„Am Ende trifft es wieder einmal den ’kleinen Mann’“

In Berlin wird es künftig Fahrverbote für Dieselautos geben.

In Berlin wird es künftig Fahrverbote für Dieselautos geben.

Berlin. Die Bundesregierung positioniert sich in der Diesel-Debatte entschieden gegen Fahrverbote – und doch hat das Berliner Verwaltungsgericht am Dienstag Fahrverbote in der Hauptstadt angeordnet. Das Urteil sorgt bei Dieselfahrern für Unmut. Ähnlich fallen auch die Reaktionen in der deutschen Medienlandschaft aus: Während die "Emder Zeitung" den Politikern ein Versagen im "Diesel-Gate-Schlamassel" attestiert, lobt die Lübecker "Landeszeitung" vor allem die klare Kante des Gerichts. Ein Überblick:

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„Dithmarsche Landeszeitung“ (Heide): Hilfreicher Anlass, Verkehrspolitik kritisch zu hinterfragen

Die schlechte Luft in den Städten allein den bösen, bösen Dieselfahrern anzukreiden, greift viel zu kurz. Spürbare Effekte erzielen nur Verkehrskonzepte, die sämtliche Verbrennungsmotoren aus den Innenstädten verbannen. Das wiederum ist nur mit der Kombination aus vorausschauender Planung und technischem Standard möglich. Das bedeutet: Parkhäuser vor den Stadttoren, eine fahrradfreundliche Infrastruktur und ein elektrifizierter öffentlicher Nahverkehr. Der wiederum ist nur dann ökologisch, wenn eine umweltschonende Produktion der Fahrzeuge gelingt und die Akkus zudem ausschließlich mit sauberem Ökostrom geladen werden. Letzteres ist die größere Hürde, das zeigen die sinnlosen Abholzpläne im Hambacher Forst und die oft unklare Herkunft des in Deutschland verbrauchten Stroms. Diesel-Fahrverbote sind angesichts des CO2-Ausstosses der Otto-Motoren eine ungenügende Maßnahme zu sauberer Luft. Aber zumindest sind sie ein hilfreicher Anlass, Verkehrspolitik kritisch zu hinterfragen.

„Emder Zeitung“: Politiker würgen sich durch Diesel-Gate-Schlamassel

Getrieben vom Populismusgedanken versuchen Politiker, sich durch den Diesel-Gate-Schlamassel hindurch zu würgen. Die einen favorisieren saubere Luft. Das hört sich sinnvoll an. Aber es wird den verschiedenen Ursachen der Verschmutzung nicht auf den Grund gegangen. Und was bedeutet das für den Verbraucher? Egal, ob die CO2-Bilanz stimmt, Geld für den Erwerb eines Dieselfahrzeuges auszugeben, ist ein Risiko. Also: Tschüss Dieseltechnik - und in letzter Konsequenz und dank der Automobilindustrie hat es nun fast jeder kapiert, dass der Verbrennungsmotor keine Zukunft hat.

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„Darmstädter Echo“: Bundesregierung versucht, das Unrettbare zu retten

Wir betrügen, lassen uns erwischen und jagen uns dann auch noch selbst als einziges Land der Welt in Dieselfahrverbote hinein. Während die Bundesregierung das deshalb Unrettbare trotzdem weiter zu retten versucht. Das verstehe - außer den Lobbybataillonen der Konzerne - wer will. Die 27 übrigen EU-Staaten können eigentlich kein Interesse daran haben, dass der wirtschaftlichen Lokomotive Deutschland mit Anlauf Schaden zugefügt wird. Aber wenn wir uns immer grotesker selbst beschädigen und ins Abseits manövrieren, müssen sie weder Rücksicht nehmen noch gar solidarisch sein.

„Märkische Oderzeitung“: Irre Verdrehungen in der Diesel-Debatte

Erst die Schummel-Aktionen der Automobil-Industrie haben die Attacken der Öko-Aktivisten so richtig wirksam gemacht. Erst die Manipulation der Abgaswerte entfachte die öffentliche Aufregung so richtig. Das führt zu irren Verdrehungen. Manchmal scheint es fast, als ob Käufer alter Diesel vordringlich für den Schutz der Umwelt unterwegs sind, und nicht, weil es für sie billiger ist, als einen Benziner zu fahren.

“Neue Osnabrücker Zeitung“: Fehlender Wille zum Umweltschutz

Welche Blamage für die Große Koalition: Ihr erklärtes Ziel war und ist es, Fahrverbote zu vermeiden. Doch sie hat nicht verhindern können, dass jetzt auch im Herzen von Berlin Straßen für ältere Diesel-Fahrzeuge gesperrt werden müssen. Und in mindestens einem halben Dutzend weiterer Städte drohen ebenfalls Fahrverbote. Hier ist das Scheitern einer Politik zu beklagen, die massiv zulasten von Anwohnern und Verbrauchern geht. Strenge Abgasnormen, mehr Elektromobilität, Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, die Wege aus der Krise sind seit Langem bekannt. Allein, es fehlte der Wille zu konsequentem Umweltschutz. Bei den EU-Verhandlungen über künftige Abgasgrenzwerte für Autos steht Deutschland jedenfalls auf der Bremse, ein Trauerspiel.

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„Landeszeitung“ (Lüneburg): Gericht zeigt klare Kante

Was die Politik nicht vermochte, hat ein Gericht geschafft: Der deutschen Autoindustrie die Laune zu verderben. Auf den mühsamen schwarz-roten Dieselkompromiss dürften die Auto-Manager noch angestoßen haben. Denn Nachrüstungen sind nicht vorgeschrieben, die Umtauschprämien höchstens ein Witz. Doch mit der Anordnung von Fahrverboten für Diesel-Pkw auf bestimmten Strecken in Berlin hat das Verwaltungsgericht klare Kante gezeigt. Die Wirtschaft pocht immer wieder auf möglichst wenig Staat und viel Eigenverantwortung. Dass sie die Diesel-Krise zu verantworten und Millionen Autofahrer getäuscht und betrogen hat, beweist das Gegenteil. Und nötigt den Staat zu Eingriffen, die nicht nötig wären. Jedem Manager sollte endlich klar sein, dass nur die saubersten Lösungen geeignet sind, das Vertrauen von Kunden zurückzugewinnen und im internationalen Wettbewerb die Oberhand zu behalten.

„Der neue Tag“ (Weiden): Am Ende trifft es den „kleinen Mann“

Die Bundesregierung greift allenfalls halbherzig durch, die Causa Diesel wird deshalb noch etliche Gerichte beschäftigen. Was ist mit den Taxifahrern, den Handwerkern - werden sie sich mit den angekündigten Förderprogrammen zufrieden geben? Am Ende trifft es wieder einmal den „kleinen Mann“. Die Fahrer der fetten SUVs stört die Debatte wenig. Sie kaufen sich schnell ein neues, schadstoffarmes, noch dickeres Gefährt und fahren an den alten Stinkern vorbei zum Shoppen in die City. Hier läuft etwas in die völlig falsche Richtung.

„Hannoversche Allgemeine Zeitung“: Nur Verlierer im Dieseldrama

Das Dieseldrama kennt nur Verlierer. Autobesitzer haben Wertverluste hinzunehmen, Autobauer Imageschäden, die Politik einen Glaubwürdigkeitsverlust. Beschäftigte bangen um ihre Arbeitsplätze, Aktionäre um ihre Rendite, die deutsche Wirtschaft um eine ihrer Schlüsseltechnologien. Noch schlimmer trifft es jene Stadtbewohner, deren Luft immer noch schmutziger ist als nötig. Und selbst die Hoffnung, dass wenigstens die Umwelt profitiert, wenn die Diesel erstmal von der Straße verschwinden, wird sich kaum erfüllen. Denn beim Ausstoß des klimaschädlichen CO2 sind sie um Längen besser als jeder Benziner.

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Lesen Sie hier weiter: Das Diesel-Desaster

„Flensburger Tageblatt“: Mehr Schaden als Nutzen

Die Deutsche Umwelthilfe gibt keine Ruhe, sie jagt den Diesel weiter wie einen Schwerverbrecher durchs Land. Jetzt sollen auch im Zentrum von Berlin mehrere Straßenzüge für Dieselfahrzeuge bis zur Schadstoffklasse 5 gesperrt werden. Fahrverbote dieser Art bringen mehr Schaden als Nutzen. Bläst doch der Ausweichverkehr mehr Abgase in die Luft, dazu kommen zusätzliche Staus. Straßensperrungen sind Alibi-Urteile, um klagende Umweltschützer zu beruhigen. Möglichst jeden Tag ein Verbotsschild mehr, das erfreut die grüne Seele auf der einen Straßenseite und gegenüber bricht ein neues Verkehrschaos aus. Widersinnig.

Von RND/dpa/lf

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