Mittel der „Letzten Generation“ seien mild

Soziologe: „Ziviler Ungehorsam war immer ein Mittel in der Auseinandersetzung um Demokratie“

Klimaaktivisten der Umweltschutzbewegung „Letzte Generation“ sitzen auf der Straße und blockieren den Verkehr.

Klimaaktivisten der Umweltschutzbewegung „Letzte Generation“ sitzen auf der Straße und blockieren den Verkehr.

Magdeburg/Berlin/Potsdam. Der Soziologe Matthias Quent sieht die Aktionen der Protestgruppe „Letzte Generation“ als Ausdruck von zivilem Ungehorsam. „Ziviler Ungehorsam war immer ein Mittel in der Auseinandersetzung um die Demokratie. Zivilen Ungehorsam gab es auch im Rahmen der Arbeiterbewegung, bei den 68ern und bei den Anti-Atom-Protesten“, sagte Quent der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg.

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Der Soziologe Matthias Quent.

Der Soziologe Matthias Quent.

„Die bisherigen Mittel der ‚Letzten Generation‘ sind mild im Vergleich zu anderen Protesten“, sagte der Soziologe von der Fachhochschule Magdeburg-Stendal mit Blick auf Ausschreitungen wie beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs 2017 in Hamburg. „Autoritäre Gegenreaktionen und Bestrafungsphantasien sind für die demokratische Kultur gefährlicher als die kurzen Störaktionen an sich.“ Forderungen, dass Verfahren gegenüber Mitgliedern der „Letzten Generation“ auch unter terroristischen Gesichtspunkten geprüft werden sollten, lehnt Quent als unverhältnismäßig ab.

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Soziologe: „Verantwortung für die Klimakrise liegt woanders“

Über Jahrzehnte hätten Politik und Industrie Klimaschutzmaßnahmen ausgebremst und verhindert, sagte der Soziologe. Besonders im Verkehrssektor gehe es kaum voran. „Angesichts dessen ist es auch eine Ausrede, wenn man den Aktivisten vorwirft, sie würden dem Klimaschutz schaden, weil sie die Finger in die Wunde legen. Man mag die Aktionen gut finden oder nicht, aber die Verantwortung für die Klimakrise liegt woanders“, so Quent.

Aktivisten der Protestgruppe „Letzte Generation“ hatten am Donnerstag den Betrieb am Berliner Flughafen lahmgelegt. Die Klimaaktivisten hatten in den vergangenen Wochen zudem immer wieder den Straßenverkehr blockiert und sich an Gemälden in Museen festgeklebt. Ihr Ziel ist es, öffentliche Aufmerksamkeit auf die Folgen des Klimawandels zu lenken und Politiker zum Handeln aufzufordern. Anfang der Woche hatten Mitglieder der Gruppe unter anderem auch den Berufsverkehr in Magdeburg blockiert.

Ministerpräsident Woidke dringt auf Konsequenzen

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält nach der jüngsten Aktion der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ staatliche Konsequenzen für notwendig. „Wir dürfen solche Vorkommnisse nicht bagatellisieren“, sagte Woidke der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ). „Der Rechtsstaat muss und wird handeln.“ Details nannte er zunächst nicht.

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Spätestens mit der Aktion auf dem Flughafen BER sei eine Grenze überschritten worden. Die Aktivisten nähmen bewusst die Gefährdung von Menschen und Strukturen in Kauf, um Aufmerksamkeit für sich zu erzeugen. Damit werde dem wichtigen Anliegen des Klimaschutzes geschadet.

Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, nimmt an einer Pressekonferenz teil.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann sieht die „Letzte Generation“ laut „MAZ“ zunehmend auf dem Weg zu einer kriminellen Vereinigung. Auch Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl distanzierte sich demnach von der Protestgruppe.

Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) hatte am Freitag davon gesprochen, dass möglicherweise mehrere Straftaten für die Aktion in Betracht kommen, auch schwerere wie Nötigung oder Eingriff in den Luftverkehr. Das prüfe die Staatsanwaltschaft.

Linken-Chef Schirdewan: Anliegen der Klimaaktivisten ernst nehmen

Linken-Chef Martin Schirdewan warb dafür, das Anliegen der Klimaaktivisten ernst zu nehmen. „Mir geht es darum, dass wir über das eigentliche Problem reden und dass ist der Klimawandel, das ist, dass wir als Gesellschaft in die Klimakatastrophe marschieren“, sagte Schirdewan am Samstag im Deutschlandfunk. Die Aktivistinnen und Aktivisten griffen zu „drastischen Mitteln“, die ihn selbst teils nervten, so der Linken-Politiker. Entscheidend sei, dass niemand zu Schaden komme.

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Linken-Chef Martin Schirdewan.

Linken-Chef Martin Schirdewan.

Es gebe positive Beispiele in der deutschen Geschichte zivilen Ungehorsams. „Und ich glaube, das ist ein wichtiger Bestandteil tatsächlich auch der politischen Kultur, solange niemand zu Schaden kommt“, sagte Schirdewan.

Deutschland habe zudem ein Strafrecht, das funktioniere. Es brauche keine Verschärfung des Strafrechts, und man könne die Leute auch nicht einfach wegsperren, sondern müsse über das eigentliche Thema reden, so Schirdewan. Er sei aber dafür, „dass angemessene Strafen, wenn notwendig, erteilt werden“.

RND/dpa

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