Attentäter von Halle soll sich 2015 im Internet eine Waffe besorgt haben
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Stephan B. bei seiner Ankunft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
© Quelle: Uli Deck/dpa
Berlin. Ein Mann aus dem nordrhein-westfälischen Mönchengladbach steht im Verdacht, das sogenannte Manifest von Stephan B., des mutmaßlichen Attentäters von Halle, im Internet verbreitet zu haben. Die Wohnung des Verdächtigen wurde am Mittwochmorgen mit richterlichem Beschluss durchsucht. Darüber berichteten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR zuerst. Später bestätigten die Ermittler die Durchsuchungen. Gegen den Mann wird wegen Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.
Die Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA), die mit der Aufklärung des Anschlags in Halle betraut sind, konnten den Verdächtigen aus Mönchengladbach den Medien zufolge durch einen Hinweis aus dem Ausland identifizieren. US-Behörden sollen zuvor die IP-Adressen des Computers übermittelt haben, der von ihm genutzt wird. Er steht demnach im Verdacht, das rund 15-seitige PDF-Dokument, das Stephan B. erstellt haben soll, sehr zeitnah zur Tat im Internet veröffentlicht zu haben.
Verdächtiger angeblich eher links
Wie „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR weiter berichten, soll der Mann der Polizei bereits am Wochenende bereitwillig seinen Computer ausgehändigt und erklärt haben, Stephan B. nicht zu kennen. Politisch sei er selbst eher links. Weder Polizei noch Verfassungsschutz ist die Person als Extremist bekannt.
Polizei verdächtigt weiteren Mann aus Mönchengladbach
Derweil verdächtigen die Ermittler auch einen weiteren Mann aus Mönchengladbach, das sogenannte Manifest des mutmaßlichen Attentäters von Halle im Internet verbreitet zu haben. Auch dessen Wohnung sei durchsucht worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, Jan Steils, am Mittwoch auf dpa-Anfrage.
Zudem bestätigte der Sprecher der dpa, dass die Männer unter Verdacht stehen, Dokumente mit volksverhetzendem Inhalt zeitnah zum Attentat von Halle verbreitet zu haben. Auf die Frage, ob es sich dabei um das „Manifest“ des Attentäters handele, sagte Steils, das treffe zu. Gegen die 26 und 28 Jahre alten Männer werde wegen Volksverhetzung ermittelt.
Derzeit versucht die Polizei zu ermitteln, ob Stephan B. bei seiner Tat möglicherweise Unterstützer oder Mitwisser hatte. Unter anderem werden die von ihm verwendeten Schusswaffen und Sprengsätze auf DNA-Spuren und Fingerabdrücke untersucht. Überdies interessieren sich die Ermittler für jene Menschen, die B.s Tat live im Internet verfolgt haben, weil davon ausgegangen wird, dass sie mehr wissen. Stephan B. befindet sich in Untersuchungshaft und ist geständig.
Unterdessen berichtet das ZDF-Magazin „Frontal 21“, Datenspuren des Anschlags von Halle seien in dem Bilderforum „Meguca.org" gelöscht worden, weil Sicherheitsbehörden angeblich nicht gehandelt hätten. In dem Forum sei das Attentat unmittelbar vor der Ausführung angekündigt worden. Eigentümer des Forums ist Jānis Pētersons, ein 28-jähriger Softwareentwickler aus Riga (Lettland), der dem Magazin erklärte, dass ihn auch fast eine Woche nach dem Anschlag keine einzige Sicherheitsbehörde kontaktiert habe.
Eine Spur nach Lettland
Um 11.57 Uhr am vergangenen Mittwoch war die Ankündigung laut ZDF bei „Meguca" erschienen; dort wurde auf den Livestream des Anschlags sowie das „Manifest“ verlinkt. Der Link auf die Dateien, die „Frontal 21“ vorliegen, war bei „Meguca.org" noch bis Freitag öffentlich abrufbar. Erst dann wurde der Beitrag nach Angaben von Jānis Pētersons entfernt und mit ihm sämtliche weitere Kommunikation mit anderen Teilnehmern des Forums. Der Betreiber bedauert demnach, die ideologische Umgebung geschaffen zu haben, in der die Terrorpläne auftauchten. Seit Sonntagabend ist seine Website nicht mehr erreichbar – er hat sie aus dem Netz genommen.
„Frontal 21“ berichtet ebenfalls, ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene habe erklärt, den Täter im Frühjahr 2014 bei einer Parteiveranstaltung in der ehemaligen NPD-Zentrale in Leipzig getroffen zu haben. Bisher hieß es, Stephan B. habe sehr isoliert gelebt und sei vor allem online aktiv gewesen.
Neue Details über Attentäter
Unterdessen wurde bekannt, dass sich der Attentäter von Halle im September 2018 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr beworben hatte. Das verlautete am Mittwoch nach einer nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages, an der Generalbundesanwalt Peter Frank und ein Vertreter des Bundeskriminalamtes teilnahmen. Den Angaben zufolge zog er seine Bewerbung allerdings später wieder zurück. Weshalb er sich dann anders entschied, ist noch nicht bekannt. Er hatte ab Ende 2010 einige Monate Wehrdienst geleistet. Ein Chemiestudium brach er ab.
Der Mann habe sich auf eine Mannschaftslaufbahn beworben, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus der Bundeswehr. Im Jahr 2019 habe er einen Tag vor dem Auswahlverfahren dann eine E-Mail geschrieben und erklärt, er verzichte auf die Bewerbung. Die Gründe seien unklar geblieben. „Wir wissen es nicht“, hieß es dazu aus der Bundeswehr.
Außerdem soll er sich bereits 2015 im Internet eine Schusswaffe besorgt haben. Das berichteten mehrere Teilnehmer der Sitzung. Ob er die Waffe im offenen Internet oder im sogenannten Darknet fand, ist demnach noch nicht endgültig geklärt. Auch die Frage, ob es sich damals um eine Schreckschusspistole oder um eine scharfe Waffe handelte, blieb letztlich offen.
RND/mdc/dpa