Vom Monster Putin bis zur Waffe an der Schläfe

Bilanz der Zeitenwende: Was aus den Ankündigungen geworden ist

Die Bundeswehr wurde mit einem Sondervermögen ausgestattet.

Die Bundeswehr wurde mit einem Sondervermögen ausgestattet.

Berlin. Drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Bundestag zu einer Sondersitzung zusammengetrommelt und eine „Zeitenwende“ verkündet. Er benannte fünf Handlungsaufträge: Hilfe für die Ukraine, Beendigung des russischen Kriegskurses, Zusammenhalt von Nato und EU sowie Unterstützung Osteuropas, Aufrüstung der Bundeswehr und stabile Energieversorgung, diplomatische Initiativen. Am Donnerstag zog Scholz nun Bilanz – und die Opposition die ihre. Ein Überblick, was aus den Ankündigungen von damals geworden ist.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

+++ Alle aktuellen News zum Krieg in der Ukraine im Liveblog +++

Hilfe für die Ukraine

Die humanitäre, wirtschaftliche und militärische Unterstützung beläuft sich inzwischen auf mehr als 14 Milliarden Euro. Deutschland hat für die Ukraine sein Prinzip aufgegeben, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Inzwischen wurden dem angegriffenen Land Artillerie- und Luftverteidigungs­systeme, Schützenpanzer Marder, Flakpanzer Gepard, Kampfpanzer Leopard, Panzerhaubitzen und Mehrfachraketenwerfer zugesagt. Scholz verspricht auch verlässlichen Nachschub an Munition und Ersatzteilen. Geheimdienste warnen aber schon, es mangele der Ukraine dramatisch an Munition.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Manchen in der Ampelkoalition gingen und gehen Entscheidungen nicht schnell genug. Scholz betont aber, er stimme sich eng mit anderen Ländern ab und achte darauf, „dass die Nato nicht zur Kriegspartei wird“. AfD-Chef Tino Chrupalla findet, Deutschland sollte sich nicht einmischen: „Es ist nicht unser Krieg.“ Ziel sei es, Russland zu zerschlagen – damit ist er einer Meinung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Beendigung des russischen Kriegskurses

Dieses große Ziel liegt vermutlich noch in weiter Ferne. Ob Scholz, ob Unionsfraktionschef Friedrich Merz, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich oder die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann – ihre Analyse ist dieselbe: Wenn Putin sich heute aus der Ukraine zurückzieht, ist der Krieg morgen zu Ende. Wenn die Ukraine heute aufhört, sich zu verteidigen, ist die Ukraine morgen am Ende. Mützenich formuliert es so: „Wir müssen dem Monster Putin entgegentreten.“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagt dagegen, Waffenlieferungen kosteten Menschenleben. Putin ist Scholz zufolge aber nicht verhandlungsbereit. Der Kremlchef lässt die Kritik des Westens an seinem völkerrechtswidrigen Krieg abperlen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Zusammenhalt der Bündnisse

Russlands Angriff auf die Ukraine hat Nato und EU „geeint wie selten zuvor“, stellt Scholz mit Genugtuung fest und verweist auf zehn Sanktionspakete gegen Russland, die Wiederaufbauhilfe für die Ukraine und den EU-Kandidatenstatus für die Ukraine und andere Staaten. Osteuropäischen Ländern wie Polen und den baltischen Staaten, die sich als nächste mögliche Opfer Russlands sehen, waren die Entscheidungen oft zu zögerlich.

Friedrich Merz lobt zwar, die europäischen Länder hätten zusammengehalten, in Sicherheitsfragen bestehe aber weiterhin Abhängigkeit von den USA: „Ohne Hilfe der Amerikaner wäre die Hauptstadt Kiew und das ganze Land in russischer Hand.“ Scholz habe die Lieferung von Leopard-Panzern davon abhängig gemacht, dass die USA Abrams-Panzer zur Verfügung stellen und damit die transatlantischen Beziehungen verschlechtert. Im Kanzleramt wird dagegen von einer Verbesserung gesprochen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Aufrüstung der Bundeswehr und stabile Energieversorgung

Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Ausrüstung der Bundeswehr sowie einen Wehretat von „mehr als zwei Prozent des Bruttoinlands­produkts“ kündigte Scholz vor einem Jahr an. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisiert, es sei „keine Patrone“ mehr beschafft worden. Auch Merz findet, das Sondervermögen hätte längst Rüstungs­entscheidungen zur Folge haben müssen. Er weist darauf hin, dass der Verteidigungsetat in diesem Jahr 300 Millionen Euro weniger habe als 2022 und dass von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen erst 600 Millionen Euro eingesetzt worden seien. Scholz versichert, Verträge für Rüstungsprojekte würden noch dieses Jahr abgeschlossen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Seine Aussage, Deutschland sei bereits widerstandsfähiger geworden, erntet Gelächter bei der Opposition. Scholz spricht nun beim Wehretat vom Erreichen des „Zwei-Prozent-Ziels der Nato“. Von einer Überschreitung ist nicht mehr die Rede. Derzeit liegt Deutschland bei 1,5 Prozent. Zufrieden ist Scholz auch mit der Energiepolitik, mit schnell gebauten LNG-Terminals, Gaslieferungen aus anderen Ländern und Entlastungs­paketen: „Wir sind gut durch den Winter gekommen – auch ohne russische Gaslieferungen.“ Dagegen regt sich kein Protest.

Hauptstadt-Radar

Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Berliner Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Diplomatie

„So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein“ – das war Scholz’ fünfter Punkt in der Zeitenwende-Rede von 2022. Zumindest öffentlich ist von diplomatischen Initiativen von Scholz wenig durchgedrungen – bis auf des Kanzlers Reise nach Peking, als Präsident Xi Jinping vor der Drohung mit Atomwaffen warnte und damit indirekt Putin meinte.

„Das hat zur Deeskalation beigetragen“, sagt Scholz. Man spreche zudem mit der Ukraine und anderen Ländern über mögliche Sicherheitsgarantien, die nach einem Friedensschluss vor erneuten Angriffen schützen würden. Auch in Asien, Afrika und Südamerika, wo die Positionierung für die Ukraine oft weniger entschlossen ist, werbe man für diese Haltung. Er betont, man müsse es der Ukraine überlassen, über die Bedingungen für Frieden zu entscheiden. Denn: „Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln.“


Mehr aus Panorama

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken