Affäre um Beraterverträge – Ist von der Leyen noch zu retten?

„In keinem Fall sachgerecht“: In einem vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofs muss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) systematische Versäumnisse zugeben.

„In keinem Fall sachgerecht“: In einem vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofs muss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) systematische Versäumnisse zugeben.

Berlin. Ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofes, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, nimmt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) massiv unter Beschuss. Das 25-seitige Papier der Rechnungsprüfer ist ungewöhnlich deutlich und lässt keinen Spielraum für Interpretationen. Demnach habe das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) "selbst festgestellt, dass der Einsatz externer Dritter in der Bundeswehr in den Jahren 2015 bis 2017 in zahlreichen Fällen nicht ordnungsgemäß war".

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Bislang hatte das Ministerium erste Berichte über Unregelmäßigkeiten stets mit dem Hinweis relativieren wollen, es handele sich nur um einen Einzelfall in der Cyberabteilung. Die Prüfer kommen jetzt jedoch nach Sichtung einer Stichprobe zu der Feststellung, dass in „47 von 56 betrachteten Fällen (…) die Unterlagen keine oder nur unzureichende Begründungen über die Notwendigkeit der externen Leistungen“ enthalten. Weiter heißt es: „In der Regel fehlten Aussagen zu alternativen Handlungsmöglichkeiten.“

In über 80 Prozent der betrachteten Fälle habe die Bundeswehr den Bedarf nicht nachgewiesen. „In keinem Fall ist es sachgerecht, externe Dienstleister allein aus dem Grund heranzuziehen, fehlendes Personal auszugleichen.“ Fast immer hätten Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit gefehlt. Fast 80 Prozent der Aufträge seien „freihändig vergeben“ worden – also ohne jede Ausschreibung. Als Beispiel nennen die Prüfer Ausgaben für einen „Möbelsachverständigen“.

Ministerium reagiert mit neuer Vorschrift

Harte Kritik äußert der Bundesrechnungshof vor allem an fehlender Transparenz und falschen Zahlenangaben. So habe das Verteidigungsressort für 2015 ursprünglich lediglich sieben externe Beraterverträge mit einem Gesamtvolumen von 2,2 Millionen Euro gemeldet. Tatsächlich hätten die Prüfer aber 182 Verträge im Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro gefunden. 2016 würden sechs offiziell gemeldete (2,9 Millionen Euro) 193 tatsächlichen Verträgen (150 Millionen Euro) gegenüberstehen. Angesichts dieser großen Diskrepanz sieht „der Bundesrechnungshof das Risiko, dass das BMVg nicht alle externen Beratungsaufträge dem Haushaltsausschuss meldet oder melden kann“.

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Schwere Mängel monieren die Prüfer nicht nur im Ministerium selbst, sondern auch im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung, im Planungsamt, in der Führungsakademie, dem Marinearsenal sowie bei den Bundeswehr-Leistungszentren Bonn und Aaachen.

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Als erste Reaktion kündigte das Ministerium an, eine neue Vorschrift „Inanspruchnahme von externen Beratungs- und Unterstützungsleistungen“ auf den Weg zu bringen. Das sei zwar zu begrüßen und von besonderer Bedeutung. Die Prüfer bleiben allerdings skeptisch: „Der Bundesrechnungshof wird deren Anwendung und die Wirkung der Zusagen des BMVg zu gegebener Zeit prüfen.“

Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner fällt ein vernichtendes Urteil. „Das Verteidigungsressort muss einräumen, dass der Skandal weit über die Cyberabteilung hinausreicht. Warum Ursula von der Leyen über Wochen hinweg das Problem kleingeredet hat, ist ihr Geheimnis.“

Mützenich kritisiert von der Leyen scharf

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat von der Leyen (CDU) eine Mitschuld an der Affäre um Beraterverträge im Verteidigungsressort gegeben. „Die Verteidigungsministerin hat sich trotz unserer Warnungen in den letzten Jahren zu stark auf Berater und Externe abgestützt“, sagte Mützenich dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Nach Ansicht des SPD-Außenexperten kann es immer Situationen geben, wo ein externer Blick und bei Belastungsspitzen zusätzliche Unterstützung notwendig ist – „aber zum Schluss ist es notwendig, dass ein Ministerium selbst handlungsfähig ist und bleibt“, sagte Mützenich.

Insbesondere die Beschaffung von Wehrmaterial sehe die SPD als eine hoheitliche Aufgabe. Hier müsse der Staat selbst bewertungsfähig und handlungssicher sein. „Eine Abhängigkeit darf es da nicht geben und daher ist es richtig, dass das Parlament seine Aufsichtsfunktion wahrnimmt und genau schaut, was war und falls es Fehler gab, dass diese zukünftig nicht mehr vorkommen und Verantwortliche benannt werden. Hier sehen wir die Ministerin in der Verantwortung“, erklärte der SPD-Politiker.

Von Jörg Köpke und Daniela Vates/RND

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