Rechtsterroristen planten Stürmung des Bundestags

Gruppe wollte Umsturz: 19 mutmaßliche „Reichsbürger“ nach Razzia in U-Haft

Polizisten stehen bei der Razzia an einem durchsuchten Objekt in Frankfurt.

Polizisten stehen bei der Razzia an einem durchsuchten Objekt in Frankfurt.

Karlsruhe. Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwochmorgen 25 Menschen aus der sogenannten „Reichsbürger“-Szene im Zuge einer Razzia festnehmen lassen. Rund 3000 Beamte seien in elf Bundesländern im Einsatz, sagte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde der Deutschen Presse-Agentur. Sie wirft den Beschuldigten vor, den Umsturz des Staates vorbereitet zu haben.

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In 19 Fällen hätten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Haftbefehle in Vollzug gesetzt, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Abend mit. Damit seien die Vorführungen für Mittwoch abgeschlossen. Planmäßig sollen auch an diesem Donnerstag noch Verdächtige den Richtern vorgeführt werden.

Reichsbürger-Razzia: Festnahmen in sieben Bundesländern

22 der Festgenommenen sollen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sein, zwei davon Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte die Sprecherin. „Wir haben noch keinen Namen für diese Vereinigung“, sagte sie. Sie begründe sich wohl auf Verschwörungsmythen.

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Bei den mutmaßlichen Vereinigungsmitgliedern handelt es sich um die deutschen Staatsangehörigen: Maximilian E., Michael F., Paul G., Norbert G., Markus H., Frank H., Matthias H., Ruth L., Birgit Malsack-Winkemann, Andreas M., Thomas M., Harald P., Heinrich XIII Prinz Reuß, René R., Melanie R., Ralf S., Wolfram S., Thomas T., Marco v. H., Rüdiger v. P., Christian W. und Peter W..

Als mutmaßliche Unterstützer festgenommen wurden die russische Staatsangehörige Vitalia B., der deutsche Staatsangehörige Alexander Q. und der deutsche Staatangehörige Frank R..

Festgenommen wurden die Menschen den Angaben nach in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen sowie jeweils eine Person in Österreich und Italien. Durchsuchungen habe es darüber hinaus in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gegeben. Noch am Mittwoch wollte die Bundesanwaltschaft mit der Vernehmung der ersten Festgenommenen beginnen, wie die Sprecherin sagte.

Buschmann: „Demokratie ist wehrhaft“

Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete die bundesweite Razzia in der „Reichsbürger“-Szene als „Anti-Terror-Einsatz“. „Demokratie ist wehrhaft: Seit heute Morgen findet ein großer Anti-Terror-Einsatz statt“, schrieb der FDP-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter.

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Der Generalbundesanwalt ermittele gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus dem „Reichsbürger“-Milieu. „Es besteht der Verdacht, dass ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war.“

Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen Verbindungen von Mitgliedern der nun ausgehobenen Vereinigung zu Angehörigen der Gruppe „Vereinte Patrioten“ sein, die im April festgenommen worden waren und geplant haben sollen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen.

Reichsbürger: Das haben die mutmaßlichen Terroristen geplant

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wollten die mutmaßlichen Mitglieder der „Reichsbürger“-Szene die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen. Diese Staatsform sei schon in Grundzügen ausgearbeitet gewesen, teilte die Karlsruher Behörde am Mittwochmorgen mit.

„Den Angehörigen der Vereinigung ist bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kaFnn“, hieß es in der Mitteilung. „Hierzu zählt auch die Begehung von Tötungsdelikten.“

Nach den bisherigen Ermittlungen bestand auch der Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Vereinigung konkrete Vorbereitungen getroffen hätten, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen. Einzelheiten müssten noch aufgeklärt werden.

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Gruppierung vor über einem Jahr gegründet

Die Verdächtigen sollen spätestens Ende November 2021 eine terroristischen Vereinigung gegründet haben, um Institutionen und Repräsentanten des Staates zu bekämpfen. Ein „militärischer Arm“ sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen „beseitigen“, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Zentrales Gremium der Gruppierung sei ein „Rat“. Das Gremium verfüge ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über Ressorts wie Justiz, Außen und Gesundheit. „Die Mitglieder des ‚Rates‘ haben sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen“, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Die mutmaßlichen Vereinigungsmitglieder Heinrich XIII. Prinz Reuß (71) und Rüdiger v. P. sollen als Rädelsführer agiert haben.

Die Gruppierung wollte vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im vergangenen Sommer hätten mutmaßliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben, teilte die Behörde mit. Im November hätten Beschuldigte in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung gewinnen wollen. Im Oktober hätten Angehörige des „militärischen Arms“ Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, „um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren“.

Die festgenommenen Beschuldigten werden am Mittwoch und Donnerstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird, teilte die Karlsruher Behörde weiter mit.

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Auch KSK-Soldat unter Verdacht

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft richteten sich auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Es handele sich dabei um einen Mann aus dem Stab, sagte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Demnach wurden sein Haus und sein Dienstzimmer in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw (Baden-Württemberg) durchsucht. Der Unteroffizier, der kein Kommando-Soldat ist, war in der Bundeswehr bereits als Impfgegner aufgefallen und später aus der Truppe heraus gemeldet worden. Bei den Ermittlungen sind demnach bisher aber keine Bezüge zu früheren Extremismusvorfällen im KSK entdeckt worden.

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle forderte ein härteres Vorgehen gegen extremistische Beamte. „Besonders problematisch ist die erneute Verbindung der Gruppe zu Bundeswehr und Polizei. Wer die staatliche Ordnung in Deutschland ablehnt oder gar beseitigen will, kann kein Beamter sein. Hier muss das öffentliche Dienstrecht schnell nachgeschärft werden“, schrieb Kuhle am Mittwoch auf Twitter.

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Er warnte, die „rechtsextreme Szene vernetzt sich untereinander, hortet Waffen und träumt von einem „Umsturz“ und schrieb weiter: „Unsere wehrhafte Demokratie wird gegen diese widerliche braune Suppe bestehen!“

SPD und Grüne begrüßen Großeinsatz gegen Reichsbürgerszene

Die SPD im Bundestag begrüßte den Großeinsatz. „Unsere Demokratie war, ist und bleibt wehrhaft“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Unsere Werte müssen jeden Tag aufs neue verteidigt werden“, stellte Mast fest. „Es gibt Kräfte, die tagtäglich daran arbeiten, unsere Demokratie zu zersetzen. Und dagegen muss und kann sich unser Rechtsstaat wehren.“

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“, der Einsatz vom Morgen zeige, „dass unser demokratischer Rechtsstaat aufmerksam und handlungsfähig ist“. Jetzt gelte es, die weiteren Ermittlungen abzuwarten.

Nach Einschätzung der Grünen handelte es sich bei den Umsturzplänen um eine äußerst reale Gefahr. Mit der Razzia sei es den Behörden gelungen, „sehr konkreten Machtergreifungsplänen einen Riegel vorzuschieben und ein Netzwerk von Feinden unserer Demokratie zu zerschlagen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz am Mittwoch dem Nachrichtenportal t-online. Der Angriff auf das Kapitol in Washington habe gezeigt, dass antidemokratischem Reden auch gegen die Demokratie gerichtete Taten folgen können. „Diese Gefahr gilt es, sehr ernst zu nehmen.“

Faeser spricht von „Abgrund einer terroristischen Bedrohung“

Die Umsturzpläne lassen nach den Worten von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in den „Abgrund einer terroristischen Bedrohung“ blicken. Deren Initiatoren seien „von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben“, erklärte die Ministerin am Mittwoch in Berlin. Faeser sprach ausdrücklich von einer mutmaßlich terroristischen Vereinigung. „Militante Reichsbürger verbindet der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen.“

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Verfassungsschutz rechnet mit rund 21.000 Reichsbürgern

Reichsbürger sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Häufig stehen sie im Konflikt mit Behörden. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.

Bei etwa fünf Prozent von ihnen, also rund 1150, handelt es sich nach Angaben der Behörde um Rechtsextremisten. Im Jahr 2021 rechnete der Verfassungsschutz der Szene „Reichsbürger und Selbstverwalter“ 1011 extremistische Straftaten zu.

Bei einer Razzia im Jahr 2016 hatte ein sogenannter Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd auf vier Polizisten geschossen. Einer von ihnen erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Spezialeinsatzkommando wollte die Waffen des Jägers beschlagnahmen.

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RND/nis/dpa/epd

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