Zurück zur Tischkultur: Ein Besuch in der Manufaktur Fürstenberg

„Da braucht man Geduld, eine ruhige Hand und ein gutes Auge“: Dagmar Laske ist Porzellanmalerin in der Manufaktur Fürstenberg.

„Da braucht man Geduld, eine ruhige Hand und ein gutes Auge“: Dagmar Laske ist Porzellanmalerin in der Manufaktur Fürstenberg.

Fürstenberg. Der Weg nach Fürstenberg ist sagenumwoben und geschichtsträchtig. Sanfte Hügel, weitläufige Täler, durch die sich die Weser schlängelt, prägen die Landschaft zwischen Hameln und Holzminden. Hier und da ragen alte Klostermauern auf, gibt es Wegweiser zu einst hochherrschaftlichen Häusern. Denkmäler der Weserrenaissance erinnern an den Glanz vergangener Zeiten; in den kleinen Ortschaften ringsherum verwittern Fachwerkhäuser, Läden stehen leer und Bauernhöfe zerfallen.

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Die Tristesse spart Dagmar Laske aus. Sie konzentriert sich auf die wilde Schönheit der Natur und die Erhabenheit historischer Bauten. Wie ein auseinandergefaltetes Leporello zieht sich ihr mit Bleistift vorgezeichnetes Landschaftspanorama um eine hohe bauchige Vase. Es ist in doppelter Hinsicht ein beeindruckendes Kunstwerk – obwohl es noch gar nicht fertig ist.

Geduld, eine ruhige Hand und ein gutes Auge

Dagmar Laske ist Porzellanmalerin. Ihr Handwerk hat sie in Meißen gelernt, heute arbeitet sie für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg in Fürstenberg. Porzellan bemalen – es klingt nach uralten Fertigkeiten, konzentrierter Ruhe, kreativer Feinarbeit. Ist es auch. Aber die Porzellanmalerin heißt heute offiziell Industriekeramikerin für Dekorationstechnik. Und zum Pinsel greift Dagmar Laske beim Verzieren von Geschirr und Vasen nur noch selten.

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Neue Techniken ersetzen immer mehr das freihändige Zeichnen und Ausmalen. „Weniger aufwendig wird die Dekorarbeit dadurch nicht“, sagt Dagmar Laske. „Auch wenn man Folien und Schablonen verwendet, ist das doch immer noch Handarbeit.“ Hauchdünne Farbfolien müssen etwa beim Schiebedruckverfahren von Hand aufgelegt werden. Gleich einem Abziehbild entsteht dann ein Motiv auf der Oberfläche.

Klingt einfach, ist aber trickreich, vor allem wenn es sich um Objekte mit Ecken, Kanten und filigranen Ausarbeitungen handelt. „Da braucht man Geduld, eine ruhige Hand und ein gutes Auge“, sagt Laske, während sie eine gepunktete Folie luftblasenfrei über eine Teekanne legt – ein unverfälschtes Abbild dessen, was ein Designer am Computer entworfen hat.

Zwischen Hightech und Handarbeit: Dagmar Laske bei der Arbeit.

Zwischen Hightech und Handarbeit: Dagmar Laske bei der Arbeit.

In der Schauwerkstatt auf Schloss Fürstenberg erläutert Dagmar Laske Besuchern die unterschiedlichen Techniken. Doch trotz der vielen durchaus bewundernden „Ahs“ und „Ohs“ zieht es die meisten Besucher an einen großen Tisch: Dort werden Einzelstücke wie die imposante Panoramavase von Hand bemalt.

Fasziniert sind die Zuschauer, weil aus schmucklosen Gebrauchsgegenständen kostbare Unikate werden. Fasziniert sind sie auch, weil diese Unikate zwar wunderschön anzusehen, aber längst nicht so begehrt wie in der Hochzeit des europäischen Porzellans im 18. Jahrhundert. Feinarbeit fürs Museum?

Es war zu allen Zeiten eine kleine, wohlhabende Schicht, die sich solches Kunstwerk leisten konnte. Heute kommt hinzu: Es will sich auch nur eine sehr kleine Klientel, in jüngerer Zeit vor allem aus Russland und arabischen Staaten, diesen Luxus leisten.

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Rezeptur als Staatsgeheimnis

Der sächsische Kurfürst August der Starke, bekannt für Prunksucht und Sammelleidenschaft, war der erste europäische Herrscher, der „Arkanisten“ mit der Herstellung von Hartporzellan beauftragte. Die Berufsbezeichnung für Chemiker, die mit weißer Tonerde, dem Kaolin, experimentierten, um es den Chinesen gleichzutun, deutet darauf hin, welchen Stellenwert Porzellan hatte: Arkanum ist das lateinische Wort für Geheimnis.

Die 1710 entwickelte europäische Rezeptur war denn auch ein Staatsgeheimnis. Der Fürst hütete und hortete das „weiße Gold“. Doch die Konkurrenz schlief nicht, und „Arkanum“ wurde alsbald nicht nur in Meißen, sondern unter anderem auch in Wien und eben Fürstenberg produziert.

Im Weserbergland gab es große Kaolinvorkommen. Fürstenberg, seit der Gründung 1747 durch Herzog Carl I. von Braunschweig im gleichnamigen Ort ansässig, ist nach Meissen (so die Schreibweise des Markennamens) der zweitälteste bis heute am selben Standort produzierende Porzellanhersteller Deutschlands.

Bis heute ist Fürstenberg Porzellan für seine besonders filigranen Arbeiten und besonders dünnwandiges Porzellan bekannt.

Bis heute ist Fürstenberg Porzellan für seine besonders filigranen Arbeiten und besonders dünnwandiges Porzellan bekannt.

Der Herzog richtete in seinem Jagdschloss auf einem Felsvorsprung oberhalb der Weser Werkstätten ein. Bis in die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts blieben sie dort. Die ausgetretenen Holzstufen im Treppenhaus des Hauptgebäudes mit den hell getünchten Fachwerkbalken zeugen von der Geschäftigkeit, mit der Generationen von Arbeitern hier auf und ab gelaufen sind.

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Als „Arbeitsschloss“ bezeichnet denn auch Stephanie Saalfeld das Anwesen. Seit 20 Jahren ist sie Geschäftsführerin der Manufaktur Fürstenberg, die zu 98 Prozent der Braunschweig GmbH und zu 2 Prozent dem Landkreis Holzminden gehört. Die Werkstätten, in denen geformt und gebrannt wird, sind heute in einem modernen Gebäudekomplex auf dem weitläufigen Grundstück untergebracht. Das Haupthaus beherbergt ein nagelneues Museum sowie ein Schaumagazin – eine Schatzkammer.

Das Haupthaus beherbergt ein nagelneues Museum sowie ein Schaumagazin – eine wahre Schatzkammer.

Das Haupthaus beherbergt ein nagelneues Museum sowie ein Schaumagazin – eine wahre Schatzkammer.

Hinter Vitrinenglas sind Service, Figürchen und Vasen auf einer Zeitskala angeordnet. Trotz wechselnder Moden und Designer ist die Manufaktur sich im Kern auffällig treu geblieben. Goldumrandete, geblümte Terrine im Rokokostil aus der Ursprungslinie Alt Fürstenberg, Jugendstiltasse mit einem an verzweigtes Astwerk erinnernden Henkel von 1903, orange-blau lackierte Teller aus den Siebzigerjahren oder Champagnerbecher mit Comicmotiven außen und 24-karätigem Gold innen – stets leuchten die Farben, ist das Weiß strahlend, das Material filigran.

Wie gelingt das? „Fürstenberg steht seit jeher für einen besonderen Weißgrad und besonders dünnes Porzellan. Eine Tasse geht bei uns durch hundert Hände, bevor sie beim Kunden ankommt. Das war immer so und wird immer so bleiben“, sagt Saalfeld. Doch diese Handarbeit hat ihren Preis. Und da wird es schwierig.

In einer Zeit, in der Dekoshops und Einrichtungshäuser ihren Kunden Kaffeebecher oder Müslischalen fast hinterherschmeißen, mögen nur wenige Menschen mehr als 50 Euro für einen schmuck- und henkellosen weißen Becher ausgeben. Saalfeld und ihre Mitarbeiter wissen das und versuchen, mit Schauwerkstätten und Werksverkauf Überzeugungsarbeit zu leisten.

Kooperation auch mit externen Künstlern und Designern

Einblicke in die eigentliche Produktion werden dagegen kaum gewährt. Es gibt, Arkanum, einige Betriebsgeheimnisse. Alle Maschinen sind nach speziellen Vorgaben für Fürstenberg angefertigt. Für Hartporzellan wird die flüssige Masse aus Kaolin, Feldspat und Quarz in Negativformen aus Gips gegossen und zweimal gebrannt, erst im Glühbrand bei 1000 Grad, nach dem Glasieren im Glattbrand bei 1400 Grad. Die hohe Temperatur macht das Porzellan schlag- und kratzfest. Nach dem Brennen wird gesäubert, geschliffen, poliert.

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Je nach Objekt braucht es mehrere Tage, bis ein Produkt die Werkstatt verlässt und gegebenenfalls noch in die Dekorabteilung wandert, um dort nochmals gebrannt zu werden. Bei der Arbeit zählt Flexibilität. Denn die Kooperation auch mit externen Künstlern und Designern bedarf immer wieder anderer Techniken.

So hat Fürstenberg jüngst erstmals ein Kleinmöbel aus Porzellan hergestellt: Die Fertigung des Beistelltischs Plisago in Plisseeoptik, kreiert von dem Designduo Eva Marguerre und Marcel Besau, die unter anderem auch die Hamburger Elbphilharmonie möbliert haben, dauert pro Stück rund zwei Wochen.

Filigranes Möbelstück aus feinstem Porzellan: Der Beistelltisch Plisago.

Filigranes Möbelstück aus feinstem Porzellan: Der Beistelltisch Plisago.

An die 300 000 Porzellanteile werden jährlich in Fürstenberg produziert. Der Umsatz liegt laut Saalfeld „stabil“ bei jährlich rund 5 Millionen Euro. Vertrieben wird Fürstenberg im Fachhandel sowie über einen eigenen Onlineshop, in dem man telefonisch oder per E-Mail persönliche Einkaufsberatung ordern kann.

„Authentische und umfassende Beratung steht für uns an erster Stelle“, sagt Saalfeld. Es ist ein viel bemühter Satz von Branchen, die krisenerprobt sind und immer wieder neue Nischen finden müssen, um zu überleben. Wie Meissen, Rosenthal, KPM und viele andere namhafte Hersteller war auch Fürstenberg durch Kriege und Wirtschaftskrisen angeschlagen.

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Preisdruck und gesellschaftlicher Wandel

Beschäftigte die Manufaktur zu Beginn der Siebzigerjahre noch mehr als 500 Mitarbeiter, sind es heute nur noch knapp 100. Überkapazität und Preisdruck auf dem Markt mit Standardware machen Traditionshäusern zu schaffen. „Erhebliche Auswirkungen auf unsere Branche hatte aber auch der gesellschaftliche Wandel, der in den Siebzigerjahren eingesetzt hat“, sagt Saalfeld.

Mit der Entwicklung von der Großfamilie zum Singlehaushalt ist das „gute Geschirr“, das einst Kaffeetafeln und notfalls noch das Vertiko zierte, auf der Strecke geblieben. Wohnungen verkleinerten sich ebenso wie die häusliche Essensrunde. Wer braucht da noch ein Service für 24 Personen?

Moderne Formen, klare Linien: Statt dem klassischen Kaffeeservice für 24 Personen werden heute vor allem kleinere, exklusive Porzellansets nachgefragt.

Moderne Formen, klare Linien: Statt dem klassischen Kaffeeservice für 24 Personen werden heute vor allem kleinere, exklusive Porzellansets nachgefragt.

Was Großmütter zu besonderen Anlässen hervorgeholt haben, galt Enkeln lange als überladen und spießig. Stempel und Punzen am Tellerboden, die die Älteren bei Tischgesellschaften gern etwas verschämt mit dem Messer gespiegelt haben, um zu sehen, mit welcher Marke sie es zu tun haben, interessierten lange nicht. Doch mittlerweile schauen auch Jüngere genauer hin.

Porzellan als reines Prestigeobjekt ist passé – aber das Interesse an wertigem Porzellan als Gebrauchsgegenstand wächst. Darauf setzt Fürstenberg wie andere Hersteller, etwa die Königliche Porzellanmanufaktur (KPM) in Berlin, die jüngst unter anderem mit einer Currywurstschale Furore machte. Die Verbraucher lassen sich darauf ein. KPM ist der am stärksten wachsende deutsche Porzellanhersteller.

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Noch aber kämpft das Unternehmen, nach einem missratenen Ausflug in die Welt modischer Lifestyle-Produkte, mit Millionenverlusten. Jetzt will man sich in den Meissen-Werkstätten wieder auf die Kernkompetenz Porzellan konzentrieren. Bis 2022 sollen dem „Handelsblatt“ zufolge rund 28 Millionen Euro vor allem in Produktion und Gebäude investiert werden; bis Ende 2020 will die Manufaktur wieder schwarze Zahlen schreiben. Kooperationen mit angesagten Künstlern, Köchen oder Designern werden gepflegt. Rosenthal etwa kooperiert mit dem italienischen Modehaus Versace als Zugpferd.

„Wir wollen kein Porzellan für die Vitrine machen“

Den Begriff Luxus aber vermeidet Stephanie Saalfeld. Sie spricht lieber von „Premiumsegment“. Hochwertiges Porzellan soll es bei Fürstenberg in unterschiedlichen Preisklassen für ein differenziertes Publikum geben. „Wir legen Wert darauf, dass jeder, ob jung oder alt, etwas bei uns findet“, sagt die Geschäftsführerin und holt ein vierteiliges Set aus der Vitrine des Showrooms.

Die Kombination aus flachem Teller, Suppenteller, Schale und Becher aus der Serie Omnia symbolisiert nicht zuletzt auch den Weg, den Fürstenberg einschlägt, um neue Käuferschichten zu erschließen. Es verbindet alte Handwerkskunst mit frischem Design, in diesem Fall von dem Wiener Designtrio Eoos. Trotz des hochwertigen Materials ist es funktional, alltagstauglich und ästhetisch unverbindlich.

„Wir wollen kein Porzellan für die Vitrine machen“, betont Saalfeld und bricht doch sogleich eine Lanze für das „gute Geschirr“ der Großmutter. „Mix and match“ sei angesagt: „Da kann man durchaus einen alten goldumrandeten tiefen Teller auf einen einfarbigen modernen Platzteller stellen. Das passt doch perfekt in eine Zeit, in der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit großgeschrieben werden.“ Und: „Diese Sehnsucht spielt uns Porzellanherstellern in die Hände.“

Funktional, alltagstauglich und ästhetisch unverbindlich: Eine Kooperation mit den Designern Eoos aus Wien.

Funktional, alltagstauglich und ästhetisch unverbindlich: Eine Kooperation mit den Designern Eoos aus Wien.

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Tatsächlich wird mit gesteigertem Ernährungsbewusstsein auch so etwas wie Tischkultur wieder spannend. Dazu tragen Trendlokale und Sterneköche bei. Aber auch die Besseresser, die in Küchen als die neuen Wohnzimmer investieren und jeden Food-Trend zelebrieren. Einrichtungsexperten und Händler propagieren eine neue Opulenz für die Tafelrunde mit Serviettenringen, Platztellern, Schüsseln und Schalen.

Gern auch mit Goldrand und entsprechender Familiengeschichte. Marketingfachleute beobachten: Geschichten, Tradition und alte Werte verkaufen sich in politisch unruhigen Zeiten besonders gut. Nicht umsonst entstaubten neben Fürstenberg auch Firmen wie Villeroy und Boch oder Rosenthal historische Dekore und legten sie neu auf.

„Ich trage die Vase selbst zum Brennofen“

Möglich, dass auch Dagmar Laskes stattliche Vase mit dem aufwendigen Landschaftsbild bald einen Käufer findet, der sich für alte Formen und Motive begeistert. Noch braucht es einige Farbaufträge und Brennvorgänge, bis das Kunstwerk fertig ist.

Bis dahin gibt es Laske nicht freiwillig aus der Hand: „Ich trage die Vase selbst zum Brennofen und wieder zurück in die Werkstatt“, verrät sie. Zwar hätten alle im Haus ein sicheres Händchen für Porzellan, doch bei einem solchen Stück könne man nicht vorsichtig genug sein. Zumal zerbrochene Scherben, so heißt in der Fachsprache der Keramiker das gebrannte Porzellan, kein Glück bringen. Also schnell auf den Tisch damit.

Noch braucht es einige Farbaufträge und Brennvorgänge, bis die Vase von Dagmar Laske fertig ist.

Noch braucht es einige Farbaufträge und Brennvorgänge, bis die Vase von Dagmar Laske fertig ist.

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„Wir müssen uns von den Billigimporten aus Asien abheben“

Christoph René Holler ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Keramische Industrie. Der Verband versteht sich als Lobbyist für die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen der feinkeramischen Unternehmen.

Christoph René Holler ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Keramische Industrie. Der Verband versteht sich als Lobbyist für die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen der feinkeramischen Unternehmen.

Herr Holler, ist das nur so ein Gefühl, oder erlebt Porzellan tatsächlich gerade eine Renaissance?

Nein, anhand der Zahlen können wir leider nicht erkennen, dass es eine Renaissance gibt. In diesem Jahr hatten die deutschen Porzellanhersteller im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzrückgang von 5,1 Prozent. Ähnlich sah es im letzten Jahr aus. Daher ist es schwierig zu behaupten, Porzellan erlebe eine Renaissance. Lediglich im Projektgeschäft, also im professionellen Bereich, ist die Nachfrage zuletzt gestiegen. In Gaststätten, Seniorenwohnanlagen und Krankenhäusern wird neuerdings wieder mehr Wert auf gutes Geschirr gelegt, dort konnten die deutschen Porzellanhersteller in den vergangenen Jahren große Erfolge feiern.

Wie sieht es in Privathaushalten aus? Spätestens zu Weihnachten ist gutes Geschirr doch der Renner.

Das ist richtig. Je näher Weihnachten rückt, umso besser läuft das Geschäft. Viele Kunden haben es dabei vor allem auf die Weihnachtskollektionen abgesehen, die viele Hersteller im Angebot haben. Gemeint ist Porzellan mit Weihnachtsdekor, also mit Tannenbäumen, Glocken und Nikoläusen. Diese Porzellanlinien funktionieren gut, speziell bei Familien mit Kindern.

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Woran liegt es, dass Porzellan ansonsten aus der Mode ist?

Das hat mehrere Gründe. Der wohl wichtigste Faktor ist, dass jüngere Generationen weniger Wert auf hochwertiges Porzellan und Essen am gedeckten Tisch legen. Die sonntägliche Kaffeetafel, Familienfeiern zu Hause, Gäste zum Abendessen – die Anlässe, das gute Geschirr aus dem Schrank zu holen, sind aus der Mode gekommen. Wer greift heute noch zur Kaffeekanne aus Porzellan? Man stellt seinen Becher direkt unter den Kaffeeautomaten oder läuft mit Thermobecher aus dem Haus. Das ist ein Kulturwandel, den man nur in Teilen auffangen kann – etwa, indem die Geschirrhersteller Coffee-to-go-Becher aus Porzellan herstellen, die man immer wieder verwenden kann. Aber den Trend halten wir nicht auf.

Einst war die Porzellanmarke identitätsstiftend. Gilt Porzellan heute noch als Statussymbol?

Nicht mehr so wie früher. Es ist nicht mehr die Regel, dass jede Familie ein gutes Geschirr besitzt oder auf eine bestimmte Marke schwört. Porzellan gehört auch nicht mehr typischerweise zur Aussteuer. Es gibt zwar noch Hochzeitspaare, die zur Trauung ein bestimmtes Service bekommen, aber die sind aus unserer Sicht viel zu selten geworden – die meisten wünschen sich Geld für die Hochzeitsreise. Schaut man sich an, wofür junge Menschen heute Geld ausgeben, liegen die Prioritäten ganz klar woanders: Es ist kein Problem, sich für 800 Euro ein Handy zu kaufen, bei hochwertigem Porzellan sieht es oft anders aus.

Wie wollen Sie das ändern?

Mit modernem Design, guter Qualität und pfiffigen Ideen. Das Ziel muss es sein, sich von den Billigimporten aus Asien abzuheben. Außerdem müssen wir Online als Vertriebsweg ausbauen. Uns sterben zunehmend die Fachhändler weg – gab es früher in jeder Kleinstadt ein klassisches Haushaltswarengeschäft, machen heute etwa 40 Fachgeschäfte pro Jahr in den Innenstädten dicht. Aber Porzellan will man anfassen, bevor man es kauft. Der Onlinehandel ist damit eine Herausforderung.

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Deutschland war einmal Porzellanland. Was ist schiefgelaufen?

Deutschland ist in Europa weiterhin der größte Standort der Porzellanherstellung, und ich bin sicher, das wird auch so bleiben. Die Herausforderungen allerdings werden nicht kleiner. Der Endverbraucher greift oft lieber zur Dumpingware aus China – also zu Porzellan, das weit unter Herstellungskosten auf den Markt geschwemmt wird. Inzwischen gibt es deshalb auf chinesische Importware Strafzölle. Aber damit sind die Probleme nicht vom Tisch: Die politischen Rahmenbedingungen für die deutschen Porzellanhersteller sind schwierig. Sie haben europaweit die höchsten Energiekosten und die höchste Abgabenlast. Im Konkurrenzkampf um den Preis brauchen sie Unterstützung – die Politik muss Lösungen finden, wie die Hersteller trotz Energiewende und hohen Produktionskosten wettbewerbsfähig bleiben.

Wie schaffen es altehrwürdige Häuser wie Meissen, KPM oder Fürstenberg, sich am Markt zu halten?

In den letzten Jahren sind mit Russland oder dem vorderen Orient wichtige Exportmärkte weggebrochen. Je mehr Krisen und Kriege die Welt erschüttern, umso schwieriger wird es auch für die Produzenten von kunsthandwerklich hergestelltem Porzellan. Nichtsdestoweniger gibt es weiterhin ein großes Interesse an individuellen, hochwertigen Produkten – von Porzellanfiguren über handbemalte Vasen bis hin zu aufwendig gestalteten Tellern. Wer heute noch am Markt ist, hat bewiesen, dass er sich trotz schwierigster Rahmenbedingungen mit seinen Produkten durchsetzen kann – von daher sehe ich nicht schwarz.

Interview von Sophie Hilgenstock

Von Kerstin Hergt

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