Ägyptischer Botschafter: „100 Milliarden Dollar sind zu wenig“
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Der ägyptische Botschafter Khaled Galal Abdelhamid spricht mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) über seine Erwartungen an die Klimakonferenz, die Rolle des Klimaaktivismus und den politischen Druck auf sein Land.
© Quelle: Botschaft der Arabischen Republik Ägypten in Berlin
Berlin. Ausrichter der diesjährigen Weltklimakonferenz ist Ägypten. Khaled Galal Abdelhamid, ägyptischer Botschafter in Deutschland, fordert nun von den Industrienationen der Welt deutlich mehr Geld für den Kampf gegen den Klimawandel. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) kritisiert er zudem mit Blick auf europäische Medien, dass diese „nicht ganz verstehen, was in Ägypten vor sich geht“.
Herr Botschafter, Ihr Land richtet in diesem Jahr die Weltklimakonferenz aus. Welche Erwartungen haben Sie?
Diese Klimakonferenz wird auch die Konferenz der Implementierung genannt. Wir wollen sicherstellen, dass alle Vereinbarungen und rechtlichen Rahmenbedingungen von den Konferenzen in Paris 2015 bis Glasgow 2021 umgesetzt werden. Uns ist bewusst, dass die COP27 in Afrika stattfindet und wir wissen um die Notwendigkeit, dass finanzielle und technische Voraussetzungen für Afrika im Kampf gegen den Klimawandel geschaffen werden müssen. Ägypten wird seinen Teil dazu beitragen. Die COP27 muss sich auf Maßnahmen zur Klimafinanzierung, zur Anpassung und zur Abschwächung von Verlusten und Schäden einigen.
Startschuss für die Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm El-Scheich
Bei dem bis zum 18. November angesetzten Treffen wird darüber beraten, wie man das im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel erreichen kann.
© Quelle: Reuters
Welche Länder brauchen am nötigsten Hilfe?
Die ganze Welt ist betroffen. Wir haben Hitzewellen in Europa, Fluten in Pakistan und Brände in den Vereinigten Staaten. Die Folgen des Klimawandels bleiben keiner Region erspart. In Entwicklungsländern herrschen aber durch die Armut besonders große Schwierigkeiten. Der Klimawandel beeinflusst soziale und ethnische Beziehungen, was den Frieden und die Sicherheit innerhalb der einzelnen Länder und auch zwischen ihnen bedroht. Aber sie müssen zudem Milliarden von Euro zahlen, um die von den Industriestaaten verursachten Klimaschäden zu bekämpfen. Dafür müssten sie wirtschaftlich bis ins Unendliche wachsen, um die Maßnahmen finanzieren zu können. Die Entwicklungsländer sind am stärksten betroffen und am wenigsten in der Lage, die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen.
„Wir müssen zusammenarbeiten“
Was fordern Sie von den anderen Ländern?
Wir müssen zusammenarbeiten: Bei der Anpassung an den Klimawandel, bei der Milderung seiner Folgen und bei der Finanzierung. 2009 verpflichteten sich die Industrieländer in Kopenhagen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an die Entwicklungsländer zu zahlen. Das ist bisher noch nicht geschehen. Es ist klar, dass die Situation heute eine andere ist als 2009. Wir sind durch eine Pandemie gegangen und erleben gerade den Krieg in der Ukraine, der weitreichende wirtschaftliche Folgen hat. Es wurden zwar 100 Milliarden Dollar zugesagt, aber allein die afrikanischen Länder brauchen Summen in Billionenhöhe. Die Verpflichtung war also eher eine symbolische Geste, auf die weitere praktische Schritte folgen müssen.
Ist es wahrscheinlich, dass die Industrieländer höhere Summen an die Entwicklungsländer zahlen werden?
Es ist eine Frage des politischen Willens. Der Klimawandel betrifft uns alle, deswegen liegt die Verantwortung auf beiden Seiten: bei den Industrieländern, aber auch bei den Entwicklungsländern.
War der Petersberger Klimadialog im Sommer in Berlin eine gute Vorbereitung auf die Klimakonferenz?
Das war eine exzellente Gelegenheit, um zu besprechen, was bei der Konferenz auf uns zukommen wird. Je näher wir uns als Länder kommen, desto mehr können wir eine gemeinsame Diskussionsbasis schaffen.
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg will nicht an der Konferenz teilnehmen. Ihrer Meinung nach dienen solche Treffen mehr als Schauplatz für die politisch Mächtigen als dass sie Änderungen herbeiführen. Wie sehen Sie das?
Würden wir diese Meinung teilen, hätten wir uns nicht als Gastland für die COP angeboten. Man kann die Versammlungsmacht einer solch großen Konferenz mit 30.000 Teilnehmern nicht als irrelevant bezeichnen.
Kritik an Klimaaktivisten
Klimaaktivisten kleben sich in Deutschland aus Protest an der Straße fest oder werfen Suppen gegen Kunstgemälde.
Wir brauchen den Input der Klimaaktivisten, weil man Bewusstsein für den Klimawandel schaffen muss. Aber ich glaube nicht, dass solch extreme Maßnahmen die besten sind. Ich bin nicht sicher, wie ich mich fühlen würde, wenn wir beispielsweise ein Gemälde von Van Gogh verlieren würden. Es ist Teil unseres Kulturerbes, das geschützt werden muss. Warum sollte man es also zerstören? Aktivisten können auch durch andere Aktivitäten Bewusstsein schaffen.
Menschenrechtsorganisationen berichten, dass kurz vor dem Start der COP27 Regierungskritiker in Ägypten aus der Haft entlassen werden. Hat die internationale Klimakonferenz politisch Druck auf die Regierung in Kairo gemacht?
Ich sehe keinen Zusammenhang. Was ich in den europäischen und amerikanischen Medien lese, vermittelt mir manchmal den Eindruck, dass einige Medien nicht ganz verstehen, was in Ägypten vor sich geht. Tatsache ist, dass im Rahmen des von Präsident El Sisi im April 2022 initiierten Nationalen Dialogs mehr als 1500 Menschen freigelassen wurden. Damit soll der Weg für den nationalen Dialog zwischen den verschiedenen politischen Akteuren in Ägypten geebnet werden. COP27 ist dabei kein Faktor.