Festivals im Zeichen des Terrors
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Auf die Terrordrohung beim Rock am Ring im vergangenen Jahr folgen schärfer Sicherheitsvorkehrungen auf deutschen Festivals.
© Quelle: imago/Eibner
Berlin. Die Fans fiebern gerade dem Auftritt der Gruppe Rammstein entgegen, als Lautsprecherdurchsagen sie plötzlich auffordern, das Festivalgelände zu verlassen. Die Polizei hat wegen einer "terroristischen Gefährdungslage" eine Unterbrechung angeordnet. Die Räumung des Geländes verläuft ohne Probleme, obwohl knapp 90.000 Besucher davon betroffen sind.
Terroralarm bei "Rock am Ring". Vor einem Jahr, im Juni 2017, Realität. Der Verdacht: Islamistische Terroristen haben womöglich einen Anschlag auf eines der größten deutschen Musikfestivals geplant. Eine Woche zuvor hatte es im englischen Manchester ein islamistisches Selbstmordattentat gegeben. 22 Menschen sind am Rande eines Konzerts der Sängerin Ariana Grande in den Tod gerissen worden.
Veranstalter und Behörden in Rheinland-Pfalz hatten deshalb die Sicherheitsvorkehrungen vorsätzlich noch einmal verstärkt. Über 1000 Polizisten sind rund um das Festival in der Eifel im Einsatz. Weitaus mehr private Sicherheitsleute arbeiten auf dem eigentlichen Veranstaltungsgelände.
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Der Polizei waren bei einer Verkehrskontrolle zwei Männer aufgefallen. Beide besaßen Zugangsberechtigungen für alle Bereiche des Veranstaltungsgeländes und mindestens einer wurde polizeiintern der salafistischen Szene zugerechnet. Ein Subunternehmer hatte sie als Aufbauhelfer engagiert. Bei ihrer Überprüfung stellte sich heraus, dass einer ihrer Namen nicht mit denen auf der Personalliste des Veranstalters übereinstimmt, die an die Behörden übermittelt wurden. Ein Schreibfehler, wie sich später herausstellt.
Tausende Besucher zum Rock am Ring von 1. bis 3. Juni erwartet
Auch in diesem Jahr findet am ersten Juniwochenende "Rock am Ring" statt. Die ersten Festivalbesucher machen sich bereits am Mittwoch auf den Weg zum Ring. Headliner sind "Muse" und die "Foo Fighters". Auch in diesem Jahr werden wieder mehrere zehntausend Besucher erwartet. Mit der Erinnerung ans letzte Jahr rückt allerdings auch die Frage der Terrorgefahr wieder ins öffentliche Gedächtnis.
Beim Bundeskriminalamt (BKA) liegen derzeit keine Informationen über eine konkrete Gefährdung deutscher Musikfestivals durch terroristische Anschläge vor. "Gleichwohl steht die Bundesrepublik Deutschland weiterhin im erklärten Zielspektrum verschiedener international ausgerichteter dschihadistischer Organisationen wie zum Beispiel dem sogenannten 'Islamischen Staat', heißt es im BKA. Eine reale, aber abstrakte Bedrohungslage also.
Öffentliche Veranstaltungen im Fokus von Terroristen
Demnach sind öffentliche Veranstaltungen wie Märkte, Volksfeste oder zum Teil auch Konzerte im „Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus“ grundsätzlich geeignete und potenzielle Anschlagsziele. Wegen der vielen Besucher würden Terroristen neben hohen Opferzahlen auf eine Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung und vor allem auf ein Maximum an medialer Aufmerksamkeit spekulieren, sagen die Fachleute in allen sechzehn Landeskriminalämtern (LKA).
Das LKA Sachsen erklärt, „dass so lange keine konkreten Hinweise auf eine konkrete Gefahr existieren, das Feld „Musikfestivals“ folglich auch keiner gesonderten Betrachtung bedürfe.“ Allgemein würden planbare Sicherheitsvorkehrungen gegenwärtig immer mit Blick auf mögliche terroristische Anschläge betrachtet und Veranstalter entsprechend beraten oder mit passenden Auflagen bedacht.
Örtliche Polizei bestimmt Auflagen für Festivals
Die konkreten Auflagen, die ein Veranstalter für die Durchführung eines Festivals erfüllen muss, werden überall im Land durch die örtlichen Polizei- und Ordnungsbehörden bestimmt. Welche das konkret sein könnten, wollte „Live Nation“, der Veranstalter des Rock am Ring, trotz mehrfacher Nachfrage nicht sagen. Auch zu anderen Fragen will sich die Firma nicht äußern.
FKP Scorpio, ein anderer großer deutscher Konzert- und Festivalveranstalter der beispielsweise "Hurricane", "Southside" und "Highfield" organisiert, reagiert hingegen auf die Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Man ergreife als großer Veranstalter selbstverständlich alle Maßnahmen, die zur größtmöglichen Sicherheit auf all ihren Veranstaltungen führen. "Aus diesem Grund befinden wir uns unabhängig von den Ereignissen bei Rock am Ring seit vielen Jahren in intensivem Austausch mit den Sicherheitsbehörden auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene und haben gemeinsam mit ihnen einen umfangreichen Maßnahmenkatalog umgesetzt", so Firmensprecher Jonas Rohde.
"Außerdem sind bei Großveranstaltungen wie Musikfestivals zusätzliche Polizeikräfte unmittelbar vor Ort, auf Zufahrtsstraßen im Umland und an Bahnhöfen im Einsatz, so dass auch eine polizeiliche Sicherung gewährleistet ist", ergänzt Rohde. "Ebenso haben wir bereits im vergangenen Jahr mit einer personalisierten Mitarbeiterakkreditierung gearbeitet, in 2018 haben wir diesen Prozess weiterentwickelt und in Zusammenarbeit mit vielen großen Veranstaltern EDV-gestützt optimiert." Welche Daten dabei durch die Behörden abgefragt werden, könne Rohde jedoch nicht sagen und verweist auf die entsprechenden Stellen.
Veranstalter müssen Mitarbeiter überprüfen lassen
Die Datenübermittlung zwischen Veranstalter und Behörden ist jene Stelle gewesen, die bei Rock am Ring im vergangenen Jahr letztlich zur Evakuierung führte. Welche Daten abgefragt werden, erklärt die Polizeidirektion Leipzig am Beispiel des „Highfield Festivals“: „Im Vorfeld wird in Verantwortung des Veranstalters ein schriftliches Sicherheitskonzept erarbeitet worin unter anderem auch der Wille dokumentiert wird, die Zuverlässigkeit von Personen, die sicherheitsrelevante Bereiche betreten dürfen oder müssen, prüfen zu lassen“, so deren Sprecher Andreas Loepki.
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Die Besucher des Musikfestivals "Rock am Ring" trotzten der Gefahr und setzten ein klares Zeichen gegen Terrorismus.
© Quelle: dpa
Es ist jedoch allein der Veranstalter, der bestimme, wer sich einer solchen Prüfung zu unterziehen habe. Ebenso bestimme der auch die Kriterien, auf die sich die Zuverlässigkeitsprüfung beziehen sollte, so Loepki. Zudem würde auch geprüft, ob die betreffende Person als islamistisch-terroristischer Extremist bekannt ist.
Daten werden mit amtlichen Lichtbildausweisen abgeglichen
Abgefragt werden Daten aus polizeilichen Auskunftssystemen, deren Datenbestände oft umfangreicher als die Auskünfte im Bundeszentralregister sein können. „Der Veranstalter erfährt übrigens keinen konkreten Datenbestand zur Person, sondern erhält lediglich eine Rückmeldung im Sinn einer Ja-/Nein-Aussage, welche bei „Nein“ zwangsläufig zum Abbruch der Akkreditierung führt“, so Loepki.
Dass tatsächlich auch die Personen dastehen, die angemeldet wurden, will FKP Scorpio mit einem verbindlichen Check-In garantieren, bei dem die Daten mit den amtlichen Lichtbildausweisen der einzelnen Mitarbeiter abgeglichen werden.
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„Terror ist scheiße“
Einige Fragen bleiben dabei offen. Wie weit im Vorfeld brauchen die Behörden, um das Personal für zuverlässig zu erklären? Die Information werde mit einem ausreichenden Vorlauf erhoben, der eine Reaktion des Veranstalters ermögliche, heißt es von der Leipziger Polizei. Und was passiert, wenn kurzfristig mehr Personal gebraucht, oder es beispielsweise durch Krankheit zu Ausfällen kommt? „Wie mit kurzfristigen Personalausfällen und -bedarfen umgegangen wird, obliegt dem Veranstalter, wobei dafür sicherlich im Vorfeld Sorge getragen wird, zum Beispiel durch Bildung eines im Bedarfsfall abrufbaren, akkreditierten Personalpools.“
Rockfans lassen sich durch die vielen Unwägbarkeiten jedoch kaum den Spaß nehmen. Letztes Jahr bewahrten sie bei der Räumung des Geländes bei „Rock am Ring“ in bemerkenswerter Weise die Ruhe. Sie sangen: „Terror ist scheiße.“
Von RND/Edgar Lopez