„Zombieland“ der Süchtigen: Paris und sein Crackproblem

Der Park Jardins d'Éole in Paris.

Der Park Jardins d'Éole in Paris.

Paris. Sie scheinen nur mehr Schatten ihrer selbst zu sein. Vor allem zwischen den Metrostationen Stalingrad und La Chapelle im Nordosten von Paris halten sie sich auf, lehnen an Geländern, sitzen am Boden herum, denn die Sitzbänke wurden abgebaut. Sprechen Passanten und Passantinnen an, um sie um einen Euro zu bitten. Tag und Nacht sind sie dort, verwahrloste Gestalten, entweder gerade benebelt und high oder nervös auf der Suche nach neuem Stoff oder Geld dafür.

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Bürgermeister nennt das 19. Arrondissement „europäischer Zufluchtsort des Cracks“

Die Betreffenden sind süchtig nach Crack. Das 19. Arrondissement von Paris, in dem sich der besonders betroffene Bereich befindet, sei der „europäische Zufluchtsort des Cracks“, so sagte es der Bürgermeister dieses Stadtteils, François Dagnaud. Die Zeitung „Le Parisien“ schreibt von „Zombieland“.

Hier, um das künstliche Stadtgewässer Bassin de la Villette, befindet sich ein Drogenumschlagplatz, den weder die Polizei noch die zuständigen Lokalpolitiker in den Griff bekommen. Crack (hergestellt aus Kokainsalz und Natron) macht sehr schnell abhängig und ist deutlich günstiger als Kokain – bei ähnlichen Effekten. Doch da die Wirkung nach nur fünf bis 15 Minuten nachlässt, brauchen Süchtige oft und schnell Nachschub.

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Parköffnung sorgt für Vervielfachung der Abhängigen und Dealer

Ein Teufelskreis, von dem die Dealer profitieren, die in hoher Zahl in dieser Gegend unterwegs sind. Die Zahl der Crackabhängigen im Großraum Paris wird auf 13.000 geschätzt. Die meisten beschaffen sich ihren Stoff im Norden, im zehnten, 18. und 19. Bezirk. Das Gebiet um den hier befindlichen Park „Jardins d’Éole” trägt sogar den Namen „la colline du crack”, „Crackhügel”.

Seit den 2000er-Jahren wurde der Park regelmäßig evakuiert. Weil in dieser Gegend auch besonders viele Flüchtlinge ohne feste Unterkunft campieren, sorgen sich Flüchtlingshilfsorganisationen, die Hilfesuchenden könnten in den Drogenkonsum und -handel hineingezogen werden. Und manchmal passiert das auch.

Das Problem dauert seit Jahren an, trotz eines 2019 von der Stadt beschlossenen Anti-Crack-Plans, der mit 3 Millionen Euro dotiert ist. In diesem Sommer eskalierte die Situation. Nachdem das Rathaus entschieden hatte, die „Jardins d`Éole“ im Juni versuchsweise nachts als Zufluchtsort für die Crackabhängigen und ihre Dealer geöffnet zu lassen, vervielfachte sich deren Zahl.

Eine Mutter: „Wir leben in Angst“

Der Park wurde bald wieder geschlossen und fortan irrten die abhängigen Menschen und ihre Lieferanten und Lieferantinnen in den Straßen herum. Schließlich gingen die Anwohnenden auf die Barrikaden und verabredeten sich abends, um mit Blechgeschirr laut zu trommeln und damit ihrem Frust über den Lärm, das Gefühl der Unsicherheit, die Angst vor Diebstahl und Gewalt Ausdruck zu verleihen.

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Es gab sogar Schüsse mit Mörsern. „Wir können unsere Kinder nicht mehr allein in die Schule schicken. Ich musste eine Kinderfrau dafür engagieren“, sagte eine Mutter in der Zeitung „Le Monde“. „Wir leben in Angst.“

Die Schließung des Parks ging auf einen Entschluss zurück, den das Rathaus gegen die Meinung des zuständigen Polizeipräfekten Didier Lallement, der dem Innenministerium unterstellt ist, getroffen hatte. Tatsächlich herrscht Uneinigkeit zwischen der Regierung und der Stadt über das weitere Vorgehen. Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo fordert die Einrichtung von speziellen Drogenkonsumräumen mit therapeutischer Behandlung, welche der Präfekt ablehnt.

Mediziner: Positive Bilanz für den Fixerraum

Vor fünf Jahren öffnete ein erster experimenteller Fixerraum in der Nähe des Nordbahnhofs, wo Drogenabhängige betreut und nachts untergebracht sind: Während Anwohnende sich beschweren, ziehen die Stadt und medizinisches Fachpersonal der nationalen Gesundheitsbehörde bisher eine positive Bilanz.

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Der Präfekt Lallement schlug nun als Zwischenlösung die Verlagerung des Drogenumschlagplatzes auf einen anderen Platz im Norden der Stadt, unterhalb der Ringautobahn Périphérique, vor – das wiederum hält Hidalgo für nicht praktikabel. Noch in diesem Sommer, so sagte sie im Juli, werde sie einen Drogenkonsumraum öffnen. Wo genau er geplant ist, wurde bislang nicht bekannt.

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