Halbe Stunde Heiterkeit: Rolling Stones kündigen neues Album an
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/OO4PIWFERZCNXOP6VXIJ7QKZYI.jpg)
Die Drei von der Rock'n'Roll-Stelle: Am Mittwoch stellten Ronnie Wood (v. l.), Mick Jagger und Keith Richards das neue Album der Rolling Stones im Londoner Stadtteil Hackney vor.
© Quelle: © MARK SELIGER
Stones-Tag in London, Stones-Tag global. „Wir machen‘s weltweit“, freut sich der New Yorker „Tonight Show“-Moderator Jimmy Fallon am Mittwoch (6. September) um 15.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit im altehrwürdigen Hackney Empire Theatre in der Mare Street. Der Saal ist rappelvoll, der Applaus riesig, als Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood die Bühne betreten. Die roten Vorhänge im Hintergrund erscheinen wie eine Stoff gewordene riesige Körperöffnung. Dahinter schwebt die große Stones-Zunge im neuen Splitterlook. Erotik war ja irgendwie immer im Spiel bei den Stones.
Alles braucht seine Zeit, aber kaum etwas braucht so lange wie ein neues Rolling-Stones-Werk. Würde die britische Band noch mal mit einem Album rund um die Spindel der Plattenteller rollen? Das war in den vergangenen Jahren die große Diskussion unter Millionen Fans in aller Welt gewesen.
Und jetzt also wird es am 20. Oktober erscheinen: „Hackney Diamonds“ mit zwölf neuen Songs – 18 Jahre nach „A Bigger Bang“, dem letzten Werk mit eigenen Liedern. „Smash & Grab“ (Einschmeißen und Schnappen) sei ein Titelvorschlag gewesen, sagt Keith Richards schmunzelnd im Empire Theatre. Dann habe man jedoch „Hackney Diamonds“ gewählt, ein Londoner Slangwort für Scherben auf dem Asphalt nach einem Raubüberfall.
Bei einem der Songs spielt die Besetzung Jagger, Richards, Wood, Wyman und Watts
Gut sind alle drauf, aber im Kern wird nur die bereits vorab bekannt gewordene Liederliste bestätigt. Bei zehn der Tracks auf „Hackney Diamonds“ trommle der neue Schlagzeuger Steve Jordan. Zwei Songs seien noch mit Charlie Watts am Drumkit, bei einem der beiden spiele auch der 1993 ausgeschiedene Bassist Bill Wyman mit – sodass in diesem Fall die ab 1975 klassische Besetzung zu hören sei.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/KSDVWDTQDVHOBEU4VXVBCXWB4I.jpg)
Endlich Album: Ronnie Wood (v. l.), Mick Jagger and Keith Richards bei der Pressekonferenz zum neuen Studiowerk "Hackney Diamonds" am Mittwoch im Hackney Empire Theatre. Foto: Dave Hogan
© Quelle: Jeremy O'Donnell
Lady Gaga singe süß bei „Sweet Sounds of Heaven“, einem „Gospel“, wie Jagger sagt. „Du warst doch nie im Leben in der Kirche“, feixt Richards. Jagger behauptet das Gegenteil. Es wird fröhlich gekabbelt. Über Paul McCartney, Ringo Starr und Elton John als gemutmaßte Mitwirkende fällt hingegen kein Wort. Nicht so schlimm, schließlich ist dies ist eine offizielle Stones-Platte und kein musikalisches Tutti Frutti wie etwa der „Rock and Roll Circus“ der Stones von 1968. Und auch kein verkapptes Beatles-Reste-Meeting. Aber ein Wort über eine Tournee hätte man doch gern gehört.
Ohne zugehörige Klänge bleiben die Songinfos vage
„Pretty quick – ziemlich flott“ sei alles gegangen, so Gitarrist Ronnie Wood. Vor Weihnachten habe man sich zum neuen Album entschieden. 23 Tracks seien insgesamt eingespielt worden, fügt Jagger an. Bis Februar sei dann alles im Kasten gewesen. Zu hören gibt es während der 27 Minuten dauernden Pressekonferenz davon keinen Ton, stattdessen kurze Statements zu einigen Songs. „Whole Wide World“ sei funky, „Driving Me Too Hard“ enthalte ein „lovely riff“ von Keith, der bei „Tell Me Straight“ singt, aber „keine Ahnung hat, worum es da geht“. Erst hätte ein total hartes Album entstehen sollen, dann eins mit Balladen, Lovesongs, Country. Jetzt sei es ein bunter Mix aus allem. Doch ohne ein paar zugehörige Klangschnipsel bleibt das alles vage.
Der weltweite Livestream via Youtube war der vorläufige Schlusspunkt einer wochenlangen Kampagne, die am 23. August mit einer Anzeige in der Londoner Lokalzeitung „Hackney Gazette“ begonnen hatte, in der die Glaserei Hackney Diamonds die Eröffnung einer Filiale ankündigte – mit zahlreichen Verweisen auf die Rolling Stones. Täglich wurde mehr offenbar, Clips, ein paar Sekunden des ersten Songs „Angry“, ein kleines Ankündigungsvideo für die Pressekonferenz mit Fallon. Und jetzt: das Event.
Beim ersten Stones-Album kamen nur zwei gelangweilte Journalisten
Alles läuft locker und lustig ab, fast nie wird nicht gelacht. Man erinnert sich auf Fallons Anfrage an die Präsentation des ersten Stones-Albums 1964. Zwei Journalisten – einer vom „New Musical Express“, einer vom „Melody Maker“ – seien damals in die Denmark Street gekommen. Mehr als ein müdes „Ich hör‘ mal rein“ sei von ihnen nicht zu bekommen gewesen. Die Reviews, erinnert sich Jagger, seien auch nur „mixed“ gewesen.
Und Richards erklärt, wie eine Stones-Platte zuwege zu bringen ist. „Wenn Mick sagt, machen wir eine Platte, sage ich sofort: ‚Let‘s go‘“. Man wisse nicht, wann man ihn das nächste Mal kriege. Um Lieblings-Stones-Songs geht es in einer Handvoll Fragen aus dem Publikum. Mick hat keinen, Keith nennt „Jumping Jack Flash“ und „Gimme Shelter“. Und dann sind plötzlich Moderator und Band in einer A-cappella-Version von „Off The Hook“.
Nur wenn es um Charlie Watts geht, den 2021 gestorbenen Originalschlagzeuger der Band, wird es kurz ernst. „Seit dem Tag, an dem Charlie starb, ist es anders“, sagt Richards. „Natürlich wird er vermisst.“ Aber es wäre viel härter gewesen, hätte Watts nicht eigens seinen Segen für Jordan gegeben.
Als Nachklapp noch die Videopremiere zu „Angry“
Schnell ist alles vorbei, nach einer knappen halben Stunde huschen die drei Rocklegenden durch die Vorhänge, und Fallon verspricht zum Abschied noch die Videopremiere zu „Angry“. Die Schauspielerin Sydney Sweeney, bekannt aus der Serie „Euphoria“, räkelt sich in Lederbustier und Hot Pants im Fond eines roten Cabrios, während auf den riesigen Billboards von Los Angeles Rolling-Stones-Bildmotive aus allen Jahrzehnten lebendig werden und den Song spielen – einen melodiösen Rocker mit dem schon bekannten Klasse-Riff.
Es sei das 24. Album, bestätigt Jagger. Denn Irritationen zum Gesamt-Output der Band gab es während der vergangenen Wochen in der Berichterstattung auch: „Hackney Diamonds“ ist unter Einbeziehung der speziell für die USA gefertigten frühen Scheiben „12 x 5″ (1964) und „December‘s Children (And Everybody‘s)“ (1965) in der geweiteten europäischen Zählweise die 26. Langspielplatte der Rolling Stones, in der offiziellen Zählweise aber erst das 24. Album. In den USA, wo zum Beispiel verschiedene Liedzusammenstellungen des Albums „Aftermath“ (1966) für den amerikanischen und britischen Markt als zwei verschiedene Produkte gewertet wurden, wird „Hackney Diamonds“ schon als das 31. Album gewertet.
Noch 44 Tage bis „Hackney Diamonds“.