Klimawandel und Bevölkerungswachstum

Krieg um Wasser: Wenn jeder Tropfen zum Konfliktgrund wird

Die Übersicht zeigt den Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm. Der künftig größte Staudamm Afrikas sorgt seit Jahren für Streit zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan. Die Länder haben nun eine große Hürde überwunden: Der Stausee ist gefüllt. Doch das Problem ist längst nicht gelöst. Denn Wasser wird weltweit künftig immer knapper werden – und Spannungen um Wasserressourcen wie den Nil werden steigen.

Die Übersicht zeigt den Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm. Der künftig größte Staudamm Afrikas sorgt seit Jahren für Streit zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan. Die Länder haben nun eine große Hürde überwunden: Der Stausee ist gefüllt. Doch das Problem ist längst nicht gelöst. Denn Wasser wird weltweit künftig immer knapper werden – und Spannungen um Wasserressourcen wie den Nil werden steigen.

„Kriege der Zukunft werden um Wasser geführt“, sagte 1985 ein ägyptischer Diplomat voraus, der später UN-Generalsekretär wurde. Jener Boutros Boutros-Ghali, dessen Warnung vor allem auf die Nahostregion zielte, sollte nicht recht behalten. Bis heute gibt es keinen einzigen „Krieg um Wasser“ – aber zahlreiche Konflikte, bei denen der Kampf ums Wasser eine zentrale Rolle spielt.

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Kriege der Zukunft werden um Wasser geführt.

Boutros Boutros-Ghali,

1985, späterer UN-Generalsekretär

Nur knapp 3 Prozent des gesamten Wassers der Erde ist Süßwasser. Weil das meiste davon in Gletschern gebunden ist, sind nur 0,3 Prozent des gesamten Wassers für uns Menschen nutzbar. Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein Privileg und in vielen Regionen der Welt nicht selbstverständlich.

Projekt für sauberes Trinkwasser in Tunesien gestartet
Wenn plötzlich kein Trinkwasser mehr da ist, wird der Alltag beschwerlich. In den Ortsteilen der Stadt Havelsee beschränkt sich die Unterbrechung auf die Nacht vom 15. zum 16. März.

Ein Generator mit dem Namen „Kumulus“ gewinnt Wasser aus der Luftfeuchtigkeit. Ein Startup hat ein erstes Gerät in einer Schule im Norden Tunesiens aufgestellt.

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Etwa drei Milliarden Menschen leben in Gebieten mit Wassermangel. Durch starkes Bevölkerungswachstum vor allem in Ländern des Südens und durch den Klimawandel werden die Wasserressourcen in manchen Gebieten immer knapper. Kein Wunder also, dass Regionen, wo der Verteilungskampf um Wasser ein enormes Konfliktpotenzial birgt, im Süden liegen. Fünf Beispiele mit hohem Konfliktpotenzial:

Kräftemessen am Nil

Mit dem unschuldigen Namen GERD, was für Grand Ethiopian Renaissance Dam steht, nahm das aufstrebende afrikanische Schwellenland Äthiopien Ende Februar 2022 die Stromproduktion am größten Wasserkraftwerk Afrikas auf. Bis zu 5000 Megawatt Strom sollen künftig aus Wasserkraft erzeugt werden. Schätzungsweise 4,2 Milliarden Dollar hat der 145 Meter hohe Staudamm der Superlative am oberen Nilverlauf gekostet. Doch im Sudan und in Ägypten sind die Sorgen groß, dass sie dadurch nicht mehr ausreichend Wasser vom Nil bekommen könnten.

Vor allem Ägypten könnte ohne den Nil, mit knapp 6700 Kilometern der längste Fluss der Erde, nicht existieren. Das Land entnimmt 97 Prozent seines Wassers aus dem großen Strom. Das gesamte Leben Ägyptens spielt sich an den Ufern des Nils ab. „Wer mit dem Nilwasser spielt, erklärt uns den Krieg!“, sagte einst der ägyptische Präsident und Friedensnobelpreisträger Anwar-el-Sadat. Das äthiopische Megaprojekt und das Unvermögen der Beteiligten, sich zu einigen, brachten die Region an den Rand eines Krieges, sodass sich im vergangenen Sommer gar der UN-Sicherheitsrat um eine Vermittlung bemühte.

Orthodoxe Pilger bei einer Taufzeremonie am Fluss Jordan. Das begehrte Wasser des Flusses, der im Golan entspringt, sorgt regelmäßig für Spannungen zwischen Israel und seinen Nachbarn.

Orthodoxe Pilger bei einer Taufzeremonie am Fluss Jordan. Das begehrte Wasser des Flusses, der im Golan entspringt, sorgt regelmäßig für Spannungen zwischen Israel und seinen Nachbarn.

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Spannungen am Jordan

Der Nahe Osten ist eine der regenärmsten Regionen der Welt. So ist es nicht verwunderlich, dass der nur gut 250 Kilometer lange Jordan eine zentrale Bedeutung für die Wasserversorgung Israels, Syriens, Jordaniens und der Palästinensergebiete hat. In diesen Ländern müssen mehr Menschen mit Wasser versorgt werden, als der kleine Fluss hergibt.

Als Israel 1967 im Sechs-Tage-Krieg die syrischen Golanhöhen und das Westjordanland besetzte, ging es auch um die Wasserversorgung des noch jungen Staates, denn in den besetzten Regionen befinden sich die drei Hauptquellen und die wichtigsten Zuflüsse des Jordans. Seitdem werden etwa 90 Prozent des Jordanwassers nach Israel geleitet, vor allem für die exportträchtige Landwirtschaft. Die übrigen Anrainer müssen sich mit dem Rest begnügen. Jordanien benötigt vor allem das Wasser aus dem See Genezareth, durch den der Jordan fließt. Ein 1994 abgeschlossener Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien regelt im Prinzip die Wasserentnahme.

Erdogans Wassermacht

Die Türkei hat in den letzten Jahren Fakten geschaffen, indem sie den Oberlauf des Tigris mit Dämmen verbaut hat. Allein mit dem GAP-Staudammprojekt (türkisch Güneydoğu Anadolu Projes) hat die Erdogan-Regierung die Kontrolle der Pegel von Euphrat und Tigris in den Nachbarstaaten Irak und Syrien erreicht. Trotz anderweitiger Behauptungen reduziert der türkische Staat die Wassermenge immer weiter und die Auswirkungen für die Region werden immer gravierender.

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Allein 70 Prozent des in Syrien gebrauchten Wassers stammen von Quellen in anderen Staaten. Im Vergleich zum Vorjahr seien die Flusspegel 2022 um 60 Prozent gesunken, sagt Mahdi Rasheed, Minister für Wasserressourcen, der Nachrichtenagentur AP. Diese Situation betrifft nicht nur die Trinkwasserversorgung, sondern auch Landwirtschaft und Stromerzeugung.

Rostige Schiffe liegen im Sand der früheren Hafenstadt, aus der sich das Wasser schon vor Jahrzehnten zurückgezogen hat. Die Salz- und Sandwüste Aralkum wächst weiter. Die Region gilt als die größte ökologische Katastrophe der Erde.

Rostige Schiffe liegen im Sand der früheren Hafenstadt, aus der sich das Wasser schon vor Jahrzehnten zurückgezogen hat. Die Salz- und Sandwüste Aralkum wächst weiter. Die Region gilt als die größte ökologische Katastrophe der Erde.

Zentralasien und das trockene Erbe der Sowjets

Als tadschikische Beamte im April 2021 eine Videokamera in der Nähe einer Wasserverteilerstation installieren wollten, wehrten sich kirgisische Bürgerinnen und Bürger dagegen. Sie warfen zunächst mit Steinen, wie Medien berichteten. Dann verstärkten beide Seiten ihre Grenztruppen, die schließlich aufeinander schossen. Mehr als 50 Menschen sollen dabei im Ferganatal getötet worden sein.

Die Wasserverteilstelle liegt auf von Kirgistan kontrolliertem Gebiet an einem Kanalausgang, der einen Stausee in der Region Batken befüllt. Für die Menschen dort ist dies der wichtigste Zugang zu Trinkwasser. Tadschikistan erhebt unter Berufung auf ältere Karten Anspruch auf das Gebiet. Heute ist die Lage in der Grenzregion zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken trotz Deeskalationsbemühungen weiter gespannt, teilten die Behörden beider Länder mit. Zentralasien gehört zu den Weltregionen, in der gewaltsame Auseinandersetzungen, womöglich sogar Kriege um Wasser am deutlichsten drohen. Denn mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zerfiel ein fragiles, künstlich herbeigeführtes Verteilungssystem zwischen den Teilrepubliken.

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Ein Blick auf die Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zeigt, wie schwierig das Thema Wasserversorgung in Zentralasien ist: Kasachstan ist zu 41 Prozent von Wasser aus dem Ausland abhängig, Usbekistan zu 80 Prozent und der Wüstenstaat Turkmenistan sogar zu 97 Prozent. Laut einer Studie von 2015 rechnen Schweizer Forschende damit, dass sich die Wasserreserven schon innerhalb der nächsten 30 Jahren so weit verringert haben werden, dass große Landflächen in der Region einfach vertrocknen und zu Wüsten werden.

Ein Vogel ruht sich während des Sonnenuntergangs auf einer Holzstange am Dal-See in der Region Kaschmir aus. Doch so friedlich, wie dieses Bild scheint, war es in dieser zwischen Indien und Pakistan umkämpften Provinz in Wahrheit nie. Und es geht auch um Wasser.

Ein Vogel ruht sich während des Sonnenuntergangs auf einer Holzstange am Dal-See in der Region Kaschmir aus. Doch so friedlich, wie dieses Bild scheint, war es in dieser zwischen Indien und Pakistan umkämpften Provinz in Wahrheit nie. Und es geht auch um Wasser.

Kampf um Asiens „Wasserturm“

Die Wasserkrise in Kaschmir ist ein permanenter Streit zwischen Indien und Pakistan über die Nutzung von drei Flüssen – dem Indus, dem Chenab und dem Jhelum. Der schwelende Konflikt – seit mehr als sechs Jahrzehnten ein Brennpunkt zwischen den beiden Atommächten – ist stark mit der Wassersicherheit verflochten.

Beide Länder beanspruchen die gesamte Region, kontrollieren aber jeweils nur einen Teil davon. „Jedes Land mit Atomwaffen, wenn es in eine Ecke gedrängt wird, weil es kein Wasser hat – das ist wirklich gefährlich“, sagte Jeff Nesbit, Autor und Geschäftsführer der gemeinnützigen Klimakommunikationsorganisation Climate Nexus der Deutschen Welle.

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In einem Bericht des Internationalen Währungsfonds aus dem Jahr 2018 wurde Pakistan unter den Ländern mit schwerer Wasserknappheit an dritter Stelle eingestuft. In Wahrheit ist eine ganze Region betroffen: Die Hindukusch-Himalaya-Region gilt als „Wasserturm“ Asiens, acht Länder sind von diesem Wasser abhängig: Afghanistan, Pakistan, Indien, Nepal, Bhutan, Bangladesch, Myanmar und China.

„Es wird keinen Krieg geben, der alleine das Ziel hat, die Wasserressourcen zu verteilen“, sagt Martina Klimes, Beraterin für Wasser und Frieden am Internationalen Wasser Institut Stockholm, in der „taz“. „Aber was wir sehen, sind zunehmende politische Spannungen. Ich würde sagen, dass einige Konflikte, die als Wasserkonflikt wahrgenommen werden, auch Konflikte um Territorien sind.“

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