Ablösung Müllers in Berlin: Giffey geht ins Risiko
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Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) beim Besuch einer Kita in Dresden: Ein Selbstläufer ist ihre Kandidatur nicht.
© Quelle: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild
Berlin. Für die Berliner SPD ist es eine gute, vielleicht sogar die bestmögliche Entscheidung. Familienministerin Franziska Giffey übernimmt Verantwortung für ihren am Boden liegenden Landesverband und kandidiert beim Parteitag im Mai für dessen Vorsitz. Damit ist klar, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller spätestens 2021 das Rote Rathaus räumt. Die SPD wird mit Giffey als Spitzenkandidatin in die Abgeordnetenhauswahl ziehen. Es ist ihre einzige, vermutlich auch letzte Chance, die Stimmung in der Hauptstadt zu drehen.
Mit Müller hatten die Genossen große Hoffnungen verbunden. Der Bürokaufmann und Buchdrucker sollte der Hauptstadt-SPD mehr Seriosität verleihen. Weniger Prestige, mehr Problemlösung lautete nach 13 Jahren Klaus Wowereit das Versprechen. Es hat sich nicht erfüllt, Müller geht als Gescheiterter.
Zwar hat er die Berliner mit sozialen Wohltaten überschüttet. Gegen Verwaltungschaos und Zuständigkeitswirrwarr zwischen Land und Bezirken hatte aber auch er kein Konzept. Erschwerend kam hinzu, dass die anfangs als sympathisch empfundene Biederkeit des Rathauschefs die Hauptstädter zunehmend langweilte. Auf einen blamablen vierten Platz kommt die Müller-SPD noch in der Wählergunst.
Mit der Partei konnte Giffey bislang wenig anfangen
Nun also Franziska Giffey. Die 41-Jährige hat, was Müller fehlt: Charisma, Strahlkraft, Wärme. Als ehemalige Bezirksbürgermeisterin Neuköllns genießt sie außerdem einen Vertrauensvorschuss. Wer im größten Berliner Problembezirk besteht, wird doch auch mit der gesamten Hauptstadt fertig werden – oder?
Trotzdem ist die Rückkehr der Familienministerin in die Landespolitik mit hohen Risiken verbunden. Giffey ist eine Frau aus der Verwaltung. Mit der Partei konnte sie selbst als Kreisvorsitzende der Neuköllner SPD wenig anfangen. Die Mutter eines Sohnes ist politisch pragmatisch bis konservativ, Konflikte mit der linken Basis sind programmiert. Außerdem muss sie die bittere Pille schlucken und den Landesvorsitz mit Raed Saleh teilen, jenem umtriebigen bis intriganten Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, der bislang noch jeden seiner Widersacher mürbe gemacht hat.
Und dann gibt es noch die hausgemachten Probleme. Das Plagiatsverfahren gegen ihre Doktorarbeit hat Giffey zwar überstanden, eine Rüge aber ist geblieben. Schwerer wiegt, dass ihr Ehemann, ein Veterinär, im Dezember per Verwaltungsgerichtsurteil aus dem Berliner Landesdienst entlassen wurde, und zwar ausgerechnet, weil er während einer Dienstreise einen Privaturlaub eingelegt haben soll. Die Frage, was die Ehefrau davon wusste, steht im Raum. Und wenn sich diese nun aufschwingt, oberste Dienstherrin aller Berliner Landesbeamten zu werden, muss sie auch beantwortet werden.
Mit ihrer bisherigen Strategie, den Fall als Familienangelegenheit zu deklarieren, wird Giffey im Wahlkampf kaum durchkommen. Ein Selbstläufer ist ihre Kandidatur nicht.