Einigung nach 28 Stunden – aber noch bleiben Fragen offen
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Die Parteichefs der Koalitionsparteien Lars Klingbeil (SPD, von rechts) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP).
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. In ihrer dreitägigen Marathonsitzung haben die Spitzen der Ampel ein umfangreiches Paket für Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung, zum Ausbau von Straße und Schiene sowie zum Klima- und Naturschutz vorgelegt. Die Lkw-Maut soll erhöht werden – 80 Prozent der Einnahmen sollen in den Ausbau der Schiene fließen, wie Grünen-Chefin Ricarda Lang nach dem Treffen sagte.
Zurechtgestutzt wurden die Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck, wonach ursprünglich ab 2024 keine Gas- oder Ölheizung mehr neu verbaut werden sollte. FDP-Chef Christian Lindner betonte, das Gesetz solle unter dem Gedanken der „Technologiefreiheit“ angepasst werden. Im 16-seitigen Papier der Koalitionäre heißt es dazu: „Das Gesetz wird dabei pragmatisch ausgestaltet, unbillige Härte auch zum sozialen Ausgleich werde vermieden und sozialen Aspekten angemessen Rechnung getragen; auch für Mieterinnen und Mieter.“ Der FDP-Chef verkündete zudem, 144 Autobahnprojekte, „die im überragenden öffentlichen Interesse“ lägen, sollten beschleunigt umgesetzt werden. Grünen-Chefin Lang wiederum verwies darauf, dass mit dem Autobahnausbau eine „Solarausbauoffensive“ verbunden sei.
Auch im Streit, wie künftig die notwendigen CO₂-Einsparungen erbracht werden können, durchschlug die Ampel den Knoten. Künftig soll es die Möglichkeit geben, dass sich die einzelnen Bereiche gegenseitig bei der Erbringung der Ziele helfen. Das ist ein Zugeständnis an das von FDP-Minister Volker Wissing geführte Verkehrsressort, das bislang bei den CO₂-Einsparungen schwer hinterherhinkt.
Lob von der Eisenbahngewerkschaft
Beim Naturschutz soll es künftig möglich sein, statt Ausgleichsflächen für die Bauvorhaben zu schaffen, sich freizukaufen. Über diese Einigung freute sich Lindner besonders. Er resümierte die Marathonsitzung nach wochenlangem Streit in der Ampel mit den Worten: „Man schweigt sich auseinander und diskutiert sich zusammen.“
Zufrieden zeigten sich am Abend nicht nur die Ampelpartner, sondern auch der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, Martin Burkert: „Die langen Koalitionsstunden haben sich für die Schiene gelohnt. Die zusätzlichen Milliarden aus der Lkw-Maut für die Schieneninfrastruktur sind eine gute und richtige Weichenstellung der Bundesregierung für die Eisenbahnen in Deutschland“, sagte Burkert dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Klimaziele sind mit der Stärkung der Schiene wieder in greifbare Nähe gerückt.“
28 Stunden verhandelt, verteilt über drei Tage
Rund 28 Stunden verteilt über drei Tage saßen die Spitzen der Ampel im Kanzleramt zusammen. Unterbrochen wurden die Verhandlungen, bei denen es immer wieder auch laut zuging, von Regierungskonsultationen in den Niederlanden am Montag. Am Dienstag ließ Olaf Scholz seine Koalition alleine, um den kenianischen Präsidenten William Ruto zu empfangen. Zu dem Zeitpunkt sprach Oppositionsführer Friedrich Merz schon von einer Regierungskrise. Aber auch in den Koalitionsparteien zeigte sich Ungeduld: „Ein Zeichen von Führungsschwäche des Kanzlers“ seien solch lange Verhandlungen, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
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Scholz wiederum, der während des Empfangs des kenianischen Staatsoberhauptes wusste, dass die Marathonsitzung auf der Zielgeraden ist, gab sich wie immer unbeeindruckt. Auch darüber habe er mit Ruto gesprochen, der habe nämlich auch eine Koalitionsregierung, meinte der Kanzler und grinste. Die sei etwas anders als die deutsche. Aber: „Auch das gibt Diskussionen.“ Der Kanzler schaute dabei wirklich sehr vergnügt, als wäre er ein paar Stockwerke weiter oben mit den Kolleginnen und Kollegen von Grünen, FDP und SPD nicht zu einem zähen Ringen zusammengekommen, sondern zu einer fröhlichen Party. Dann ergänzte er noch: „Ich bin zuversichtlich, dass wir ein großes Werkstück zustande bringen.“ Und versprach: „Es wird sich gelohnt haben.“
Beim Haushalt bleiben offene Fragen
Überraschungen werde das Ergebnis auch enthalten, sagte Scholz. Die Inhalte, über die in den Medien berichtet worden seien, seien nicht immer korrekt gewesen. „Das Topfschlagen hat nicht immer funktioniert“, erklärte der Kanzler – Medienkritik gehört bei seinen Auftritten mittlerweile meistens dazu.
Trotz der zutage getragenen Zufriedenheit aller Beteiligten bleiben viele Fragen offen. So haben die Koalitionäre kaum über das Thema Geld gesprochen. Der Haushalt sein nur zu Beginn der Sitzung eine halbe Stunde Thema gewesen, räumte der Finanzminister ein. Für den Haushalt 2024 und die mittelfristige Finanzplanung sind noch dicke Bretter zu bohren. Ende April ist der nächste Koalitionsausschuss geplant.