Zu Besuch im Pankower Wahllokal: „Da sehen Sie, wie gut es dieses Mal läuft“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GGN35SFGDBCUZISAF7WJACBUHI.jpeg)
Menschen betreten das Wahllokal in der Bornholmer Grundschule in Prenzlauer Berg. Die im Nachhinein vom Berliner Verfassungsgerichtshof für ungültig erklärte Wahl zum 19. Abgeordnetenhaus von Berlin vom 26. September 2021 wird am Sonntag wiederholt.
© Quelle: Monika Skolimowska/dpa
Berlin. Zum ersten Härtetest in dem kleinen Berliner Wahllokal im vormaligen Krisenbezirk Pankow kommt es gegen Mittag. Ein Paar mittleren Alters, unauffällig mit Anoraks und Wintermützen gekleidet, gerät mit den Spielregeln dieser historischen – weil wiederholten – Wahl in Konflikt: Nanu, Sie sind bei mir schon abgehakt, sagt eine Wahlhelferin, und tatsächlich räumt der Wähler ein „Ja, wir hatten schon per Briefwahl gewählt.“
Weil die Wahlunterlagen trotzdem in der Post waren, hatte das Paar befürchtet, ihre Briefstimmen seien verloren gegangen. „Kann man in Berlin ja nicht ausschließen“, sagt der Mann, der nun fast doppelt gewählt hätte. Fiel aber auf, und jetzt muss er seinen neuen Wahlzettel vor dem Vizeleiter des Wahllokals, dem hauptberuflichen IT-Spezialisten und BVG-Personalrat Thilo Peters, zerreißen. „Da sehen Sie, wie gut es dieses Mal läuft: Wurde sofort bemerkt“, sagt der grinsend.
Berlin wählt erneut: Landeswahlleiter zeigt sich zuversichtlich
Berlins Landesparlament wird alle fünf Jahre gewählt. Eigentlich. Denn weil es 2021 nicht richtig klappte, müssen die Wählenden nun schon wieder ran.
© Quelle: dpa
Tatsächlich habe hier dieses Mal alles wie am Schnürchen funktioniert bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, erzählt Peters, der auch schon beim ersten Versuch am 26. September 2021 als Wahlhelfer in diesem Lokal eingesetzt war: Pankow, Wahlkreis 5, Wahllokal 517 – im Gruppenraum des Seniorenstützpunktes „Quasselstube“ der Arbeiterwohlfahrt, zuständig für etwa 1500 Wahlberechtigte. Eins von rund 2200 Berliner Wahllokalen für die 2,4 Millionen Wahlberechtigten der Hauptstadt – und eins der etwa 1000 davon, in denen Wähler nach 18 Uhr abstimmen mussten, als die Prognosen und Hochrechnungen schon verbreitet wurden. Bei der Auszählung waren Stimmen dann teilweise „geschätzt“ worden, wie es später hieß.
Frust und Polizeieinsatz
So etwas gab es hier nicht, sagt Peters. Aber weil seinerzeit neben Landes- und Bezirksparlament auch noch über Bundestag und einen Berliner Volksentscheid abgestimmt wurde, blieben die Wählerinnen und Wähler sehr lange in den wenigen Kabinen: in seinem Wahllokal bis zu 15 Minuten pro Person. Drinnen standen zunächst nur zwei Wahlkabinen, wo vier eigentlich Platz haben, sodass draußen die Schlange länger und länger wurde – und die Stimmung gereizter.
Ein frustrierter Wähler sei so ausfällig geworden, dass Peters die Polizei rufen musste. Seine Wahlhelferkollegen stellten draußen Stühle für die Senioren auf den Gehweg und verteilten Wasser, weil die Leute stundenlang in der Spätsommerhitze warten mussten.
Am Abend konnte das Wahllokal nebenan immerhin zwei zusätzliche Wahlkabinen ausborgen, im Gegenzug konnte das Team von Peters helfen, als dort die Wahlzettel ausgingen. Anderswo reichten die Zettel damals nicht, neue kamen wegen des parallel laufenden Berlin-Marathons nicht durch. Im Wahllokal in der „Quasselstube“ gaben die letzten Wählerinnen und Wähler, die sich vor 18 Uhr angestellt hatten, ihre Stimme 21.30 Uhr ab. Die Wahlhelferinnen und ‑helfer zählten aus bis 1 Uhr.
Das war noch nicht einmal der Rekord in Pankow, wo es in etlichen Wahllokalen so lief. Wegen all dieser Pannen hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof die Berlin-Wahlen für ungültig erklärt und eine Wiederholung angeordnet: mit denselben Kandidaten für die laufende Legislatur. Das hatte es so noch nie gegeben in Deutschland.
Ob auch die Berliner Abstimmungen zum aktuellen Bundestag wiederholt werden müssen, prüft gerade noch das Bundesverfassungsgericht.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/47WYQK4OCM23XMF3H5O3HD2TSE.jpg)
Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler
© Quelle: Wolfgang Kumm/dpa
Kein Wunder also, dass Medien ganz Deutschland und dem Rest der Welt Reporter ausgesendet und die neue Landeswahlleitung sogar internationale Wahlbeobachter und ‑beobachterinnen eingeladen hatten. Das zehnköpfige Beobachterteam des Europarats war seit Samstag unterwegs gewesen, hatte mit Parteivertretern und Kandidaten gesprochen und am Sonntag in allen zwölf Berliner Bezirken „den Wahlvorgang“ geprüft.
Der Tenor all dieser Beobachter war am Nachmittag eindeutig: keine besonderen Vorkommnisse. Der Chef der Wahlbeobachterdelegation, Vladimir Prebilic, lobte sogar: „Die Dinge sind wirklich gut organisiert, muss ich sagen.“
Nur 90 Tage Vorbereitungszeit
Immerhin: Obwohl sie nur 90 Tage Vorbereitungszeit hatte, hatte die Stadt dieses Mal vorgesorgt: Es gab einen neuen Landeswahlleiter, mehr Wahlkabinen, mehr Helferinnen und Helfer: nämlich 42.000 und damit 8000 mehr als 2021.
Klar, irgendwas ist immer, hatte der neue Landeswahlleiter, Stephan Bröchler, am Vormittag betont. Fehlerlose Wahlen gebe es nirgends. Aber diese Wiederholung dürfte „reibungsarm“ verlaufen.
Bei ihm selbst sei am Morgen alles problemlos abgelaufen, und bei seinen Stichproben in Pankow, Lichtenberg und Mitte habe es nur Kleinigkeiten zu beanstanden gegeben: Eine defekte Telefonanlage sei vom Anbieter in kurzer Zeit repariert worden, verärgerte Wähler wegen einer Änderung ihrer Wahllokale in Pankow wurden besänftigt, in Moabit konnte ein fehlender Schlüssel für eine Wahlurne schnell herangeschafft worden, und die überraschend hohe Zahl an mit Corona krankgemeldeten Wahlhelfer habe man ausgleichen können.
Wahlen in Berlin: Beteiligung bislang geringer als 2016
Es ist eine Premiere. Wegen zahlreicher Pannen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September 2021 wird in Berlin nach nur gut 16 Monaten erneut gewählt.
© Quelle: dpa
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Von Marathonschlangen und fehlenden Wahlzetteln war nirgends mehr die Rede – was wohl ein wenig auch an der gesunkenen Wahlbeteiligung lag. Dass dieses Mal weniger Berlinerinnen und Berliner an die Urnen strömen würden, hatte man so kurz nach dem ersten Versuch, bei Nieselregen und einstelligen Temperaturen und eben ohne zusätzliche Bundestagswahl bereits erwartet.
Im Wahllokal in der Pankower „Quasselstube“ merkten die Wahlhelfer allerdings nichts davon: Seit 8 Uhr sei wie am Fließband gewählt worden. Nur dass eben vor der Tür an diesem Sonntag nie mehr als fünf bis sechs Menschen warten müssen.
Einer erzählt vom ersten Versuch vor anderthalb Jahren – und klingt fast etwas nostalgisch: Der Abend war sonnig, Anwohner verteilten Getränke, Wartende setzten sich auf die Wiesen am Gehsteig, und je länger es dauerte, desto geselliger wurde die Stimmung. „Muss man auch mal erlebt haben“, lacht er. So kann man es auch sehen: Langweilig wird es nicht so schnell in Berlin.
Berlin-Wahl: CDU stärkste Partei – Klatsche für die SPD
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus liegen die oppositionellen Christdemokraten nach ersten Prognosen der Fernsehsender klar in Führung.
© Quelle: dpa