Expo in Dubai: Wüste Zeiten für die Weltausstellung
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Ein neuer Stadtteil, geprägt von gigantischen Gebäuden: der Nachhaltigkeitspavillon der Expo.
© Quelle: Dany Eid
Dubai. In Dubai drehen sie demnächst das ganz große Rad. Und das nicht bloß sprichwörtlich. Gerade rechtzeitig zur ersten Weltausstellung in dem Emirat wird auf der künstlich aufgeschütteten Insel Bluewaters Island Mitte Oktober Ain Dubai eröffnet, das größte Riesenrad der Welt. 250 Meter hoch wird es in den Himmel ragen und das weltberühmte London Eye, immerhin 135 Meter hoch, somit locker in den Schatten stellen.
Neben dem Standardticket für 30 Euro können Fahrgäste aus insgesamt 19 Erlebnispaketen wählen – und auf Wunsch sogar in einer der Gondeln heiraten. Etwas mehr als 1000 Euro kostet das exklusive Vergnügen mit Blick auf die Skyline – wohlgemerkt für eine Umdrehung. Wer länger feiern möchte, muss draufzahlen.
Ain Dubai reiht sich ein in die schier endlose Liste der Superlative im Emirat. Höher, schneller, teurer – so lautet das Motto der Herrscherfamilie Al Maktum. Im Rekordtempo und ohne Rücksicht auf Verluste hat sie das einstmals winzige Fischerdorf am Persischen Golf in eine glitzernde Finanz- und Reisemetropole verwandelt. Heute können Touristinnen und Touristen in Dubai schicke Hotelzimmer in schwindelerregend hohen Wolkenkratzern buchen, bei 50 Grad Außentemperatur in heruntergekühlten Einkaufszentren Ski fahren oder mitten in der Wüste auf immergrünen Golfplätzen zum Schläger greifen.
Da wirkt es fast schon wie ein Widerspruch in sich, dass ausgerechnet hier, in Dubai, am 1. Oktober mit einem Jahr Verspätung die Expo 2020 beginnt, die sich unter dem Motto „Connecting Minds, Creating the Future“ (übersetzt: Gedanken verbinden, die Zukunft gestalten) den drei drängendsten Themen „Opportunity, Mobility, Sustainability“ verschrieben hat – Chance, Mobilität, Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit und Dubai – passt das zusammen?
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Das Ain Dubai soll nicht nur eine tolle Aussicht bieten, sondern auch verschiedene Shows.
Eine nachhaltige Expo?
Zumindest für das Expo-Gelände im Südwesten der Stadt, weit weg von der Skyline und den künstlichen Inseln, lautet die Antwort: Ja. Denn dort haben die Planer tatsächlich auf ein nachhaltiges Konzept gesetzt. Der Nachhaltigkeitspavillon Al Wasl etwa, der das Herzstück dieser Expo bilden soll, ist als sogenanntes Null-Energie-Gebäude mit Solarpaneelen bedeckt. Zudem können die meisten der insgesamt 190 Länderpavillons, wenn sich nach der Expo keine Nachmieter finden, problemlos ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden.
Wir haben eine neue Stadt gebaut, die zufällig eine Expo ausrichtet.
Courtney Trenwith, Expo-Sprecherin
Die großen Hallen wiederum sollen künftig für Messen und andere Großveranstaltungen genutzt oder an Konzerne vermietet werden. Siemens hat sich bereits verpflichtet, in einem der Verwaltungsgebäude ein neues Weltlogistikzentrum einzurichten – wegen der guten Lage Dubais als See- und Luftfrachtdrehkreuz. Auch auf Protzbauten oder unnötige Hotels wurde verzichtet. Stattdessen entstand rings um das 4,3 Quadratkilometer große Messegelände herum ein ganz neuer Stadtteil, Dubai South. Während der Expo werden hier die Mitarbeiter der verschiedenen Pavillons untergebracht, danach sollen rund 30.000 Menschen in die Wohnungen einziehen, die künftig bequem mit der Metro ins Stadtzentrum fahren können – die neue Linie wurde pünktlich zum Expo-Start fertiggestellt. „Wir haben eine neue Stadt gebaut, die zufällig eine Expo ausrichtet“, sagt Expo-Sprecherin Courtney Trenwith, „nicht andersherum, wie es früher der Fall war.“
Günstige Wanderarbeiter für die Expo
Was Trenwith nicht sagt: Errichtet wurden sowohl die Pavillons auf dem Expo-Gelände als auch die Wohnhäuser drum herum von kostengünstigen Wanderarbeitern vor allem aus Indien und Pakistan. Tag und Nacht haben diese bis zuletzt auf den Baustellen geackert, bei bis zu 50 Grad im Schatten. Ähnlich wie in Katar, wo im nächsten Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft trotz internationaler Proteste ausgetragen wird, kritisieren Menschenrechtsorganisationen auch die Arbeitsbedingungen auf Dubais Großbaustellen schon seit vielen Jahren. Diese seien „unmenschlich“ und gefährdeten die Gesundheit der Arbeiter, schreibt beispielsweise die britische Organisation ImpACT in einem Bericht. Arbeitsmigranten müssten ihre Pässe aushändigen und „extreme Arbeitszeiten“ aushalten. Trotz „schwerer Menschenrechtsverletzungen“ hätten mehrere Firmen Aufträge im Zusammenhang mit der Expo erhalten.
Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Verschiebung der Expo, so klagen Menschenrechtler, hätten die Situation der Wanderarbeiter sogar noch verschlechtert. Vielen sei im vergangenen Jahr der ohnehin schon geringe Lohn gekürzt worden. Andere seien gedrängt worden, unbezahlten Urlaub zu nehmen, solange die Arbeiten auf den Baustellen ruhten. Und die, die blieben, wurden trotz Pandemie in überfüllten Sammelunterkünften zusammengepfercht. Etliche Arbeiter seien an Corona erkrankt, die Quote der positiv auf Corona Getesteten habe phasenweise bei fast 50 Prozent gelegen.
Von alldem werden die Besucherinnen und Besucher der Expo natürlich nichts mitbekommen, wenn sie demnächst zu Zehntausenden über das Gelände schlendern. Die Arbeiter sind längst weitergezogen.
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Im Zentrum der Expo steht der Dom der Al Wasl Plaza.
© Quelle: Dany Eid
Ein Megaevent während der Pandemie
Aber kann das gut gehen: ein Megaevent während einer Pandemie, mit Menschen aus aller Welt, mit mehr als 60 Liveacts pro Tag und einer Vielzahl gastronomischer Treffpunkte? „Die Gesundheit jedes einzelnen Besuchers ist unsere oberste Priorität“, verspricht Rob Cooling, Expo-Vizepräsident für Gesundheit und Sicherheit. „Wir sind alle voller Vorfreude, dass es endlich losgeht – aber wir wissen auch um unsere Verantwortung, eine sichere Veranstaltung zu garantieren. Und das werden wir tun.“ Cooling und sein Team setzen dabei neben Desinfektionsspendern an jeder Ecke sowie Markierungen auf Böden und Sitzbänken auch auf technische Hilfe: 150 kleine Roboter sollen auf dem Gelände die Einhaltung der Abstandsregeln kontrollieren und gegebenenfalls Hinweise an die Besucher geben.
Denn nichts soll die erste Weltausstellung in einem arabischen Land gefährden, auch kein Virus. Die Hoffnungen, die das Emirat mit der Ausrichtung der Expo verbindet, sind gigantisch. Trotz Corona halten die Organisatoren an ihren Prognosen fest und rechnen mit 25 Millionen Besuchen – nicht Besuchern, denn viele Touristinnen und Touristen werden vermutlich an mehreren Tagen auf das Gelände kommen, weil sie ohnehin mehrere Tage in der Stadt sind.
Wie ehrgeizig dieses Ziel ist, erst recht zu Corona-Zeiten, zeigt ein Vergleich mit früheren Weltausstellungen. Die Expo in Hannover etwa zählte im Jahr 2000 rund 18 Millionen Besuche, bei der bislang letzten großen Ausgabe in Mailand vor sechs Jahren waren es rund 21 Millionen Gäste. Kleinere Themen-Expos wie zuletzt 2017 in der kasachischen Hauptstadt Astana kommen meist nur auf einen Bruchteil dessen.
Doch selbst wenn die 25-Millionen-Marke am Ende verfehlt werden sollte, habe die Expo dennoch das Potenzial, die Wirtschaft in Dubai wieder anzukurbeln und „auf das Niveau von vor Corona zu heben“, sagt Scott Livenmore, Chefökonom für die Region Mittlerer Osten bei der renommierten britischen Beraterfirma Oxford Economics.
Das allerdings ist auch dringend notwendig, denn Dubai durchlebt seit Jahren eine Wirtschaftskrise. Der sinkende Ölpreis macht dem Emirat dabei ebenso zu schaffen wie die Immobilienkrise auf dem heimischen Markt. Etliche Büro- und Wohnräume stehen leer, die Mieten und Kaufpreise sind in den Keller gerutscht. Mit Beginn der Corona-Pandemie sind zudem zwei zentrale Einnahmequellen des Emirats, der Tourismus und der Privatkonsum, praktisch zum Erliegen gekommen.
Die einzelnen Nationen sind in Länderpavillons vertreten – wie jenem Australiens.
© Quelle: Dany Eid
300.000 neue Jobs
7 Milliarden Euro hat Dubai deshalb für die Ausrichtung der Expo 2020 in die Hand genommen, in der Hoffnung, ein Vielfaches dessen wieder einzunehmen. Von 30 Milliarden Euro Wirtschaftswachstum und bis zu 300.000 neuen Jobs ist gar die Rede.
Vor allem aber soll das Reisegeschäft wieder anziehen. Vor Corona kamen jedes Jahr rund 16 Millionen Touristen in die schillernde Wüstenmetropole. Und die Chancen stehen offenbar ganz gut, dass sich die Branche dank der Expo schnell wieder vom Pandemieschock erholt. Hotelbetreiber in der ganzen Stadt melden bereits einen deutlichen Zuwachs an Buchungen, und im Rove Expo 2020, dem einzigen direkt auf dem Messegelände gelegenen Hotel, sind sogar bereits alle Suiten bis Ende März 2022 ausgebucht. Die weltweiten Immobilienberater von Colliers rechnen damit, dass Dubai für das Jahr 2021 bereits wieder eine Auslastung von 64 bis 73 Prozent erreichen wird. „Die Expo ist ein starker Treiber zur Erholung der Tourismusbranche“, sagt Christopher Lund, Head of Hotels bei Colliers.
Die Expo als riesiger Marktplatz
Doch lohnt sich ein Besuch der Expo 2020 überhaupt? Schließlich sind die Zeiten längst vorbei, in denen Weltausstellungen als Leistungsschauen galten, bei denen Firmen und Nationen Weltneuheiten wie die Espressomaschine (Paris, 1855), das Telefon (Philadelphia, 1876) oder die Atomuhr (Montreal, 1967) präsentierten. Das weiß auch Expo-Sprecherin Trenwith, die die Weltausstellung in Dubai eher als einen riesigen Marktplatz interpretiert, auf dem Innovationen „erlebt“ werden können.
Die Expo 2020 wird der Elektromobilität in der Region einen großen Anschub geben.
Abdelrahman Sami, Elektrotechnikkonzern Schneider
Im Mobilitätspavillon Alif zum Beispiel stehen die Themen E-Mobilität und autonomes Fahren im Mittelpunkt. In beiden Bereichen will Dubai bis 2030 an die Weltspitze rücken. „Die Expo 2020 wird der Elektromobilität in der Region einen großen Anschub geben“, glaubt Abdelrahman Sami vom französischen Elektrotechnikkonzern Schneider, der zur Expo Hunderte E-Ladesäulen im Land installiert hat. „Wir werden nach der Expo mehr Elektroautos auf der Straße sehen, mehr Ladesäulen und auch mehr Anbieter. Das wird das große Vermächtnis dieser Expo in Dubai werden.“
Als Highlight gilt auch der Pavillon von Emirates, dessen Fassade aus 26 glänzenden Flugzeugflügeln besteht. Auf 3300 Quadratmetern Fläche will die Staatsairline hier ihre Vision vom Fliegen präsentieren. In einem anderen Pavillon werden Besucher mit auf die geplante Marsmission der Vereinigten Arabischen Emirate genommen – zumindest gedanklich.
Und ganz ohne Superlative wird es natürlich auch bei der Expo 2020 nicht gehen. Im saudischen Pavillon zum Beispiel können Besucher den mit 1302,5 Quadratmetern größten LED-Bildschirm der Welt bestaunen. Und im Mobilitätspavillon geht es mit dem größten Fahrstuhl der Welt nach oben oder unten. Bis zu 160 Personen finden in der Kabine Platz – zumindest, wenn keine Pandemie ist.
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Ein Push für Dubais Tourismus? Die Expo 2020 setzt auf Erlebnisausstellungen und aufwendige Architektur – wie im Themendistrikt Opportunity.
© Quelle: Suneesh Sudhakaran/Expo 2020
Die Expo 2020 im Überblick
Einreise: Reisende müssen beim Check-in am Flughafen einen negativen PCR-Test vorlegen. Dieser darf nicht älter als 72 Stunden sein und muss in Englisch oder Arabisch ausgestellt sein. SMS-Bescheinigungen werden nicht akzeptiert.
Eintritt: Tagestickets kosten 23 Euro, Monatstickets sind für 48 Euro zu haben. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben ebenso freien Eintritt wie Senioren über 60 Jahre. Tickets können online unter der Adresse www.expo2020dubai.com oder vor Ort gekauft werden.
Öffnungszeiten: Die Weltausstellung ist vom 1. Oktober 2021 bis zum 31. März 2022 täglich von 10 bis 24 Uhr geöffnet – donnerstags und freitags sogar bis 2 Uhr.