Missbrauch in der katholischen Kirche: Kardinal Marx fordert Diskurs über Sexualmoral
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Kardinal Reinhard Marx
© Quelle: Sven Hoppe/dpa POOL/dpa
München. Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat eine Debatte über die kirchliche Sexualmoral gefordert. In Theologie, Predigt und Seelsorge sei in der Vergangenheit oft ein negatives Bild menschlicher Sexualität gezeichnet worden: „Sie wurde mit Schuld und Sünde bewehrt, was auch zu Verdrängung und Doppelmoral geführt hat“, sagte Marx am Samstag im Bayerischen Rundfunk. Dabei sei aus dem Blick geraten, dass das christliche Menschenbild auch für die Sexualität positive Perspektiven eröffnen wolle.
Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche habe gezeigt, „dass es eine Grundproblematik gibt im Beziehungsfeld von Kirche und Sexualität“, sagte der Erzbischof. „Leidenschaft, Lust und Sex gegen Vernunft, Liebe und Moral? Es klingt manchmal ein wenig so, als gebe es entweder ein sündiges, triebgesteuertes und unvernünftiges Leben oder das Ideal der reinen Liebe.“ Aber das habe wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Das Freisinger Diözesanmuseum greife dieses Thema ab Samstag in einer neuen Ausstellung mit dem Titel „Verdammte Lust – Kirche.Körper.Kunst“ auf.
Entschuldigung in Portugal
Die katholische Kirche Portugals hat sich bei den geschätzt mindestens 5000 Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs durch Kirchenangehörige entschuldigt. „Wir bitten alle Opfer um Vergebung: diejenigen, die mutig ihr Zeugnis abgelegt haben, so viele Jahre schweigend, und diejenigen, die immer noch mit ihrem Schmerz in der Tiefe ihres Herzens leben, ohne ihn mit jemandem zu teilen“, sagte der Präsident der portugiesischen Bischofskonferenz, D. José Ornelas, am Freitagabend in der zentralportugiesischen Stadt Fátima.
Die Kirche reagierte damit auf den Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission von Mitte Februar, der 4815 zweifelsfrei bestätigte Fällen sexuellen Missbrauchs der vergangenen 70 Jahre nannte. Es habe aber seit den 1950er Jahren wohl weit mehr Fälle gegeben, sagte der Leiter der Kommission, Pedro Strecht, damals.
Opferverbände und Katholiken kritisierten die Erklärung. „Das war ein Rückschritt“, erklärte Jorge Wemans, einer der Unterzeichner eines offenen Briefes, aus dem die Kommission hervorgegangen war, der Zeitung „Público“. Es fehlten „konkrete Maßnahmen“, wie Missbrauch künftig vermieden und wie den Opfern geholfen werden könne. Auch gebe es keine „Reflexion über die Machtausübung in der Kirche und den tiefgreifenden Klerikalismus“, der Missbrauch erst möglich mache. Zudem hätten die Bischöfe zwar ihr Unbehagen über die Missbrauchsfälle geäußert, aber an Mitgefühl vermissen lassen, kritisierte „Público“ in einem Kommentar.
Lisete Fradique von der portugiesischen Abteilung der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ (Nós somos igreja) zeigte sich „schockiert“ vom Plan der Bischöfe, beim Weltjugendtag der Katholiken Anfang August in Lissabon eine Gedenkfeier für die Opfer zu veranstalten. „Das ist ein immenser Schmerz“, sagte sie der Zeitung. Die Opfer würden alles noch einmal erleben müssen, warnte sie.
RND/dpa