im Skigebiet Haideralm in Südtirol aufbrach. Für die gesamte Region war erhöhte Lawinengefahr ausgegeben worden. Der Wind war böig, die Sicht schlecht. Auf 2100 Metern passierte es dann: Die Gruppe, die laut dem Einsatzleiter der Bergrettung immer wieder abseits der ausgewiesenen Pisten unterwegs war, löste eine verhängnisvolle Lawine aus. Die Schneemassen begruben die junge Frau und das Mädchen unter sich. Über eine Stunde musste der Vater warten, bis die Retter die Leiche seiner Tochter und seine schwer verletzte Ehefrau geborgen hatten. Nur wenige Stunden später starb auch die 45-Jährige.

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Nach dem Einsatz sagte ein Mitglied der Tiroler Bergrettung gegenüber der Südtiroler "Tageszeitung Online": "Sie hätten die Pisten nie verlassen dürfen." Denn die Lawinengefahr in den Alpen ist so groß wie selten. Seit Anfang der Woche herrscht für viele Regionen Warnstufe vier von fünf, bestätigt Peter Veider, Geschäftsführer der Bergrettung. Im Aostatal wurde am Dienstag sogar Warnstufe fünf verhängt. Aus Sicherheitsgründen wurde bereits am Montag die einzige Straße zwischen den Orten Breuil-Cervinia und Valtournenche im Norden der Region geschlossen. Aus dem etwas südlicher gelegenen Champoluc sollten noch am Montag um die 100 Personen in Sicherheit gebracht werden, darunter 70 Touristen. Im Schweizer Wintersportort Zermatt sitzen derzeit 13 000 Touristen fest, weil die Zufahrtsstraßen wegen akuter Lawinengefahr gesperrt wurden.

Auch in Südtirol blieb die Lawinengefahr weiter bestehen: Für Dienstag wurde Stufe drei, in den östlichen Dolomiten sogar Stufe vier verhängt. "Es ist überall wieder mit spontaner Lawinenaktivität zu rechnen", hieß es im Lagebericht.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigt die Häufung der tödlichen Unfälle allein in der ersten Neujahrswoche: Nur einen Tag nachdem die junge Mutter mit ihrer Tochter verunglückte, wurde ein Tscheche unter einer Lawine bei Ischgl begraben. Auch er konnte nur noch tot geborgen werden. Wieder einen Tag später kehrten zwei junge Männer aus Bayern (25, 26) nicht mehr vom Großglockner zurück. Die beiden waren anders als die Familie aus Baden-Württemberg geübte Tourengeher und mit Lawinensuchgeräten, Sonde und Schaufel ausgerüstet, berichtet Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Sie waren auf alles vorbereitet. Doch das Restrisiko schlug dennoch zu. Gegen Mittag löste sich plötzlich auf einem steilen Hang ein Schneebrett und verschüttete die beiden Skifahrer. Ihr Freund wartete an diesem Tag vergeblich an der Talstation in Karls auf sie.

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Das Bild zeigt wie Rettungskräfte, die nach dem 25 Jahre alten verschütteten Bergsteiger am Großglockner suche.

Das Bild zeigt wie Rettungskräfte, die nach dem 25 Jahre alten verschütteten Bergsteiger am Großglockner suche.

Große Mengen Neuschnee inklusive Regen, dazu starke Winde und Fön sorgen für die derzeit gefährliche Lage. „Doch mehr als die Pisten zu sperren, können Kommunen und Betreiber nicht machen“, sagt Bergretter Veider – „dann muss die Vernunft walten.“ Aber Abenteuerlust und Selbstüberschätzung stehen dieser oft im Weg, weiß der erfahrene Bergretter, der mit seinem Team im Schnitt 2000 Einsätze jährlich fliegt.

Harald Kunstmann, Klimaforscher aus Garmisch, prognostiziert, dass sich derartige Unglücke wie in der ersten Neujahrswoche künftig sogar noch häufen werden. Denn auch wenn sich aus einem Lawinenwinter noch kein langfristiger Trend ablesen lasse, so zeigen Kunstmanns Klimaberechnungen deutlich, dass die Temperaturkurve in den Alpen schneller als anderswo steigt. Gleichzeitig nehmen die Niederschläge zu. Bis zum Ende des Jahrhunderts sei mit einer Zunahme dieser Winterniederschläge in den Alpen um bis zu 20 Prozent zu rechnen. In Regionen unterhalb von 2000 Metern vor allem in Form von Regen. „Für eine feste Schneedecke braucht man aber kalte Temperaturen“, sagt Kunstmann.

Um Schneesicherheit zu haben, müsse man in Zukunft in größere Höhen gehen. „Das wird den gesamten Skizirkus betreffen“, sagt der Experte. Und je höher, desto gefährlicher wird es.

Von Nora Lysk / RND

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