Tigermücke wird zur importierten Gefahr
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Ungebetener Gast: Die Tigermücke ist in Deutschland eigentlich nicht heimisch. Den langen Weg aus Asien überwindet sie oft als blinder Passagier in Warenlieferungen.
© Quelle: Foto: Fotolia | Montage: RND
Hannover. Freiburg ist alarmiert. Und zwar so sehr, dass derzeit alles umgedreht und trockengelegt wird. Blumenkübel, Regentonnen und Balkonkästen. Nachdem die Behörden die Asiatische Tigermücke in einer Kleingartenkolonie entdeckt hatten, rief die Stadt die Bürger auf, bei der Bekämpfung des Eindringlings mitzuhelfen und mögliche Brutstätten zu eliminieren.
Experten begrüßen den Aktionismus der Freiburger im Kampf gegen das Insekt. Denn wie schnell aus einer kleinen Mücke ein großes Problem werden kann, erlebte man 2007 in Italien, wo plötzlich das tödliche und sonst nur im asiatischen Raum bekannte Chikungunya-Virus grassierte. Damals war ein infizierter Inder nach Norditalien gereist und dort von einer Tigermücke gestochen worden. Das Tier trug das Virus weiter – und zwar ziemlich erfolgreich. 200 Krankheitsfälle und ein Toter wurden registriert.
Der Autoreifenhandel brachte die Tigermücke nach Europa
1990 trat die Tigermücke, die auch das Denguefieber sowie das Gelbfieber überträgt, erstmals auf dem europäischen Kontinent in Genua auf. Schuld war der weltweite Handel mit Gebrauchtreifen – und Asien ist einer der größten Reifenexporteure der Welt. Das Gummi bietet den Weibchen ideale Bedingungen, ihre Eier abzulegen: ein feuchtes und warmes Klima. Laufen die Reifen mit Regenwasser voll, schlüpfen die Tiere. Einmal in Italien angekommen, breitete sich die Tigermücke Richtung Norden aus. Die aggressiven Tiere verfolgten Autofahrer bis in ihre Wagen und reisten als heimliche Mitfahrer bis nach Baden-Württemberg.
Mittlerweile hat die Asiatische Tigermücke das dritte Jahr in Deutschland überwintert. Damit, so erklärt Helge Kampen, Mückenforscher und Virologe am Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems in Mecklenburg-Vorpommern, sei die Tigermücke so gut wie heimisch geworden. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir sie nicht mehr loswerden. Also müssen wir versuchen, zumindest die Population so klein wie möglich zu halten.“ Denn im Übertragen von Viren sei das tagaktive und aggressive Insekt „extrem effizient“.
Die wirkliche Gefahr geht von den Reiserückkehrern aus
Solange sie auf keinen infizierten Menschen trifft, geht keine größere Gefahr von der Tigermücke aus. Doch das kann sich jederzeit ändern. „Denn je höher die Populationsdichte, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tigermücke auf einen erkrankten Reiserückkehrer trifft“, warnt Kampen. Doreen Walther, Deutschlands wohl bekannteste Mückenexpertin vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), sieht das Auftreten der Tigermücke mit der Gelassenheit einer Wissenschaftlerin. Immerhin seien Mückenarten wie die Tiger- oder auch die Gelbfiebermücke gut erforscht. Ganz im Gegensatz zur herkömmlichen Stechmücke, über die man noch vergleichsweise wenig wisse.
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Helge Kampen hat Walther den deutschen Mückenatlas erstellt – eine Datenbank mit sogenannten mückenrelevanten Daten für Deutschland. Dazu bedienen sich die Forscher einer denkbar einfachen Methode: Sie werten Einsendungen aus der ganzen Bundesrepublik aus. Walthers erste Asiatische Buschmücke beispielsweise, auch bekannt als Japanischer Buschmoskito und Überträger von Krankheitserregern wie dem West-Nil-Virus, kam in einem Briefumschlag aus Barsinghausen bei Hannover im ZALF an.
Mit Bakterien gegen die Plagegeister
Wenn das Auftreten der Plagegeister überhandnimmt, kommt Norbert Becker ins Spiel. Becker ist Vorsitzender der KABS, der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage, und damit so etwas wie Deutschland Mückenjäger Nummer eins. Becker will die leidgeprüften Kommunen am Rhein stechmückenfrei bekommen. Im Moment ist bei ihm Hauptsaison, auch wenn das Mückenjahr 2017 bisher noch moderat ausgefallen sei. Bisher, denn das könne sich – wie der Wetterbericht – jederzeit ändern. Zwei Einsätze sind Becker und sein Team bisher geflogen. Aus Hubschraubern verteilen sie entlang der Rheinauen das Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis, kurz Bti. Das Bakterium sorgt für einen langsamen Tod der Insekten, indem es die Darmwand der Larven zerstört. Das klingt brutal, ist aber umweltverträglich, wie Becker versichert.
Von Nora Lysk/RND