Erneut Straftäter wegen Platzmangel im Maßregelvollzug entlassen
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Die Fenster einer Strafvollzugsanstalt.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Berlin. In Berlin ist erneut ein verurteilter Straftäter wegen Platzmangels im Maßregelvollzug aus der Haft entlassen worden. Das gab Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Dienstag bekannt. Der wegen Drogenhandels zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte Mann kam demnach am 10. Februar frei. Erst wenige Tage zuvor war ein Clan-Mitglied, das wegen eines Geldtransporter-Überfalls verurteilt worden war, aus demselben Grund vorzeitig entlassen worden.
Es drohen weitere derartige Fälle: Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft warten derzeit 16 verurteilte Männer darauf, in den Maßregelvollzug zu kommen. Zuvor hatte der „Tagesspiegel“ berichtet.
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Steht in der Kritik: Lena Kreck (Die Linke), Berliner Senatorin für Justiz.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archiv
Kreck sieht angesichts der „Missstände“ dringend Handlungsbedarf. Da der Maßregelvollzug der Senatsgesundheitsverwaltung untersteht, soll nun gemeinsam an einer Lösung für die seit Monaten angespannte Situation gefunden werden. Sie stehe im „produktiven Austausch“ mit Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne), sagte sie. In der kommenden Woche solle ein Fahrplan für das weitere Vorgehen vereinbart werden, sagte ein Sprecher Gotes. Um das über viele Jahre entstandene Problem zu lösen, brauche es eine „gemeinsame Kraftanstrengung“.
In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Bei längeren Freiheitsstrafen kann die Haft dabei aufgeteilt werden: Zunächst wird ein Teil im Gefängnis abgesessen, dann folgt die Maßregel. Danach wird entschieden, ob der Verurteilte die Reststrafe weiter absitzen muss oder vorzeitig auf Bewährung entlassen werden kann.
Zeit im Gefängnis war beendet
Im Fall des 2021 zu sieben Jahren Haft verurteilten Clan-Mitglieds war die Zeit im Gefängnis beendet und der Verurteilte sollte in den Maßregelvollzug kommen. Dort waren allerdings keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden - der Mann kam vorzeitig frei. Da bis Mitte Januar 2023 eine Aufnahme in den Maßregelvollzug nicht absehbar war, habe man den Mann nicht länger in Haft halten können, so die Staatsanwaltschaft, die für die Strafvollstreckung zuständig ist. Die restliche Strafe des Verurteilten verfalle durch die Freilassung aber nicht, hieß es. Er werde zu gegebener Zeit wieder vorgeladen.
Auch von den 16 Gefangenen, die derzeit auf eine Überführung in den Maßregelvollzug warten, sitzen einige schon seit Monaten in regulärer Haft und sie haben deshalb bald Anspruch auf Freilassung.
Die Ärztekammer Berlin hatte im Januar „unhaltbare Zustände“ im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Berlin kritisiert. Laut Gesundheitsverwaltung ist die Einrichtung derzeit mit rund 600 (Stand: 6. Februar) Patientinnen und Patienten „deutlich überbelegt“. Genehmigt sind nur 541 Betten.
Viele Fragen der Finanzierung, Räumlichkeiten und Immobilien sowie der Personalausstattung hängen miteinander zusammen und sind nicht allein durch die Gesundheitsverwaltung zu beantworten.
Sprecher der Berliner Gesundheitssenatorin
Gesundheitssenatorin Gote habe Ende November 2022 „die teils unhaltbare und seit Jahren bekannte Situation“ dargestellt, erklärte ihr Sprecher am Dienstag. „Viele Fragen der Finanzierung, Räumlichkeiten und Immobilien sowie der Personalausstattung hängen miteinander zusammen und sind nicht allein durch die Gesundheitsverwaltung zu beantworten“, betonte er.
Kein reines Berliner Problem
Es handelt sich nicht um ein reines Berliner Problem. Auch in anderen Bundesländern gibt es Kapazitätsprobleme im Maßregelvollzug. Nach Angaben der Gesundheitsverwaltung ist die Zahl der Straftäterinnen und Straftäter, die bundesweit in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind, deutlich gestiegen und lag 2019 bei rund 4300. Im Jahr 1995 seien knapp 1400 Menschen im Maßregelvollzug gewesen.
Die Kliniken beklagen zunehmend, dass aufgrund von Gerichtsurteilen bei ihnen Straftäter landen, die dort nicht richtig aufgehoben sind. Teils würden sie sogar die Therapie wirklich behandlungsbedürftiger Menschen behindern. Mit einer Gesetzesänderung soll dies eingeschränkt werden.
RND/dpa