Aufklärung und Tests statt Impfpflicht
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Eine Frau lässt sich in einem Impfzentrum in Brandenburg gegen Corona impfen.
© Quelle: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/PO
Berlin. Alle politischen Entscheidungen zur Bekämpfung Corona-Pandemie sind kontrovers diskutiert worden – mit einer Ausnahme: Es gab von Anfang an einen breiten Konsens darüber, dass es keine Impfpflicht geben soll. Zu groß war und ist bei allen Verantwortlichen die Sorge, dass ein zwangsweiser körperlicher Eingriff den breiten gesellschaftlichen Konsens zerstört, die umfassende Einschränkung von Freiheitsrechten zum Schutz der gefährdeten Mitbürger zu akzeptieren.
Impfverweigerer ins Gefängnis?
Zwar halten Juristen eine Impfpflicht angesichts der enormen Gefahren des Corona-Virus ähnlich wie bei Masern für verfassungsrechtlich möglich, doch es stellt sich auch die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit. Sollen sich die Gefängnisse mit Menschen füllen, die sich hartnäckig einer Impfung verweigern, aber die Bußgelder nicht zahlen können oder wollen? Wird auch die 80-Jährige in den Knast gesteckt, die Angst vor einer Impfung hat – aber keine Angst vor dem Corona-Tod?
Keine Impfpflicht durch die Hintertür
Bislang bestand auch Einigkeit darüber, dass eine Impfpflicht durch die Hintertür – etwa durch eine Bevorzugung von Geimpften – ebenfalls den gesellschaftlichen Grundkonsens bei der Corona-Bekämpfung infrage stellt. Solange nicht jedem Bürger ein Impfangebot gemacht werden kann, darf es deshalb keinerlei Privilegien geben. Es mag widersinnig klingen, auch Geimpfte nach der Rückkehr aus Risikogebieten in Quarantäne zu stecken. Doch es ist sogar medizinisch geboten, da bisher niemand weiß, wie ansteckend Geimpfte noch sein können.
Ohnehin bestand bei allen politischen Entscheidungsträgern die Annahme, eine Impfpflicht sei schon deshalb überflüssig, weil die übergroße Mehrheit der Bevölkerung eine Corona-Impfung regelrecht herbeisehnt.
Anvertraute Menschen schützen
Das scheint sich allerdings gerade als Fehleinschätzung zu erweisen.
Noch gibt es keine bundesweiten Zahlen, doch mobile Impfteams berichten, dass sich in Altenheimen teilweise nur 20 Prozent der Pflegekräfte impfen lassen wollen. Da liegt es nahe, über eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe und andere Heilberufe nachzudenken. Schließlich gibt es dafür auch ein Vorbild: Die Anfang 2020 eingeführte Masernimpfpflicht gilt zum Schutz der Kinder sowohl für Beschäftigte im Gesundheitswesen als auch für Erzieher und Lehrer.
Und dennoch ist eine Impfpflicht zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt das falsche Mittel.
Ja, es macht ratlos, dass ausgerechnet Menschen, deren Beruf die Betreuung von Hilfsbedürftigen ist, sich nicht impfen lassen wollen. Zum Berufsethos jeder Pflegekraft sollte gehören, alles zu tun, um die ihnen anvertrauten Menschen zu schützen und ihnen nicht zu schaden. Und jedem muss klar sein, dass eine Impfung das wirksamste Mittel ist, um die Pandemie endlich zu stoppen.
Dennoch darf auch dem Pflegepersonal zugestanden werden, Angst vor einer neuartigen Impfung zu haben. Auch das offenbar bestehende Gefühl, als priorisierte Impfgruppe die Rolle eines billigen Versuchskaninchens zu spielen, muss ernst genommen werden.
Allen Bedenken kann mit überzeugenden Argumenten begegnet werden – aber wo ist die umfassende Informations- und Aufklärungskampagne der Bundesregierung? Die Zeitungen, das Internet, Fernseh- und Radioprogramme müssten voll sein mit entsprechenden Anzeigen. Es ist ein fatales Versäumnis der Regierung, dass das bisher nicht geschehen ist.
Hilft die Aufklärung nicht, steht in Abwägung der Schwere von Grundrechtseingriffen ein weiteres, vergleichsweise mildes Mittel zur Verfügung, nämlich eine Testpflicht für alle Pflegekräfte, die sich nicht impfen lassen wollen. Niemandem nutzt es, wenn der bereits bestehende Pflegenotstand noch dadurch verschärft wird, dass Pflegende durch eine Impfpflicht aus dem Beruf gedrängt werden.