„Fashion Freak Show“: Jean Paul Gaultier macht wieder Theater

„Mein Traum von Mode war nicht nur vom Interesse an Kleidung geprägt, sondern von dem Wunsch, eine Show zu veranstalten“: Die „Fashion Freak Show“ zeigt Jean Paul Gaultiers Leben als Nummernrevue.

„Mein Traum von Mode war nicht nur vom Interesse an Kleidung geprägt, sondern von dem Wunsch, eine Show zu veranstalten“: Die „Fashion Freak Show“ zeigt Jean Paul Gaultiers Leben als Nummernrevue.

Paris. „Wir machen eine Reise in den Kopf von Jean Paul Gaultier!“, verkündet ein flauschiger Teddybär, der im rosafarbenen Korsett und hohen Hacken über die Bühne stöckelt. Wir befinden uns im berühmten Varietétheater Les Folies Ber­gère in Paris, und die Tänzerin im Plüschkostüm spielt Nana, einen Teddy des französischen Designers, dem er im zarten Alter von sieben Jahren kegelförmige BHs aufnähte.

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Nana war gewissermaßen das Versuchskaninchen für Madonnas legendäres, spitzbrüstiges Korsett, das sich viele Jahre später in das kollektive Gedächtnis einbrannte. Und außerdem der erste „Transgender-Bär“ der Welt, behauptet Gaultier, der mit seiner Mode schon immer gern Tabus brach. An diesem Abend ist Nana aber der Beginn eines verrückten Spektakels, mit dem sich der französische Modeschöpfer einen Kindheitstraum erfüllt hat, der „Fashion Freak Show“.

Mit der „Fashion Freak Show“ erfüllt sich Jean Paul Gaultier einen Kindheitstraum.

Mit der „Fashion Freak Show“ erfüllt sich Jean Paul Gaultier einen Kindheitstraum.

Denn noch bevor er Couturier werden wollte, träumte Gaultier vom Kabarett. „Ich war ungefähr neun Jahre alt, als ich zum ersten Mal eine Show aus dem Folies Ber­gère sah. Die Federn, die Netzstrümpfe. ich fand das alles so aufregend, dass ich am nächsten Tag in der Schule eine Tänzerin zeichnete.“

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Seine Lehrerin fand das gar nicht witzig, klebte ihm die Zeichnung auf den Rücken und wollte ihn damit bestrafen. Ohne es zu wollen, tat sie ihm damit aber einen Gefallen. Gaultier war in der Schule ein Außenseiter, weil er weder Fußball spielen konnte, noch sich raufen wollte. An diesem Tag aber war er auf einmal ein Star. Alle wollten eine Zeichnung von ihm haben.

Ein Biopic als Nummernrevue

„Mein Traum von Mode war nicht nur von meinem Interesse an Kleidung geprägt, sondern auch von dem Wunsch, eine Show zu veranstalten“. sagt Gaultier. Wer einmal eine seiner Modenschauen besucht hat, versteht, was er damit meint. Er veranstaltete sie als Boxkämpfe oder große Partys, lud extravagante Persönlichkeiten wie Conchita Wurst oder Beth Ditto auf den Laufsteg ein.

Fast 60 Jahre später vereint er nun mit seiner „Fashion Freak Show“ beide Welten, die Mode und das Kabarett. Er entwarf nicht nur die knapp 200 Bühnenkostüme, er erzählt mit dieser Show auch sein eigenes Leben. Ein Biopic als Nummernrevue, besser könnte es zu zum Enfant terrible der Mode nicht passen.

Viel Haut und viel Exzentrik: Gaultier inszeniert die wichtigsten Stationen seines Lebens.

Viel Haut und viel Exzentrik: Gaultier inszeniert die wichtigsten Stationen seines Lebens.

Zweieinhalb Stunden lang taucht der Zuschauer ein in die verrückte Welt des Designers, in ein farbenfrohes, humorvolles Schauspiel mit viel nackter Haut und exzen­trischen Kostümen, die teils original sind, teils neu angefertigt.

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Das Model Anna Cleveland als tanzende Josephine Baker, nur mit einem Bananenröckchen bekleidet. Heiße Sadomaso-Szenen aus seiner Zeit in London. Ein sinnlicher Striptease zum Song „Sweat Dreams“ von den Eurythmics. Seine Bühnenfiguren sind Menschen aller Hautfarben und Formen, so wie sie Gaultier immer inspiriert haben.

Wilde Partys und traurige Momente

In 20 Bildern inszeniert er die wichtigsten Stationen seines Lebens: Der Film „Falbalas“, der als Kind das Interesse an Mode in ihm weckt, seine erste Fashionshow, in der er Tutus mit Bikerjacken kombiniert, wilde Partys im Pariser Nachtclub Le Palace. Aber auch die traurigen Momente seiner Vergangenheit spart er nicht aus. Den Tod von Francis Menuge zum Beispiel, seinem langjährigen Lebensgefährten und Geschäftspartner, der 1990 an Aids starb.

An mancher Stelle versucht sich seine „Fashion Freak Show“ sogar als Spiegel der Gesellschaft mit einer Szene über Schönheitschirurgie oder ironischen Anspielungen auf die eitle Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken. Es ist ein buntes Patchwork aus Choreografien, Videoprojektionen, Comedy-Einlagen und Filmausschnitten.

Manchmal ein bisschen wirr und oft auch ein bisschen übertrieben, aber Zurückhaltung war noch nie Gaultiers Stärke. Er liebt es laut, albern und extravagant. Und seine vielen Fans tun es ebenso. Dafür spricht das ausgebuchte Folies Bergère, in dem das Publikum jeden Abend nur so tost.

Kaum zu glauben: Jean Paul Gaultier (Mitte) gibt sich schüchtern.

Kaum zu glauben: Jean Paul Gaultier (Mitte) gibt sich schüchtern.

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Schade nur, dass Gaultier nicht selbst auf der Bühne steht. Er lässt sich von einem jungen Tänzer im typischen Streifenhemd und mit wasserstoffblonden Haaren spielen. „Am Anfang wollte ich nicht einmal das“, erzählt er. „Nicht, weil ich glaube, dass keiner dazu in der Lage wäre, mich zu spielen, sondern weil ich kein Mensch bin, der gern auf der Bühne steht.“ Schwer zu glauben, aber wahr: Jean Paul Gaultier ist schüchtern.

Aber geliebt werden möchte er natürlich, sagt er. Manchmal versteckt er sich also abends im Publikum, um die Reaktion der Leute zu sehen. Und mit ein bisschen Glück kommt er dann am Ende der Show, in alter Gaultier-Manier, ganz kurz auf die Bühne gerannt.

Von Estelle Marandon

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